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DOI: 10.1055/s-0028-1129922
Zum Krankheitsbilde der Rübenzieherneuritis
Publication History
Publication Date:
05 May 2009 (online)
Zusammenfassung
In unseren Fällen brachen die ersten sensiblen Reizerscheinungen bei allen Patienten, von denen nur 2 Männer waren, relativ früh nach Beginn des Rübenziehens auf, meist in den ersten 3—4 Wochen. Direkt an das primäre Einschlafgefühl traten Lähmungserscheinungen und starke Schmerzen auf. Von unseren 7 Fällen konnten wir 6 im Stadium der Lähmung beobachten. Bei diesen allen war der rechte Unterschenkel wesentlich stärker als der linke befallen. Dies widerspricht zwar den Befunden von Hoffmann und Curschmann, die immer eine Bevorzugung der linken Seite fanden. Es scheint uns aber doch einleuchtend, daß beim Rübenziehen mit der rechten Hand auch das rechte Bein zum Gegenstemmen in hockender Stellung mehr beansprucht wird als das linke. Wenigstens handelte es sich bei den genannten 6 Fällen allen um Rechtshänder, die auch z. T. selbst angaben, daß sie abends nach der Arbeit ein größeres Müdigkeitsgefühl im rechten als im linken Bein verspürten.
Auch in den 3 von Schultz mitgeteilten Fällen war der rechte Unterschenkel stets stärker beteiligt als der linke. Von unserem 7. Falle können wir nicht sagen, welche Seite stärker ergriffen war, da wir ihn nur im Endstadium mit nur beiderseits fehlenden A. S. R. gesehen haben. Aber stets war bis, auf unseren Fall 6 auch die linke Seite beteiligt, meist nur sehr gering, indem nur ein Fehlen des linken A. S. R. nachweisbar war. Nur im Fall 5 war auch eine sonstige Peroneus- und Tibialislähmung links, fast ebenso stark wie rechts, festzustellen.
Die Intensität der Lähmungen auf der rechten Seite war auch von Fall zu Fall etwas schwankend, im allgemeinen handelte es sich um partielle Schädigungen des N. peroneus und tibialis mit deutlichen schlaffen Lähmungen der gesamten Unterschenkelmuskulatur und Zeichen von partieller oder totaler Entartungsreaktion und mittelstarken Atrophien. Auch die Sensibilitätsstörungen waren immer nur partiell in ihrer Ausbreitung und Intensität.
Auch der N. femoralis war in 2 Fällen deutlich auf der rechten Seite geschädigt, ferner fiel bei den anderen Fällen bis auf Fall I auch entweder eine Herabsetzung oder Steigerung des rechten oder auch beider Patellarsehnenreflexe auf. Eine geringe Irritation des N. femoralis besteht also häufig gleichzeitig. Das entspricht auch dem Falle Curschmanns, der eine leichte Quadrizepsparese sogar hatte.
Was nun den Verlauf unserer Fälle betrifft, so müssen wir auch sagen, daß die Prognose zwar ganz günstig quoad sanationem zu sein scheint, der Heilungsverlauf jedoch ein ziemlich langsamer ist. Spontanheilungen scheinen, wie Fall 7 zeigt, auch möglich, abgesehen vom Fehlen der Wiederkehr der Achillesreflexe in diesem Falle.
Die Art der Therapie muß der der üblichen Polyneuritistherapie entsprechen. D. h. Wärmebehandlung in Form von Lichtkästen oder jetzt Ultra-Kurzwellenbehandlung und Elektrotherapie in Form von Galvanisation der gelähmten einzelnen Muskeln, ferner scheint das Novoprotin ganz günstig zu sein.
In gutachtlicher Hinsicht müssen diese Fälle natürlich als Berufskrankheit angesehen werden und dementsprechend beurteilt werden. Auch muß man bezüglich ihrer Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht vorsichtig sein, da sie, wie oben geschildert, unter Umständen doch sehr langsam verlaufen. In jedem Falle wird man wohl doch besser zu einem Wechsel in der Beschäftigungsart raten müssen, was ja in landwirtschaftlichen Betrieben nicht schwierig ist.
Zur Vermeidung schwerer Lähmungserscheinungen wäre natürlich eine weitgehende Aufklärung der Rübenzieher dahingehend am Platze, daß sie bei Auftreten der ersten Kribbelerscheinungen in den Beinen ihre Arbeit einstellen müssen.
Mit den vorstehenden Ausführungen hoffen wir gezeigt zu haben, daß die Rübenzieherneuritis eine in landwirtschaftlichen Gegenden wohl doch nicht so ganz seltene Erkrankung ist vom Charakter einer Polyneuritis, die nach unserer Überzeugung wohl vorläufig noch zu wenig bekannt und beobachtet ist. Bei Landarbeitern, die über polyneuritische Erscheinungen an den Beinen in den Spätsommer- und Herbstmonaten klagen, muß man doch stets an diese Rübenzieherneuritis denken.