Zusammenfassung
Nach klinischen Beobachtungen an Menschen und experimentellen Studien an Meerschweinchen kommt es durch den Genuß von Knollenblätterschwamm zum Uebertritt des Toxins in die Brustmilch. Trotz der geringen Menge Giftes, um die es sich hier handeln kann, können bei den säugenden Jungen schwere Vergiftungserscheinungen ausgelöst werden, die vor allem in Enteritis bzw. Kolitis bestehen. Bei den jungen Meerschweinchen konnte außerdem parenchymatöse Degeneration und Fettinfiltration der Leber festgestellt werden. Es ist möglich, daß das in die Brustmilch übergetretene Toxin auch bei unserm erkrankten Säugling eine derartige Leberschädigung und die später erfolgte alimentäre Intoxikation verursacht hat.
Nach Abschluß dieser Arbeit fanden wir bei Welsmann (M. Kl. 1920, 7 Nr. 26) und Herzog (Frankf. Zschr. f. Path. 1918, 21 H. 2) noch Angaben über Beobachtungen von Müttern, die nach Genuß von Knollenblätterschwamm ihre Säuglinge stillten.
Welsmann berichtet über eine Patientin, die eine kleine Schüssel (etwa 100 g) Pilzmenge verzehrt hatte. Sie erkrankt nach 15 Std. mit Erbrechen und Durchfällen. Die Erscheinungen schwinden nach 3 Tagen. Noch nach dem Auftreten der ersten Vergiftungserscheinungen stillt sie einen drei Monate alten Säugling, der nicht erkrankt. Eine zweite Patientin Welsmanns stirbt 32 Stunden nach dem Genuß von etwa 50 g Knollenblätterschwamm. Auch diese Patientin stillt nach dem Auftreten der Vergiftungserscheinungen einen 5 Monate alten Säugling, der ebenfalls nicht erkrankt.
Im Falle Herzog handelt es sich um eine Familie, von denen 5 Mitglieder angeblich nur 5 große Pilze, auf dem Kohlenfeuer geröstet, verzehrt hatten. Von dieser Familie sind 4 Personen gestorben. Die Mutter, die einen halben Pilz gegessen haben will, hat sich selbst nicht unwohl gefühlt. Hingegen zeigt ein dreijähriges Mädchen, das jedoch noch an ihrer Brust gestillt wurde — es handelte sich um eine polnische Familie, bei denen so langes Stillen keine Seltenheit ist — Krankheitserscheinungen, die in Uebelsein, Erbrechen, Durchfällen und Schläfrigkeit bestanden, obwohl es nach den bestimmten Angaben der Mutter von den Pilzen selbst nichts genossen hat. Herzog vermutet, daß diese Krankheitserscheinungen auf die Wirkung des in die Muttermilch übergetretenen Pilzgiftes zurückzuführen sind.
Welsmann macht leider keine Angaben darüber, wie häufig die Säuglinge nach dem Auftreten der mütterlichen Vergiftungserscheinungen noch gestillt wurden. Immerhin bestätigen unsere Beobachtungen an Säuglingen und Untersuchungen an Meerschweinchen die Vermutung Herzogs, daß beim öfteren Anlegen an die Brust ein Uebertritt des Knollenblätterschwammgiftes in die Muttermilch möglich ist.