Dtsch Med Wochenschr 1921; 47(19): 526-527
DOI: 10.1055/s-0028-1140634
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Tuberkulose-Studien. V. Zur Pathogenität der säurefesten Bakterien, im besonderen der Passagestämme säurefester Bazillen (nach Untersuchungen am Auge)

Josef Igersheimer - Oberarzt der Universitäts-Augenklinik Göttingen, Hans Schloßberger - Mitglied des Instituts
  • Aus dem Staatlichen Institut für experimentelle Therapie und dem Georg Speyer-Haus in Frankfurt a. M. (Direktor: Geh.-Rat Kolle) und der Universitäts-Augenklinik in Göttingen. (Direktor: Geh.-Rat E. v. Hippel.)
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Publication Date:
24 August 2009 (online)

Tuberkulose-Studien 1) IV. Ueber die Tierpathogenität der Gruppe der säurefesten Bakterien; Tierpassagen, Virulenzsteigerung und kulturelles Verhalten

Zusammenfassung

Die kurz geschilderten Versuche am Auge des Meerschweinchens erbringen eine einwandfreie Bestätigung der von Kolle, Schloßberger und Pfannenstiel nachgewiesenen Möglichkeit, durch Tierpassagen wenig pathogene säurefeste Bazillen, sogenannte saprophytische, verschiedenster Art in ihrer Pathogenität so zu steigern, daß sie ähnlich wie die Tuberkelbazillen auf Meerschweinchen wirken. Während der Ausgangsstamm am Auge keine oder eine unspezifische Reaktion mit rückgängiger Tendenz hervorruft, brachten alle bisher untersuchten, dem Typus humanus morphologisch und kulturell gleichenden und aus apathogenen bzw. wenig pathogenen säurefesten Bazillen durch Passage im Warmblüterorganismus gewonnenen Stämme eine tuberkulöse Erkrankung des Impfauges zustande, die sich klinisch und pathologisch-anatomisch nicht von der durch echte virulente Tuberkelbazillen des Typus humanus oder bovinus erzeugten unterscheiden ließ. Zahlreiche autoptische Befunde bewiesen, daß es sich am Auge nicht um eine Pseudotuberkulose handelt, sondern daß vom Auge aus eine tuberkulöse Durchseuchung des Gesamtorganismus stattfindet. Daß diese Anpassungserscheinungen vom phylogenetischen Gesichtspunkt aus wichtig und interessant sind, aber keineswegs etwa für eine Identifizierung der Bakterien der säurefesten Gruppe mit den echten Tuberkelbazillen verwertet werden können, haben Kolle und Schloßberger bereits betont.

Die Untersuchungen haben nicht nur allgemein-pathologisches Interesse, sondern sind auch vom Standpunkt des Ophthalmologen beachtenswert, denn es zeigte sich, daß die Reaktion des Auges auf die verschiedenen Ausgangs- und Passagestämme ein gewisses individuelles Gepräge hatte, wobei allerdings die Dosierung sehr zu berücksichtigen ist.

Theoretisch und wohl auch praktisch wird es interessant sein, die Frage der Superinfektion mit den verschiedenen Stämmen bei den mit den Ausgangs- und den Passagestämmen vorbehandelten Tieren zu studieren, sowohl nach intraokularer Injektion wie nach subkutaner Vorbehandlung.