Zahnmedizin up2date 2009; 3(2): 131-147
DOI: 10.1055/s-0029-1185388
Oralchirurgie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schnittführung und Naht

Johannes Kleinheinz
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Publication Date:
09 April 2009 (online)

Schnittführung

Obwohl der Schnitt an erster Stelle einer operativen Tätigkeit steht, findet er im Alltag zumeist wenig Beachtung. Allerdings können bereits zu diesem Zeitpunkt die Weichen für den Erfolg oder Misserfolg einer Behandlung gelegt werden (Abb. [1]). Man sollte sich im Vorfeld eines Eingriffs den Leitsatz vor Augen halten: „Die meisten Fehler werden begangen, weil am Anfang nicht zu Ende gedacht wird.“ Für die Schnittführung bedeutet dies:

Abb. 1 Mit einer gut durchdachten Schnittführung können bereits im Vorfeld eines Eingriffs spätere Komplikationen vermieden werden. Quelle: Photo Disc, Symbolbild.

vor dem Eingriff dessen maximal möglichen Umfang zu bedenken, beeinflussende Faktoren in die Schnittplanung einzubeziehen und anatomische und biologische Grundlagen zu beachten.

Falsch ausgeführt ist eine Korrektur, Verlegung oder Erweiterung der Schnittführung oftmals nicht mehr durchführbar und damit die Möglichkeit einer intraoperativen Adaptation vergeben.

Grundanforderungen

Grundsätzlich können unterschiedliche Anforderungen an jede Art der Schnittführung, unabhängig von deren Lokalisation und Ausführung, festgelegt werden.

Zunächst gilt es, die optimale Sicht auf das Zielgebiet zu ermöglichen. Da sich intraoperativ Veränderungen sowohl der Vorgehensweise als auch der Größe des Operationsfelds ergeben können, muss der Schnitt problemlos erweiterbar sein. Ebenso unabhängig von der gewählten Operationsmethode muss eine ausreichende Mobilisation der bedeckenden Weichgewebe zur Deckung des gesamten Operationsfelds möglich sein. Der Schnitt sollte zudem niemals über einem Knochendefekt oder Hohlraum platziert werden, um die Wundheilung im Schnittbereich von der Gewebeunterlage unterstützen und ernähren zu können. Zusätzlich soll die mechanische Unruhe, die über einem Hohlraum entstehen kann, durch Fixierung auf einem Untergrund vermieden werden.

So notwendig jeder Schnitt mit einer gezielten Gewebeschädigung einhergeht, so gering wie möglich sollte diese Gewebeschädigung ausfallen. Die geringe Schädigung stellt die Grundlage für eine sichere Wundheilung dar, die wiederum die beste Form der Infektprophylaxe ist.

Die medizinisch notwendige Eröffnung des Integuments sollte immer unter dem Aspekt der nachfolgenden Veränderung des Gewebes gesehen werden, sodass möglichst geringe ästhetische Veränderungen durch den Schnitt nachfolgen. Schlussendlich muss mit der Schnittführung die Versorgung der umgebenden Gewebe gewährleistet bleiben, sodass die Suffizienz der vaskulären Versorgung der Weichgewebe nicht gefährdet werden darf.

Grundanforderungen an die Schnittführung Ein Schnitt sollte eine optimale Sicht auf das Zielgebiet ermöglichen problemlos erweiterbar sein die Mobilisation der Weichgewebe zur Deckung des Operationsgebiets ermöglichen nicht über einem Knochendefekt oder Hohlraum platziert sein geringe Gewebeschädigungen hervorrufen eine sichere Wundheilung ermöglichen geringe ästhetische Veränderungen verursachen die vaskuläre Versorgung der Weichgewebe nicht beeinträchtigen Wundheilung und Angiogenese Wundheilung. Oberstes Ziel nach einer Gewebedurchtrennung muss eine zuverlässige vorhersagbare primäre Wundheilung sein. Die Wundheilung stellt ein komplexes Regenerationssystem dar, welches von molekularen, zellulären und gewebetypischen Komponenten bestimmt wird [1, 2]. Dabei greifen unterschiedliche Kaskaden hierarchisch und chronologisch streng geordnet ineinander und führen schlussendlich zum Verschluss der Oberfläche und zur Wiederherstellung des bedeckenden Weichgewebes. Verdeutlicht werden muss hierbei, dass trotz aller wissenschaftlichen Bemühungen eine narbenlose Wundheilung, sowohl der oralen Schleimhaut als auch der Haut, nach der Geburt eines Menschen nicht mehr möglich ist. Die Narbe allerdings stellt immer eine Schwachstelle eines Gewebes dar, die nicht nur sichtbar und damit ästhetisch störend wirkt, sondern auch für weitere Eingriffe ein nicht vorhersagbares Hindernis darstellt, da weder die Vaskularisation noch die Mobilisationsfähigkeit noch die Farbgebung vorhersehbar sind. Merke: Ein Schnitt endet immer mit einer Narbenbildung. Die Angiogenese, d. h. die Neubildung von Gefäßen aus bereits bestehenden Gefäßen der Wundränder, ist eine für sich genommen ebenso komplexe Kaskade von Aktivierung und Inhibition. Sie steht im Mittelpunkt des Geschehens und wird bereits mit der Wundsetzung aktiviert [3, 4]. Bereits bei der Schnittführung kommt es durch Verletzung von Gefäßen zu vaskulären und zellulären Reaktionen, die den Startpunkt für eine Gefäßneubildung und damit die Grundlage für nahezu jede Art der Gewebeheilung und ‐regeneration im menschlichen Körper darstellt. Eine ausbleibende, fehlerhafte oder gestörte Gefäßneubildung führt immer zu einer insuffizienten Geweberegeneration und damit zum Gewebeuntergang. Merke: Ohne Wiederherstellung der Gefäßversorgung findet keine Gewebeheilung oder -regeneration statt. Formen der Gewebedurchtrennung Heutzutage sind unterschiedliche Formen der Gewebedurchtrennung möglich. Dabei kommen unterschiedliche physikalische Prinzipien zum Einsatz, deren Auswirkungen auf das Weichgewebe ebenso unterschiedlicher Natur sind. Entscheidend bei der Auswahl der Technik ist das Wissen um die spezifische oder unspezifische Schädigung der Wundränder, die Beeinflussung von Gefäßen und Mediatoren und damit die Veränderung der Möglichkeit einer primären Wundheilung. Sicherlich stellt der nicht blutende Wundrand, z. B. nach Schnittführung mit dem Laser, für jeden Operateur eine Erleichterung dar; dies bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass die Wundheilung ihren geregelten Ablauf nehmen kann. Gerade die Bedeutung der Gefäßreaktion spielt in der Initialphase der Wundheilung eine essenzielle Rolle und somit stellen die versiegelten Gefäße nicht immer eine optimale Situation dar. Der Schnitt mit dem Skalpell und die nachfolgende Blutung aus den Wundrändern gelten nach wie vor als Goldstandard der Weichgewebseröffnung und nachfolgenden Wundheilung. Techniken zur Weichgewebsdurchtrennung Skalpell Wasserstrahl Laser Elektromesser Ultraschall Merke: Entscheidend für die Auswahl einer Technik zur Gewebedurchtrennung ist das Wissen um die Art und den Grad der Schädigung der Wundränder.

Konzepte

Bei der Schnittführung sollten verschiedene Konzepte mit unterschiedlichen Bedeutungsgraden unterschieden werden.

Ästhetisches Konzept Hierbei gilt es vor allem, sichtbare Veränderungen zu vermeiden, die den Gesamteindruck eines Gewebes verändern können. Dazu gehören in erster Linie Narben, die aufgrund ihres Aufbaus als Schwachstellen zählen und zeitlebens sichtbare Veränderungen darstellen. Die Platzierung eines Schnittes entlang des Übergangsbereiches zweier Gewebeschichten oder ‐arten nützt natürliche Veränderungen aus und erlaubt es, Narben zu tarnen. Vermieden werden sollte die Kreuzung ästhetischer Zonen, die klar definierte Bereiche umfassen. Diese Zonen zeichnen sich durch homogene Gewebestrukturen aus. Narben werden sofort als Fremdstruktur erkannt. Der Schnitt sollte weiterhin die physiologischen Grundstrukturen weitestgehend erhalten, da nur ein normales Zusammenspiel der Gewebe einen natürlichen Eindruck hinterlässt. Daher sollten alle notwendigen Rekonstruktionen mit ortsständigen Geweben durchgeführt werden, um Form, Farbe und Textur zu erhalten. Limitationen des ästhetischen Konzepts ergeben sich letztendlich nur durch die Vaskularisation und Versorgung der Gewebe, welche nicht jede Form der ästhetischen Korrektur zu jedem Zeitpunkt zulassen. Plastisch-rekonstruktives Konzept Nach der Schnittführung sollte es im weiteren Operationsverlauf möglich sein, die Weichgewebe mobilisieren und verlagern zu können. Hierzu müssen die Grundregeln der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie beachtet werden. Dazu gehören die richtige Dimensionierung von Lappen, insbesondere die Einhaltung des Verhältnisses von Lappenbasis zu Lappenlänge, die ausreichende Mobilisation, um einen Lappen schwenken oder rotieren zu können, eine ausreichende Länge der Lappen, damit bei der Schwenkung oder Rotation alle entscheidenden Areale sicher und suffizient bedeckt werden können und eine an die Situation angepasste Lappendicke. Auch bei diesem Konzept ergeben sich natürliche Limitationen aus der vaskulären Versorgung der Weichgewebe. Die Schnitttiefe und damit die Bildung von unterschiedlichen Lappendicken (reiner Mukosa- oder Mukoperiostlappen) sollten dabei immer unter dem Aspekt einer suffizienten Versorgung des darunter liegenden Knochens erfolgen [5]. Versorgungskonzept Dieses Konzept stellt die Basis jeder Weichgewebschirurgie dar. Sogenannte Angiosomen oder vaskuläre Territorien bezeichnen Weichgewebsareale, die von definierten arteriellen Zuflüssen und venösen Abflüssen drainiert werden [6, 7]. Schnittführungen sollten so angelegt werden, dass keine Hauptäste von Gefäßen durchtrennt werden. Avaskuläre Segmente angrenzender Territorien sollen nicht ausgeschnitten und damit isoliert werden. Entscheidend ist das Wissen um die Grenzen der Angiosomen und um das Ausmaß der Kollateralbildung.

Inspektion, Anatomie und Veränderung

Bevor ein Schnitt gesetzt wird, sollte die durch den speziellen Patientenfall vorgegebene Anatomie verinnerlicht werden. Hierbei ist es von höchster Bedeutung, strukturelle Veränderungen der Gewebe erkennen und die Auswirkungen der Veränderungen auf den Fortgang der Operation richtig einschätzen zu können. Mögliche Verlagerungen von Geweben, Narbenbildungen und Verlust von Gewebeanteilen sollten im Vorfeld exakt untersucht und bewertet werden. Gerade die stark veränderte Anatomie, beispielsweise nach Trauma (Abb. [2]), bei Fehlbildungen (Abb. [3]), oder nach Tumoroperationen mit Gewebsrekonstruktionen (Abb. [4]), lässt oftmals eine standardisierte Inzision nicht zu. In diesen Fällen müssen die Einhaltung der allgemeinen Anforderungen und Konzepte, sowie das Wissen um die Versorgung der Gewebe im Vordergrund stehen.

Abb. 2 Situation nach Pferdetrittverletzung. Abb. 3 Situation nach doppelseitiger LKG‐Spalte und multiplen Voroperationen. Abb. 4 Situation nach tumorbedingter Resektion und Rekonstruktion mit mikrovaskulär gestieltem Radialislappen. Merke: Prinzipiell sollte versucht werden, mit der Anatomie und niemals gegen diese zu arbeiten. Dies bedeutet, dass vorgegebene Grenzen (z. B. Narben, Gewebeübergänge, Hautfalten, Hautspannungslinien) für die Schnittführung ausgenutzt werden sollten. Vaskularisation und Mukosafarbe Die Bedeutung der Vaskularisation für die Mukosafarbe konnte in Untersuchungen nachgewiesen werden [8]. Es wurde deutlich, dass grundsätzlich kein Unterschied in der Gefäßdichte und ‐anzahl in unterschiedlichen Bereichen der Mukosa und Gingiva bestehen, die Verhornung jedoch den Eindruck einer helleren und blasseren Rotfärbung vermittelt. Schwankungen der Gefäßzahl führen zu unterschiedlichen rötlichen Schattierungen, so ergibt eine hohe Gefäßzahl einen dunkleren Ton als eine niedrigere Gefäßzahl. Diese Vorgaben können jedoch operativ nicht gezielt verändert werden, da nach wie vor keine Technik existiert, mit der die rote Farbe der Gingiva und Mukosa gezielt in eine Richtung verändert und damit an eine Situation individuell angepasst werden kann. Die Farbveränderung, die sich bei einem Schnitt durch Veränderung der Vaskularisation und durch Narbenbildung ergibt, bleibt nach wie vor nicht vorhersehbar. Makroskopischer Verlauf der Gefäße Die vaskuläre Anatomie der oralen Weichgewebe wurde bereits mehrfach untersucht, zumeist unter dem Aspekt der topografischen Beziehungen. Eine Beschreibung im Sinne einer „chirurgischen Anatomie“ fehlt weitgehend in der Literatur. Gerade diese Form der anatomischen Aufarbeitung ermöglicht es aber, Eingriffe mit minimaler Gewebeschädigung bei optimaler Sicht mit gesicherter Wundheilung unter Schutz aller Nachbargewebe durchzuführen. Durch Ausgussverfahren und Plastinationen konnten beeindruckende makroskopische Darstellungen der Gefäße der oralen Mukosa erstellt werden (Abb. 5). Abb. 5 Ausgusspräparat eines zahnlosen Oberkiefers in der Ansicht von kaudal (aus: Tillmann B. Farbatlas der Anatomie Zahnmedizin – Humanmedizin. 1. Aufl. Stuttgart: Thieme; 1997). Analyse der Gefäßbäume Die Verlaufsrichtung der Hauptgefäße weist von posterior nach anterior. Die Hauptgefäße verlaufen zumeist parallel zum Alveolarfortsatz. Der zahnlose Alveolarfortsatz wird von einer 2–4 mm breiten, avaskulären Zone bedeckt, es bestehen keine transkrestalen Anastomosen mit Ausnahme in Bereichen einer Papille. Der Unterkiefer besitzt ein Zentralgefäß (Arteria alveolaris inferior), die Versorgung des Knochens erfolgt zentrifugal von innen nach außen, die Schleimhaut wird separat versorgt. Der Oberkiefer besitzt kein Zentralgefäß und wird maßgeblich von außen über die Muskulatur, die Schleimhaut, das Periost und die Foramina nutricia versorgt, die im Oberkiefer 3-fach häufiger anzutreffen sind als im Unterkiefer. Bei Alveolarfortsatzatrophie kann das Zentralgefäß in bis zu 37 % der Fälle obliterieren. Als Folge wird die Versorgung von zentrifugal auf zentripetal umgestellt; damit gewinnt bei Atrophie die Versorgung des Kieferknochens über die bedeckende Schleimhaut und damit auch die Art der Weichgewebspräparation an Bedeutung. Mikroskopischer Verlauf der Gefäße Durch Einsatz von Tuschefärbungen konnten die Verläufe kleinster Gefäße in der Mukosa und Gingiva dargestellt werden [9]. Auch hier zeigen sich die bereits im makroskopischen Verlauf beschriebenen Gesetzmäßigkeiten. Trotz nachgewiesener ausgeprägter Vaskularisation der Mundhöhle gibt es Lokalisationen innerhalb der oralen Schleimhaut, die durch scharfe Trennlinien voneinander separiert werden. Als Beispiel seien die mediane Gaumennaht und der zahnlose Alveolarfortsatz genannt (Abb. 6, 7). An diesen Stellen können keine Anastomosierungen nachgewiesen werden, sodass eine Versorgung bei Überschreitung dieser Linien nicht gewährleistet werden kann. Die Darstellungen der Endstromgebiete unterstützen das makroskopisch sichtbare Prinzip der avaskulären Zone auf dem zahnlosen Alveolarfortsatz (Abb. 8, 9). Einzelne sichtbare transkrestale Anastomosen weisen auf das Vorhandensein von ehemaligen Papillen hin, ausgestattet mit einer eigenen kammüberschreitenden Vaskularisation. Abb. 6 Tuschefärbung der Mikrozirkulation im Gaumenbereich. Abb. 7 Tuschefärbung der Mikrozirkulation im Bereich einer Einzelzahnlücke. Abb. 8 Tuschedarstellung der Mikrozirkulation neben dem Alveolarfortsatz. Die Hauptgefäße verlaufen parallel zur Kammmitte, die Gefäße der Endstrombahn ziehen dagegen senkrecht auf den Alveolarfortsatz zu [9]. Mit freundlicher Genehmigung von Blackwell Publishing. Abb. 9 Tuschedarstellung der Mikrozirkulation auf dem zahnlosen Alveolarfortsatz. Der Bereich wird von einer avaskulären Zone bedeckt, nur an einer Stelle ist eine transkrestale Anastomose erkennbar, die vermutlich aus dem Bereich einer Papille stammt [9]. Mit freundlicher Genehmigung von Blackwell Publishing. Die Ergebnisse einer selektiven Anfärbung der die orale Schleimhaut versorgenden Hauptgefäße ergaben klar definierte vaskuläre Territorien oder auch Angiosomen (Abb. 10, 11). Deren Ausdehnung und Grenzbereiche sind für die Schnittplanung von besonderer Bedeutung. Abb. 10 Angiosomen des Oberkiefers mit Versorgungsgefäßen. Abb. 11 Angiosomen des Unterkiefers mit Versorgungsgefäßen.

Empfehlungen für die Schnittführung

Fasst man alle bisher genannten Faktoren zusammen, ergibt sich für die Planung einer Schnittführung ein komplexes Modell (Abb. [12]).

Abb. 12 Einflussfaktoren auf die Planung einer Schnittführung.

Die Vaskularisation stellt dabei den zentralen und oftmals auch limitierenden Faktor für die Konzeption eines Schnittes dar. Die schnelle vaskuläre Reorientierung am Schnittrand und die nachfolgende sichere Überbrückung scheinen ein Schlüsselereignis für eine zuverlässige primäre Wundheilung mit minimaler Narbenbildung zu sein [[10]].

Folgende Empfehlungen können für intraorale Eingriffe abgegeben werden (Abb. [13]):

Abb. 13 Übersicht über Empfehlungen zur Schnittführung.
  • Im zahnlosen Kieferabschnitt sollte eine midkrestale Inzision durchgeführt werden. Durch den Verlust der Zähne entsteht in diesem Bereich eine Narbe (Linea alba), die eine Trennlinie für die vestibulären und oralen Gefäßbäume darstellt (Abb. [14]). Kieferkammüberschreitende Gefäßanastomosen finden sich nur im Bereich der Papillen (Abb. [15]).

  • Auf jeden Fall sollten alle Formen der transkrestalen Inzisionen vermieden werden, da die Gefahr der Bildung avaskulärer Segmente besteht (Abb. [16]).

  • Wenn immer möglich, sollten marginale Inzisionen durchgeführt werden. Diese Schnitte führen zur geringsten Narbenbildung und somit zur geringsten Veränderung der roten Mukosafarbe.

  • Entlastungsschnitte sollten, wenn nötig, nur an einem Ende des Schnittes angelegt werden. Berücksichtigt man die Angiosomen, so sollte der Entlastungsschnitt möglichst an deren Grenzlinie gelegt werden, um eine Abtrennung der Hauptstämme der Gefäße zu vermeiden (im Oberkiefer beispielsweise zwischen den 2ern und 3ern).

  • Die Bildung eines Trapezlappens sollte insbesondere im ästhetischen Bereich der Oberkieferfront vermieden werden, da weder die Sicht auf das OP‐Feld, noch die Mobilisation der Weichgewebe durch eine Periostschlitzung einen zweiten Entlastungsschnitt rechtfertigen.

  • Bei Einzelzahnlücken im ästhetischen Bereich sind marginale Schnitte zu bevorzugen (Abb. [17], [18]).

Abb. 14 Die Linea alba stellt eine Narbenplatte auf dem zahnlosen Alveolarfortsatz dar, die sich nach Extraktion von Zähnen ausbildet. Sie ist eine Trennzone zwischen der oralen und vestibulären Vaskularisation. Abb. 15 In Fällen von Nichtanlagen oder im Bereich der Papillen besteht eine transkrestale Anastomosierung der Gefäße. Abb. 16 Wiederholte transkrestale Schnitte führen zum Ausschneiden avaskulärer Segmente [9]. Mit freundlicher Genehmigung von Blackwell Publishing. Abb. 17 Verlauf der marginalen Schnittführung in einer Einzelzahnlücke. Abb. 18 Marginale Schnittführung in der Oberkieferfront.

Literatur

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Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Johannes Kleinheinz

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