Z Orthop Unfall 2009; 147(3): 291-292
DOI: 10.1055/s-0029-1185815
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Traumanetzwerk – Stand der Umsetzung

The German Trauma Network – Current Status
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. Juni 2009 (online)

Das Traumanetzwerk der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie nimmt Gestalt an. Nachdem im September 2006 das mit unseren orthopädischen Partnern abgestimmte Weißbuch „Schwerverletztenversorgung“ veröffentlicht wurde, welches sich dem Ziel einer flächendeckend hochwertigen Versorgung schwerverletzter Patienten widmet, wurde folgerichtig das Projekt einer Vernetzung von Kliniken mit unterschiedlichem Versorgungsauftrag in Angriff genommen. Basierend auf den Daten des 2004 von der DGU eingerichteten Traumaregisters, in welchem eine hohe Zahl Schwer- und Schwerstverletzter dokumentiert ist, konnten zum Teil erhebliche Unterschiede in deren Versorgung festgestellt werden, was die Erarbeitung eines Konzepts zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der Akutbehandlung dieses Patientenkollektivs erforderlich machte. Das im Weißbuch „Schwerverletztenversorgung“ detailliert dargestellte, bundesweit gegliederte Traumanetzwerk mit klinischen Einrichtungen in 3 Versorgungsstufen definiert die Voraussetzungen und Qualitätsstandards in struktureller wie prozessualer Hinsicht und berücksichtigt Erkenntnisse diverser Versorgungsstudien und sozioökonomischer Untersuchungen zu differierenden Strategien bei der Schwerverletztenversorgung.

In regionalen Traumanetzwerken wird die Basisversorgung eines Schwerverletzten von klinischen Einrichtungen der Basisversorgung gewährleistet, welche die erforderliche Kompetenz in der Notfallbehandlung von akuten und lebensbedrohlichen Körperhöhlenverletzungen ebenso besitzen wie diejenige in der Primärversorgung gravierender Läsionen des Körperstamms und der Extremitäten. Das regionale Traumazentrum als Haus der Maximal- und Schwerpunktversorgung bietet eine umfassende Notfallbehandlung schwerverletzter Patienten in 24-stündiger Bereitschaft und darüber hinaus die Möglichkeit der Definitivversorgung gravierender Verletzungen an Extremitäten und Körperstamm, sofern nicht spezielle Besonderheiten die postprimäre Verlegung in ein überregionales Traumazentrum erforderlich machen. Das überregionale Traumazentrum rekrutiert sich aus Universitätskliniken, den Berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken sowie städtischen Häusern der Maximalversorgung und garantiert rund um die Uhr die notfallmäßige Behandlung aller Arten von Verletzungen auf höchstem Niveau, wobei eine Aufnahmeverpflichtung für mindestens 2 Schwerverletzte und die Möglichkeit von deren gleichzeitiger Versorgung vorgehalten werden muss.

Im Jahre 2007 von Ruchholtz et al. veröffentlichte Zahlen zur Akutbehandlung schwerverletzter Patienten weisen 118 Krankenhäuser der Maximalversorgung, 219 Schwerpunktkliniken und 439 Einrichtungen der Grund- und Regelversorgung aus. Bei ca. 32 500 Schwerverletzten pro Jahr in der BRD kämen auf Häuser der Maximalversorgung und die Schwerpunktkliniken durchschnittlich 105 solcher Patienten zu, woraus man ableiten kann, dass in diesen Einrichtungen umfängliche Erfahrung und damit auch die entsprechende Expertise besteht.

Der Arbeitskreis Umsetzung Weißbuch/Traumanetzwerk in der DGU (AKUT) hat nach kartografischer Erfassung aller Kliniken der Maximalversorgung mit Stand März 2009 58 angemeldete Traumanetzwerke mit mehr als 600 teilnehmenden Kliniken zu einem ersten Jahreskongress eingeladen, um den aktuellen Stand der Umsetzung des Projekts darstellen. Die wissenschaftliche Begleitung bei der Umsetzung der Traumanetzwerke erfolgt durch die Sektion Notfall-, Intensiv- und Schwerverletztenversorgung der DGU (NIS) in Form von Beratungen, das wirtschaftliche und organisatorische Management wird von der Akademie der DGU (AUC) unterstützt. Voraussetzung für die Teilnahme an einem regionalen Traumanetzwerk ist die Zertifizierung der einzelnen Häuser in Form eines Audits durch eine Zertifizierungsgesellschaft, wobei der erfolgreich abgeschlossene Zertfizierungsvorgang im AKUT-Büro in Marburg zentral erfasst wird. Nach dem Beginn der Audits im September 2008 hat mittlerweile eine große Zahl von Kliniken diesen Zertifizierungsprozess abgeschlossen, sodass man im Juni 2009 mit dem ersten vollständig zertifizierten regionalen Traumanetzwerk rechnet. Zu gleicher Zeit soll das Qualitätsmodul Traumaregister online eingerichtet sein, an dessen Teilnahme die Traumanetzwerke verpflichtet sind. Derzeit existieren bereits 42 freigeschaltete Traumanetzwerke mit 722 daran teilnehmenden klinischen Einrichtungen, 294 Verträge zwischen den einzelnen Kliniken und der Zertifizierungsgesellschaft DIOcert sind unterschrieben und 418 Kliniken haben ihre Checklisten bearbeitet bzw. abgeschlossen an DIOcert weitergeleitet. 85 Audits sind mittlerweile erfolgreich durchgeführt, 20 weitere bereits geplant und terminlich vereinbart. Aus diesen von Ruchholtz, dem Sprecher von AKUT, jüngst mitgeteilten Zahlen kann man ersehen, dass sich die Umsetzung des Konzepts eines bundesweiten Traumanetzwerks zur nachhaltigen Verbesserung der Qualität der Schwerverletztenversorgung auf einem guten Weg befindet. Die Erwartungen der Protagonisten für die Organisation und Einrichtung des Traumanetzwerks gehen dahin, dass es durch Erfüllung der definierten Anforderungen an Struktur, Organisation und Ausstattung der beteiligten Kliniken und die dadurch gewährleistete Optimierung der interdisziplinären Versorgung ebenso wie durch Verbesserung der Kooperation und Kommunikation zwischen den einzelnen Häusern zu einer flächendeckenden Qualitätsverbesserung bei der Versorgung des Schwerverletzten kommt. Grundsätzlich ist man sich darüber im Klaren, dass es sich hierbei um einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess handelt, der gewachsene Strukturen zu berücksichtigen hat, aber auch Anstoß zu Veränderungen gibt und während der Phase der Umsetzung wissenschaftlicher Begleitung bedarf. Durch die ständige Ansprechbarkeit der regionalen und überregionalen Traumazentren sollen negative Schlagzeilen in der Presse wie „Hubschrauber mit Schwerverletztem kreist stundenlang in der Luft“, „Patient durch Desorganisation der Notfallversorgung vital bedroht“, der Vergangenheit angehören. Die fraglos noch bestehenden Probleme z. B. bezüglich der Schnittstellen der regionalen Traumanetzwerke im Kontext mit historisch gewachsenen Strukturen oder Einschränkungen des Selbstverständnisses bei den Häusern der Grund- und Regelversorgung sind Anlass und Verpflichtung zu fortwährender Begleitung des Projekts durch AKUT sowie zur geplanten Revision des Weißbuches bis Januar 2010.

Zweifellos darf die DGU und mit ihr die Gruppe der maßgeblich an diesem weltweit einzigartigen Projekt beteiligten Personen, die das Weißbuch „Schwerverletztenversorgung“ erarbeitet und die daraus erwachsene Initiative Traumanetzwerk ins Leben gerufen haben, ganz besonders stolz sein auf das bereits Erreichte. Unsere orthopädischen Freunde waren und sind zu jeder Zeit in diese Initiativen eingebunden und begleiten die Umsetzungsprozesse in enger Abstimmung. Es gilt jetzt, das Ganze mit Leben zu erfüllen und nachzuweisen, dass die Qualität der Schwerverletztenversorgung in Deutschland den im internationalen Vergleich bereits jetzt sehr hohen Standard durch die Einrichtung des Traumanetzwerks eine weitere Steigerung erfährt und sich auf diese Weise ihren weltweit herausragenden Ruf erhält und sichert. Letztlich ist aber das optimierte Outcome der einzelnen schwerverletzten Patienten eigentliches Ziel dieses ehrgeizigen Projekts, was gegenüber der Politik, den Medien wie auch der Öffentlichkeit regelmäßig und nachhaltig deutlich gemacht werden sollte.

K. Weise

F. Niethard

Prof. Dr. med. Fritz U. Niethard

BG-Unfallklinik
Orthopädische Klinik
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Prof. Dr. med. Fritz U. Niethard

Orthopädische Klinik
Universitätsklinik der RWTH Aachen

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