veterinär spiegel 2009; 19(03): 166-168
DOI: 10.1055/s-0029-1186049
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Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Wie sicher wirken Antiparasitika?

Silke Engl
,
Wolfgang Zaremba
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. September 2009 (online)

Ektoparasiten wie Zecken können beim Blutsaugen gefährliche Krankheitserreger wie zum Beispiel Babesia canis übertragen. Zur Minimierung dieser Gefahr stehen Präparate zur Parasitenbekämpfung zur Verfügung, die sowohl zur Prophylaxe als auch zur Therapie des Befalls mit Ektoparasiten eingesetzt werden können. Antiparasitika wirken innerhalb kurzer Zeit. Allerdings kommt es vor, dass Haustiere – trotz der Anwendung solcher Präparate – von Ektoparasiten befallen werden. In Zusammenhang mit mangelhafter Wirksamkeit von Antiparasitika stehen Resistenzen, die in verschiedenen Ursachen begründet sind.

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Prof. Dr. med. vet. Kurt Pfister, Dipl. EVPC, FVH, ist FTA für Parasitologie und für Tropenveterinärmedizin. Er ist Leiter des Instituts für Vergleichende Tropenmedizin und Parasitologie der Tierärztlichen Fakultät der LMU München. Seine Forschungsschwerpunkte sind seit vielen Jahren die Zecken und durch Zecken übertragene Infektionen bei Haustieren mit Priorität Diagnostik, Epidemiologie und Prophylaxe. Er führt am Lehrstuhl (DIN EN ISO 9001:2000) außerdem ein auf Reise-, Import- und vektorübertragene Infektionen spezialisiertes, bundesweites Diagnostiklabor für Parasitologie mit Referenzfunktion.

Prof. Pfister antwortet im Folgenden auf Fragen zur Entstehung und Bedeutung möglicher Resistenzen gegen Wirkstoffe in Antiparasitika.

veterinär spiegel: In der Vergangenheit wurde immer wieder berichtet, dass Klimaeränderungen u. a. mildere Winter zur Folge haben, was zu einer Erhöhung des Ektoparasitendrucks führt. Der letzte Winter war nun jedoch lang und kalt. Hat dies einen spürbaren Einfluss auf die diesjährige Entwicklung der Populationsdichte von Flöhen und Zecken?

Prof. Dr. Kurt Pfister: Es gibt nur außerordentlich wenige Untersuchungen, die sich mit der Intensität des Zeckenaufkommens im Freien pro Zeit- oder Flächeneinheit beschäftigen. Hinsichtlich des Stoffwechsels ist für Zecken ein kälterer Winter eher günstiger, da sie sich dann in einer inaktiven Phase befinden, während bei milderen Temperaturen stets eine gewisse Aktivität gegeben ist, die zu einem vorzeitigen Absterben von Zecken führen kann. An meinem Institut haben wir in so kurzer Zeit im Frühling noch nie derart viele Zecken allgemein und pro Flächen- und Zeiteinheit gesammelt wie in diesem Frühjahr.

vs: Aus dem Süden stammende Zeckenarten wie Dermacentor reticulatus oder Rhipicephalus sanguineus breiten sich zunehmend aus. Wird diese Verbreitung in Zukunft noch weiter voranschreiten?

P.: R. sanguineus ist eine Zecke, die sich nach entsprechender Einschleppung aus dem Süden in Wohnungen, Häusern, Tierheimen oder auch Tierarztpraxen in besonderem Maße adaptiert und von da aus andere Wirtstiere leicht und gerne befällt. Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass sich R. sanguineus in absehbarer Zeit in Mittel- und Nordeuropa ausbreiten wird. Die Klimaveränderungen verlaufen nicht so schnell, dass die für das längerfristige Etablieren und Überleben von R. sanguineus notwendigen klimatischen Bedingungen innerhalb der nächsten 5–10 Jahre gegeben sind.

Bezüglich des Vektors für die Hundebabesiose D. reticulatus ist die Situation anders. Dass sich diese Zecken in gewissen Regionen ausbreiten, ist unumstritten, aber nicht zwingend aus klimatischen Gründen. Im Zuge der Globalisierung hat sich in vielen Gebieten die landschaftliche Nutzung entscheidend verändert und damit u. a. günstige Voraussetzungen für die Ansiedelung und Ausbreitung von D. reticulatus geschaffen.

vs: Analog zur Verbreitung der Zecken scheinen sich auch Krankheiten auszubreiten. Wie erklären Sie sich das?

P.: Da es sich um von Zecken übertragene Infektionskrankheiten handelt, läuft die Verbreitung derselben stets parallel mit der Verbreitung und Vorkommenshäufigkeit der Zecken.

vs: Welche Bedeutung wird dies für vektorübertragene Krankheiten wie z. B. Babesiose haben?

P.: Im Falle der Hundebabesiose lässt sich nur schwerlich eine Prognose stellen: In bestimmten Regionen Deutschlands mit bekanntem Vorkommen von D. reticulatus bedarf es lediglich eines Eintrags von Babesia canis. Dann ist – bedingt u. a. durch die Möglichkeit der transovariellen Übertragung in der Zecke – eine Weiterverbreitung durchaus möglich. Von einer raschen Ausbreitung der Hundebabesiose zu sprechen, wäre jedoch zu sehr vorgegriffen.

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Abb. 1 Männchen von Dermacentor reticulatus.

vs: Gegen durch Zecken übertragene Krankheiten ist der Schutz vor Parasitenbefall eine wichtige Maßnahme. Beim Tierarzt wird oft von Tierhaltern nachgefragt, ob ein Antiparasitikum in seiner Wirksamkeit nachlässt. Kann das wirklich sein?

P.: Es ist nicht davon auszugehen, dass die Wirksamkeit eines Antiparasitikums nachlässt. Die immer wieder von Tierhaltern beobachtete, als „nachlassend“ bezeichnete Wirksamkeit ist auf andere Ursachen zurückzuführen: Im Vordergrund stehen mangelhafte oder inadäquate Applikation des Produkts, falsche Gewichtsschätzung des zu behandelnden Patienten, Unterdosierung oder Auswaschen der Substanz bei häufiger Durchnässung. Es ist deshalb unerlässlich, dass bei Feststellen einer als „nachlassend“ bezeichneten Wirkung das Behandlungsintervall bzw. die Anwendungsweise entsprechend angepasst bzw. konkret verkürzt wird.

Wenn all diese Ursachen ausgeschlossen werden können, liegt eine Resistenzentwicklung nahe.

vs: Welche Bedeutung haben Resistenzen?

P.: Grundsätzlich sind Resistenzen sehr bedeutsam und mit einem hohen Gefahrenpotenzial für die Ausbreitung eines Parasitenbefalls behaftet. Je nach Grad der Resistenz von Erregern (Zecken, Flöhen etc.) können oder dürfen einige Wirkstoffe gar nicht mehr eingesetzt werden, da sie überhaupt keine Wirksamkeit mehr zeigen. Es ist deshalb absolut unerlässlich, sich über die Wirksamkeit der eingesetzten Substanzen bzw. über deren Resistenzsituation stets genau im Klaren zu sein. Besteht eine solche Annahme, sollten zunächst verschiedene Kriterien (z. B. richtige Dosierung und Art der Applikation, Einhaltung der Vorschriften gemäß Packungsbeilage), welche das Vorkommen eines Resistenzphänomens ausschließen könnten, abgeklärt werden.

Bislang traten in unseren Regionen keine Resistenzen gegen Zecken und andere Ektoparasiten in Erscheinung.

vs: Sie sagten, dass sich gegen gewisse Antiparasitika Resistenzen entwickeln. Gibt es Erkenntnisse bezüglich Resistenzen gegen Fipronil?

P.: Nach meinem Kenntnisstand gibt es derzeit keine Anhaltspunkte für die Existenz von Resistenzen gegen Fipronil.

vs: Sind Ihnen Resistenzen gegenüber anderen insektiziden oder akariziden Wirkstoffen bekannt?

P.: Ja, es gibt Resistenzen gegenüber diversen insektiziden und akariziden Substanzen. Bislang beschränken sich diese allerdings auf Überseegebiete, wie Mittel- und Südamerika, teilweise USA sowie Australien. Die Verbreitung von Resistenzen in diversen Bereichen des Pflanzenschutzes und in der Humanparasitologie sollte uns auch in der Veterinärmedizin ein Indiz sein, dass Resistenzen jederzeit bei Haus- und Nutztieren auch in unseren westeuropäischen Regionen auftreten können.

Unter anderem sind in Mittelamerika Resistenzen gegen die in unseren Regionen nach Einschleppung (Urlaub, Reisen, etc.) aus südlichen Ländern beobachtete sogenannte Braune Hundezecke bekannt.

vs: Sie haben bereits gesagt, dass gegenüber Fipronil keine Resistenzen bekannt sind. Gibt es noch weitere Vorteile des Wirkstoffs bezüglich Verträglich- und Zuverlässigkeit?

P.: Ein sehr bedeutender und ungemein wichtiger Vorteil von Fipronil besteht in der uneingeschränkten Anwendung bei Hunden und Katzen. Der Wirkstoff gilt in jeder Hinsicht als absolut unbedenklich für die behandelten Tiere. Die Verträglichkeit ist für beide Tierarten hervorragend, und die Applikation bleibt ohne irgendwelche Reaktionen oder Schadwirkungen auf der Applikationsstelle. Fipronil verfügt somit über eine hohe Sicherheit für die in der Umgebung lebenden Menschen und ist damit vollkommen unbedenklich.

Nennenswert ist außerdem, dass die Kombination von Fipronil und (S)-Methopren, in Frontline Combo, eine gleichzeitige Bekämpfung von Zecken und Flöhen ermöglicht.

vs: Welche Möglichkeiten sehen Sie, der Entstehung von Resistenzen entgegenzuwirken?

P.: Es gibt verschiedene Ursachen für die Manifestation von Resistenzen: Dazu gehören genetische und behandlungsgebundene Ursachen wie z. B. zu häufige Behandlungsfrequenz, Unterdosierung, Management etc. Daraus lässt sich sehr leicht ableiten, dass die Populationsdynamik und Epidemiologie der zur Behandlung stehenden Parasiten bei der Wahl des richtigen Zeitpunkts für eine Behandlung mit einbezogen werden sollte, um einer Resistenzentwicklung entgegenzuwirken (dem Infektionsdruck angepasste Behandlungen).

vs: Was kann der Tierarzt tun, um den Spekulationen der Tierbesitzer hinsichtlich Wirksamkeitsverluste zu begegnen?

P.: Ein Hauptproblem ist die mangelnde oder fehlerhafte Information des Tierbesitzers durch den Tierarzt/die Tierärztin über die Produkte und deren Wirkung bzw. Wirkungsspektrum, über die Biologie und Lebensgewohnheiten der zu bekämpfenden Erreger sowie über die möglichen Probleme bei der Applikation. Es ist eine vordringliche Pflicht des Tierarztes, die Tierhalter sehr eingehend über diese diversen Mechanismen zu informieren. Tut er dies, schafft er sich auch eine gute Vertrauensbasis für die von ihm eingesetzten Produkte.

vs: Würden Sie sagen, dass das Thema Ektoparasiten und Prophylaxe im Praxisalltag zu wenig Aufmerksamkeit findet?

P.: Unbestritten ist meines Erachtens, dass praktizierende Tierärzte den parasitologischen Fragestellungen unbedingt mehr Beachtung schenken sollten. Auch wenn dies in den letzten Jahren bereits in den Vordergrund geschoben wurde, können sich Tierärzte zukünftig noch intensiver mit der Problematik der Zecken und der von Zecken übertragenen Infektionskrankheiten widmen. Eine repräsentative Umfrage im Rahmen einer Dissertation [1] an meinem Institut hat deutlich gezeigt, dass ein beachtlicher Teil des Gesamtumsatzes in der Tierarztpraxis durch parasitologische Fragestellungen generiert wird.

vs: Was kann der Tierhalter zur Parasitenbekämpfung seines Tieres beitragen?

P.: Im Vordergrund steht zweifelsohne ein guter, qualitativ hoch angesiedelter Informations- und Beratungsaustausch mit seinem/r Tierarzt/ärztin bezüglich Parasitenbekämpfung, da Letztere/r a) die dafür notwendige Fachkenntnis besitzt und b) die Parasitenbefallsrisiken im Einzugsgebiet seiner/ihrer Praxis/Klinik relativ gut kennt.

vs: Es gibt Modelle, die auf der Basis von klimatischen, geografischen und biologischen Daten die Populationen von Zecken und Flöhen vorhersagen. Sind diese Modelle Ihrer Meinung nach ein nützliches Instrument für die Beratung der Tierärzte von Tierhaltern?

P.: Jede Art von Modell ist ein Instrumentarium, um allgemein gültige Informationen weiterzugeben bzw. auch zu erklären. Nach meiner Erfahrung handelt es sich bei den Modellen um sehr interessante wissenschaftliche Darstellungen eines bestimmten Phänomens. Die Umsetzbarkeit z. B. bei der Beratung von Tierhaltern hängt jedoch vom einzelnen Tierarzt bzw. ebenso vom einzelnen Tierhalter ab.

 
  • Literatur

  • 1 Lohmann J. Bedeutung der Parasitologie aus Sicht der praktizierenden Tierärzte – unter Berücksichtigung der Qualität der parasitologischen Lehre. München: Univ., Diss; 2008