Dtsch Med Wochenschr 1909; 35(6): 248-251
DOI: 10.1055/s-0029-1201277
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Beiträge zur Kenntnis der Atoxylwirkung bei Syphilis, besonders bei ausschließlich lokaler Applikation

v. Notthafft in München
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Publication Date:
01 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Das Atoxyl erweist sich sowohl bei Hautkrankheiten, welche für gewöhnlich mit Arsenik behandelt werden, wie bei Syphilis als wirksam. Bei letzterer steht es aber, auch wenn es in großen Dosen verwendet wird, an Wirksamkeit dem Quecksilber nach, obwohl es syphilitische Effloreszenzen jedes Stadiums für sich allein zur Ausheilung bringen kann. Die Behandlungsdauer pflegt länger als bei Quecksilber zu währen und ist meist durch Atoxyl allein nicht zu erreichen, weil drohende Intoxikationserscheinungen zum Aufgeben der Medikation zwingen. Die Heilung ist in der Regel von kürzerer Dauer; die Rezidive treten früher, häufiger und hartnäckiger ein. Das Auftreten der Intoxikations-Erscheinungen ist unberechenbar. Schwerste und bedrohlichste erscheinungen kommen schon bei Dosen vor, welche für erfelgreiche Syphilisbehandlung zu fordern wären. Sie brauchen koine Vorboten zu haben. Leichtere Intoxikationserscheinungen werden in der Hälfte aller Versuche beobachtet. Sie prophylaktisch mit Morphium oder nachträglich mit Opium zu unterdrücken, dürfte gefährlich sein; denn schon die geringsten Intoxikationserscheinungen müssen zum sofortigen Aussetzen des Mittels veranlassen. Atoxyl scheint in Verbindung mit nachfolgender Quecksilberkur den Ausbruch der Secundaria, wenigstens in einzelnen Fällen, zu verhüten. Die gleichzeitige Verordnung von Atoxyl und Quecksilber ist nicht unbedenklich. Wegen seiner geringeren Wirksamkeit und seiner ganz unberechenbaren Toxizität ist das Präparat nur bei maligner Syphilis und bei Quecksilberidiosynkrasie am Platze. Atoxyl eignet sich auch zur Lokalbehandlung syphilitischer Produkte, doch hat es keine Vorzüge vor dem Quecksilber. Intoxikationserscheinungen kommen aber auch bei geringeren Dosen, wie sie gegen Hautkrankheiten gegeben werden, vor. Idiosynkrasien spielen hier eine Rolle. Eine länger fortgesetzte Atoxylmedikation dürfte immer zu widerraten sein. Es ist wahrscheinlich, daß die Intoxikationserscheinungen wie auch die Heilungsvorgänge nicht einfach Arsenwirkung sind.