Aktuelle Dermatologie 2009; 35(5): 167
DOI: 10.1055/s-0029-1214682
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zu den Gefahren des Wassers

About the Dangers of WaterC.  Bayerl
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Publication Date:
30 April 2009 (online)

Prof. Dr. Christiane Bayerl

Jeder Alfred-Hitchock-Fan weiß, dass Gefahr hinter dem Duschvorhang lauert. Wer einmal den Film „Psycho” mit Anthony Perkins gesehen hat, erinnert sich an die Mordszene in der Dusche an einer Blondine durch den schizophrenen Motelbesitzer, ein Klassiker des Horrorfilms. Wer aber denkt beim Whirlpool an etwas Gefährliches? Man assoziiert Urlaub oder ein entspanntes Relaxen nach dem Sport. Dann erinnert man sich vielleicht noch bei großen Whirlpools an die Gefahr mit den Haaren in die Absaugdüsen zu geraten. Dieser Gefahr setzt sich Sharon Stone aus in dem Film Basic Instinct 2, obwohl sie es in dieser Nachfolgefassung zum Kassenfüller Basic Instinct 1 und mit ihren 48 Jahren eigentlich wissen müsste – ist daher nicht zum Nachahmen zu empfehlen. Dem Wasser selbst würden wir aber nichts Schlechtes andichten. Daher lesen Sie unbedingt den Artikel über die Whirlpooldermatitis in dieser Ausgabe der Aktuellen Dermatologie.

Aber nun zum Sport im Wasser. Die durch sportliche Anstrengung in Verbindung mit Nahrungsmittelallergenen induzierte Urtikaria oder Anaphylaxie ist uns ja mittlerweile bekannt. Die Symptomatik reicht von Urtikaria, Angioödem, respiratorischen oder gastrointestinalen Symtomen bis hin zum anaphylaktischen Schock. Chronologisch ist eine Nahrungsmittelaufnahme der sportlichen Tätigkeit vorausgegangen. Die Symptomatik kann direkt beim Sport oder um Stunden verzögert auftreten. Krustentiere und Weizenprodukte sind die häufigsten Auslöser; Aspirineinnahme ist ein aggravierender Faktor. Üblicherweise wird ein Notfallset rezepiert und empfohlen, das identifizierte Nahrungsmittel 4 bis 5 Stunden vor dem Sport zu meiden. Nach einer Schweizer Publikation müssen wir nun auch an eine „food and cold water exercise-induced anaphylaxis” denken [1]. Sollten Sie mal im Wartezimmer eines Arztes Men's Health gelesen haben, werden Sie sehen, wie beliebt und modern Sport im Wasser ist, sogar auf einem Trimmfahrrad unter Wasser.

Und wenn jetzt der Sommer kommt, werden wir gefragt, ob das Kind mit Neurodermitis ins Chlorwasser darf oder am Schulschwimmen teilnehmen darf. In einem meiner alten exzellenzbasierten Lehrbücher hatte ich noch gefunden, dass Chlorwasser bei einem recht guten Hautzustand des Neurodermitikers sogar „abhärtend” wirken könne und durchaus zu empfehlen sei. Dennoch, das freie Chlor im Schwimmbadwasser reduziert die wasserbindende Kapazität des Stratum Corneum, wie bei atopischer Haut bereits von einer japanischen Arbeitsgruppe gezeigt wurde [2]. Eine weitere typische Frage ist die nach dem Babyschwimmen. Bei 2192 Kindern wurden die Risiken des Schwimmbadbesuches über einen Zeitraum von 6 Jahren verfolgt [3]. Es fand sich, dass Säuglinge, die nicht im Babyschwimmen waren, im ersten Lebensjahr ein geringeres Risiko hatten eine Diarrhoe, Otitis media oder eine Atemwegserkrankung zu entwickeln. Die Baby-Schwimmer hatten kein erhöhtes Risiko für atopische Dermatitis oder Heuschnupfen in den Beobachtungsjahren, aber ein erhöhtes Risiko für Asthma bronchiale. Dies führt zu der kontroversen Situation, dass die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland den Chloridgehalt begrenzen, aber die Säuglinge ein erhöhtes Diarrhoe-Risiko haben. Dazu passt die aktuelle Diskussion über chlorierte Produkte im täglichen Leben. Chlorierte Substanzen haben zunehmend Kontakt mit dem menschlichen Organismus, was mit unserem Freizeitverhalten zusammenhängt, z. B. beim Schwimmen – aber auch als reinigende oder bleichende Substanz wird Chlor eingesetzt. Die Barriereschädigung der Haut wurde oben bereits dargestellt. Eine Sensibilisierung durch das Herabsetzen der Hautbarriere wird durch Chlor gefördert. Die zunehmende Hygiene mit Einsatz von Chlor führe zu einer mangelnden immunologischen Auseinandersetzung des Immunsystems gegenüber mikrobiellen Substanzen (Hygiene-Hypothese) und zu einer Zunahme von Allergien.

Wer dieser Theorie entgegentreten möchte, kann sich zum Training der parasitären Abwehr des Immunsystems in einen unbekannten Urlaubssüßwassersee begeben. Dort besteht Gelegenheit einen „swimmers itch” zu erwerben und eine Zerkariendermatitis evtl. mit Schistosomiasis in der Folge davonzutragen. Dies ist in vielen Seen über die ganze Welt verteilt möglich, aber auch in Einzelfällen in Salz- oder Brackwasser.

Sie schwimmen gesünder in der Gegenstromanlage oder gegen den Strom – ganz nach Belieben.

Literatur

  • 1 Benhamou A H, Vanini G, Lantin J P, Eigenmann P A. Antihistamine and sodium cromoglycate medication for food cold water exercise-induced anaphylaxis.  Allergy. 2007;  62 1471-1472
  • 2 Seki T, Morimatsu S, Nagahori H, Morohashi M. Free residual chlorine in bathing water reduces the water-holding capacity of the stratum corneum in atopic skin.  J Dermatol. 2003;  30 196-202
  • 3 Schoefer Y, Zutavern A, Brockow I, Schäfer T, Krämer U, Schaaf B, Herbarth O, von Berg A, Wichmann H E, Heinrich J;. LISA study group . Health risks of early swimming pool attendance.  Int J Hyg Environ Health. 2008;  211 367-373

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Klinik für Dermatologie und Allergologie, HSK,
Wilhelm-Fresenius-Klinik
Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz

Aukammallee 39

65191 Wiesbaden

Email: Christiane.Bayerl@HSK-Wiesbaden.de