Zeitschrift für Palliativmedizin 2009; 10(1): 18
DOI: 10.1055/s-0029-1220147
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Leserbrief - Die Lehre der Alten

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. März 2009 (online)

 

Das Motto des diesjährigen Palliativkongresses orientierte sich am Gründungsdatum der 1. Palliativstation in Deutschland, 1983 in Köln. In der Rückschau auf dieses Datum wurde in der Diskussion auch gefragt, wer denn 25 Jahre danach noch die Protagonisten der modernen Palliativmedizin gekannt habe. Wenn man also mit der Palliativmedizin schon vor 1983 begonnen hat und zudem auch noch bei Elisabeth Kübler-Ross gelernt hat, darf man sich getrost zu den Alten zählen. Als ein solcher möchte ich fantasieren, was Elisabeth Kübler-Ross und Cicely Saunders zu diesem Kongress hätten sagen können. Sie hätten vielleicht gefragt: "Habt Ihr denn vergessen, was wir euch lehren wollten, was uns unsere Patienten gelehrt haben?"

Elisabeth Kübler-Ross: "Ich habe euch doch gesagt, die Zusammenfassung heißt:

Ich will alles tun, damit du, der Sterbende, nicht Schmerzen leidest! Und: Ich lasse dich nicht allein!

Cicely Saunders: "Und ich habe euch doch erklärt, dass ihr den ‚Ganzen Schmerz? verstehen sollt im Körperlichen, Seelischen, Sozialen und Transzendentalen!"

So fragen denn die beiden auf unserem Kongress: "Seid ihr denn schon wieder beim Erbsenzählen? Wo sind die Veranstaltungen, die Themen, die zeigen, dass ihr verstanden habt, dass Palliativmedizin Teamarbeit ist, dass ihr den Sterbenden und alle Beteiligten als Trauernde verstehen sollt, also auch und besonders euch selbst? Wo die, die lehren, dass Palliativmedizin aus dem Dialog mit dem Patienten erwächst? Wo die, die zeigen, dass ihr daran arbeiten müsst, ein kraftvolles Team von lauter Gleichberechtigten zu sein? Wo die, die lehren, dass ihr wissen und lernen müsst, Euren Patienten in seinen Kräften, seinen Ressourcen zu verstehen, dass es gilt, gemeinsam seine Resilienz zu stärken! Wo waren die Lehrer, die euch Biografien erklären?"

Kurz: "Habt ihr eigentlich gemerkt, dass ihr nicht nur forschende Ärzte von den Universitäten wart, sondern dass sich sogar die doch so wichtigen Laienhelfer unter euch befanden? Habt ihr den Mut der Schwestern, Pflegenden, Seelsorger, Sozialarbeiter, Psychotherapeuten, Krankengymnasten, Lymphtherapeuten, Kunst- und Musiktherapeuten gewürdigt, sich in euren Elfenbeinturm der ärztlichen Wissenschaft zu wagen? Spürt ihr denn überhaupt, wie dringend ihr sie braucht und welche unermessliche Unterstützung sie euch anbieten und gewähren?"

Dr. Godeke von Appen, Bremervörde

Facharzt für Allgemeinmedizin, Geriatrie und Palliativmedizin