Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2009; 3(05): e1-e15
DOI: 10.1055/s-0029-1220380
Schizophrenien und andere psychotische Störungen

Neurobiologie der Schizophrenien

Bernhard Bogerts
,
Johann Steiner
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Kernaussagen
  • Schizophrenie ist gekennzeichnet durch eine ca. 20 % höhere Mortalitätsrate im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung.

  • Den sehr unterschiedlichen Kategorien psychopathologischer Beeinträchtigungen liegen eine Vielfalt hirnbiologischer Substrate zugrunde. Diese wiederum können klinische Syndrome hervorrufen, die unter der Bezeichnung „Schizophrenie” zusammengefasst werden.

  • Da man von einem breiten Spektrum hirnbiologischer Ursachen ausgeht, ist eine umfassende Differenzialdiagnostik stets erforderlich.

  • Im Ursachenspektrum spielen sowohl pränatale Hirnentwicklungsstörungen wie auch progressive neurobiologische Faktoren eine Rolle. Eine aufgehobene Strukturasymmetrie sowie eine abnorme Konfiguration zerebraler Gyri und Sulci sind mögliche Hinweise auf eine frühe Hirnentwicklungsstörung.

  • Als nicht genetische Faktoren sind perinatale Komplikationen und frühe Infektionen von Bedeutung. Die strukturellen Veränderungen können nach Erstmanifestation eine Progression aufweisen.

  • Bei Schizophrenen konnten geringgradige Erweiterungen der inneren und äußeren Liquorräume nachgewiesen werden. Die dadurch entstandenen Volumenminderungen von Kortex, Hippokampus und Thalamus sind nur gering. Sie gehen nicht mit einem Verlust von Nervenzellen einher, sondern mit einer Pathologie des neuronalen Verschaltungsapparates (Neuropil).

  • Störungen der myelinisierten axonalen Verbindungen innerhalb und zwischen den Hemisphären und damit der intrazerebralen Konnektivität konnten nachgewiesen werden. Abnorme myelinisierungsrelevante Proteine der Oligodendrozyten können Befunde in der weißen Substanz Schizophrener und damit die Diskonnektionstheorie erklären.

  • Es liegen Veränderungen an synaptischen Proteinen und an dendritischen Spines vor. Dabei sind GABAerge, glutamaterge, dopaminerge und cholinerge Synapsen betroffen. Eine Pathologie der Astrozyten kann Fehlfunktionen der glutamatergen Synapsen erklären.

  • Eine Aktivierung von Entzündungs-(Akutphase-)Proteinen und eine Dysregulation von Zytokin-Netzwerken sind möglicherweise kausal an der Entstehung der Schizophrenie beteiligt. Es besteht eine Ähnlichkeit des Krankheitsverlaufs mit Autoimmunerkrankungen.

  • Die Familienanamnese für Typ-2-Diabetes ist bei 18–19 % der Schizophrenie-Patienten positiv, im Vergleich zu 1,2–6,3 % in der Allgemeinbevölkerung.

  • Man nimmt an, dass Störungen der Glukoseutilisierung je nach Krankheitsstadium zu einem Hypo- oder Hypermetabolismus in Hirnregionen führen, die von besonderer Bedeutung für die Pathogenese der Schizophrenie sind.



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Publication Date:
16 July 2009 (online)

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