Suchttherapie 2009; 10(2): 57-67
DOI: 10.1055/s-0029-1220721
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verlauf psychischer Beeinträchtigungen von Rehabilitanden einer stationären Alkoholentwöhnung

Diagnostic Trends in Psychic Impairment of Patients of an Inpatient Alcohol RehabilitationL. Krohn 1 , T. Wacker 1 , H. Buhk 1 , R. Stracke 2 , U. Koch 1
  • 1Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
  • 2Fachkrankenhaus Hansenbarg, Hanstedt
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. Mai 2009 (online)

Zusammenfassung

Anliegen: Psychische Beeinträchtigungen von Rehabilitanden einer stationären Suchttherapieeinrichtung vom Aufnahme- (T1) zum Entlasszeitpunkt (T2) wurden untersucht.

Methode: 920 Patienten des Aufnahmezeitraums 2001–2003 wurden prospektiv durch Selbst-Ratings in standardisierten Fragebögen befragt.

Ergebnisse: Die Patienten zeigen hinsichtlich soziodemografischer und suchtbezogener Variablen typische Merkmale von Alkoholrehabilitanden. Zu Beginn der Therapie besteht im Mittel eine geringe psychische und subjektiv empfundene somatische Beeinträchtigung. Die mit der SCL-90-R erhobenen psychischen Belastungen liegen im Normbereich und erreichen lediglich in einigen Skalen Werte am oberen Grenzbereich. Depressive Symptome wurden mit dem BDI erhoben und liegen im Mittel im unteren Bereich einer leichten Depression. Im Laufe der Therapie nach einem ganzheitlichen, methodenübergreifenden Therapieansatz verringern sich die Beschwerden im Bereich großer statistischer Effekte. Die psychischen Symptome gehen auf Werte nahe des 50%-Perzentils der Normstichprobe zurück. Am Ende der Rehabilitation schätzen Patienten ihre Fähigkeit, Stressbelastungen konstruktiv zu bewältigen (SVF), ihre Fähigkeit, in kritischen Situationen abstinent bleiben zu können (DTCQA) und ihre soziale Kompetenz (UFB) höher als zu Beginn ein.

Schlussfolgerung: Die Suchtrehabilitation in der evaluierten Einrichtung erweist sich als erfolgreich im Hinblick auf eine Verbesserung des psychischen Befindens und der Verminderung psychosomatischer Beschwerden der Patienten.

Abstract

Objective: The focus of this evaluation study is the comparison of the psychic impairment of patients at the beginning (T1) and the end (T2) of an inpatient alcohol rehabilitation.

Method: Between 2001 and 2003 existential orientation of 920 patients was prospective determined by standardised questionnaires.

Results: The Patients showed typical criteria of alcohol patients concerning sociodemographic and addiction variables. At the beginning of the rehabilitation a moderate impairment of psychic symptoms was observed. The mean values of psychic impairment, which were evaluated by SCL-90-R, lie within the normal range. Just a few scales enter the upper limit range. Depression symptoms were evaluated by BDI and were located in the lower range of a slight depression. During the therapy which regards an integrated and cross-method therapy approach symptoms were reduced by a huge statistical effect. Psychic symptoms decreased close to a value of 50%-Percentile, which is equivalent to the reference group. At the end of the rehabilitation patients estimate their capability to manage stress constructively (SVF), their capability to remain abstinent in critical situations (DTCQA) and their social competence (UFB) higher than at the beginning.

Conclusion: This evaluation of an alcohol rehabilitation shows successful effects in the improvement of the psychic condition and in the reduction of psychosomatic complaints.

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1 Fachkrankenhaus Hansenbarg in Hanstedt bei Buchholz /Hamburg, Träger: Alida-Schmidt-Stiftung Hamburg.

2 Der SVF-120 besteht aus 120 Items, die 20 Subtests (Stressverarbeitungsstrategien) zugeordnet sind. Jedes Item beschreibt eine mögliche Stressreaktion, jeder Subtest soll eine Stressverarbeitungsstrategie repräsentieren. Der Proband hat auf einer fünfstufigen Skala (0=gar nicht bis 4=sehr wahrscheinlich) anzugeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit er das beschriebene Verhalten zeigt, wenn er „durch irgendetwas oder irgendjemanden beeinträchtigt, innerlich erregt oder aus dem Gleichgewicht gebracht worden” ist.

3 Das Instrument enthält 21 Items zu depressionstypischen Symptomen, die auf einer vierstufigen Skala von 0 bis 3 hinsichtlich des Auftretens und der Intensität während der letzten Woche beurteilt werden. Der Gesamtscore mit Summenwerten aller Items zwischen 0 und 63 gibt Auskunft über die Schwere der Depression. Werte unter 11 Punkten gelten als unauffällig, Werte zwischen 11 und 17 als leicht bis mäßig depressiv, Werte von 18 und darüber als klinisch relevant.

4 Eine Einordnung der aus den Rohwerten transformierten T-Werte (M=50, SD=10) erfolgt anhand einer Standardisierungsstichprobe von n=1006 „Normal Gesunden”. T-Werte zwischen 60 und 70 zeigen eine deutlich messbare psychische Belastung an, T-Werte zwischen 70 und 80 zeigen eine hohe bis sehr hohe psychische Belastung an.

Korrespondenzadresse

Dipl.-Psych. Dr. phil. L. Krohn

Institut für Medizinische Psychologie

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistraße 52

20149 Hamburg

eMail: l.kahle@uke.uni-hamburg.de