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DOI: 10.1055/s-0029-1220817
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Anwort
Publication History
Publication Date:
06 April 2009 (online)
Offensichtlich habe ich mit meinem Editorial zur Wissenschaftssprache einen wunden Punkt getroffen. Ich bedaure, dass Sie die Wissenschaftler im Allgemeinen - und die Psychiater im Besonderen - für unverbesserlich halten. Damit kann ich mich nicht zufrieden geben, zumal die Psychiatrie ganz wesentlich auf die Sprache angewiesen ist. Vielleicht sind Verbesserungen nicht ein für allemal zu erreichen. Aber die Aufmerksamkeit auf die sprachliche Seite unseres Fachgebietes zu richten, kann und soll neue Impulse geben. Bekanntlich kommen Veränderungen in Wellen, und nach dem cognitive turn könne ein language turn nicht schaden.
Zu Ihren Einwänden im Einzelnen in Kürze dies:
Ja, ich habe Zurückweisungen von Manuskripten wegen Passagen in der ersten Person Singular erlebt, nicht nur einmal. Ich stimme Ihnen zu, dass ein Satz wie der, den Sie von der Rechtsmedizinerin zitieren, erst gar nicht in den Kopf kommen sollte. Genau darum geht es meines Erachtens: um die Denkarbeit beim Schreiben. Auf sie zielte auch mein Plädoyer für die Klärung der Textsorten ab. Ich meine damit keine zwanghaften Abgrenzungen um der Formalitäten willen, sondern die Rückbesinnung auf die Textform als Ordnungshilfe: Ich muss mir darüber klar werden, was ich wem sagen möchte - eine Fallgeschichte darstellen, die Übersicht über den Stand des Wissens vermitteln, eine Studie zusammenfassen, einen berufspolitischen Kommentar abgeben, einen Versuch über ein noch wenig fassbares Thema -, dann weiß ich auch, wie ich es sagen kann. Dann hilft mir die Textgattung meine Gedanken zu Ordnen - als Kasuistik, Übersichtsarbeit, Originalarbeit, Kommentar, Essay etc. Auch im Hinblick auf die vorhandene Literatur zur Sprache und zum Schreiben stimme ich Ihnen zu, allerdings mit Einschränkungen: Die vorhandene Literatur existiert und entsteht fortlaufend getrennt von unserem Fachgebiet, und ich behaupte weiter, recht getrennt von der Medizin, nämlich im Journalismus, in der Germanistik, und ganz vereinzelt im Rahmen einer Fachzeitschrift, bei einem Chemiker oder Mathematiker. Und sie richtet sich im Wesentlichen am Verfassen von Essays und anderen, bereits mehr kreativen Freiraum bietenden Texten aus.
Gerade deshalb bleibt mein Anliegen, diese notwendige Spracharbeit ins Fachgebiet hereinzuholen.
Ulrike Hoffmann-Richter, Luzern