Psychiatr Prax 2009; 36(3): 151
DOI: 10.1055/s-0029-1220820
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Gerontopsychiatrie: Aktuelle Entwicklungen im Pflegeheimbau

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Publication Date:
06 April 2009 (online)

 

"Menschen mit Demenz sind in den Altenpflegeheimen zur dominanten Gruppe geworden, aber noch nicht bei allen Altenhilfeträgern und Pflegeeinrichtungen ist auf diese neue Herausforderung schon angemessen reagiert worden" - so skizzieren die Autorinnen im Vorwort die Ausgangslage. Zwar wendet sich ihr Buch vornehmlich an Planer von Altenhilfeeinrichtungen, aber es ist auch all jenen zu empfehlen, die in der Betreuung von Demenzkranken oder in der Gerontopsychiatrie praktisch arbeiten. Die Stuttgarter Architektin Sybille Heeg ist der Demenz-Szene seit vielen Jahren eng verbunden und sicherlich in Deutschland die Expertin für das Thema.

Der allgemeine Teil, das erste Viertel des Buches, bietet einen höchst kompetenten Einstieg in das Thema. Der Paradigmenwechsel im Pflegeheimbau hin zu kleinräumigen Wohnformen mit Impulsen aus dem Ausland (Frankreich, Niederlande, Schweden, Finnland) wird erläutert. "Interventionskonzepte und ihre baulichen Anforderungen" sowie "Bauliche Anforderungen - umweltpsychologisch begründet" heißen die zentralen Kapitel, in denen die Wechselwirkungen von baulichem Milieu, psychosozialem Milieu sowie Organisation & Betrieb mit ihren Auswirkungen auf den (dementen) Menschen erläutert werden. Den Hintergrund bilden der personenzentrierte Ansatz von Kitwood und der psychobiographische Ansatz nach Böhm. Die unterschiedlichen Settings (Hausgemeinschaften, Wohngruppen u.a.) werden in einem eigenen Kapitel vorgestellt. Dabei geht es auch um die viel diskutierte Frage integrativer vs. segregrativer Betreuung, die Heeg in Abhängigkeit vom Schweregrad einer Demenz und herausforderndem Verhalten differenziert beantwortet.

Es folgt die Vorstellung von 18 beispielhaften Einrichtungen (3 in Finnland, je eine in Dänemark und der Schweiz, die übrigen in Deutschland). Die Autorinnen zeigen differenziert, wie neue Wohn- und Betreuungskonzepte baulich umgesetzt werden können, welche Grundrisstypen sich bewährt haben und wie die Innenraumgestaltung therapeutisch genutzt werden kann. Die sehr detaillierte Darstellung wird unterstützt durch zahlreiche Fotos und Zeichnungen. Auf die Beschreibung folgen als Kontrast jeweils die Erfahrungen, die die Pflegekräfte und Nutzer damit gemacht haben. Fehlgriffe bei der Planung werden dadurch schonungslos entlarvt, aber auch gelungene Lösungen unterstrichen. Die Darstellung legt viel Augenmerk auf basale Aspekte wie Fußbodenbelag (Reinigungsaufwand, Farbkontrast zu Möbeln), Akustik, Beleuchtung oder die Verhältnisse im Bad, jede Einrichtung wird abschließend zusammenfassend kommentiert. Dabei machen die Autorinnen an einem Beispiel deutlich, "welches Potenzial Altbauten mit krankenhausähnlichen Grundrissen haben und welche Qualität erreichbar ist, wenn in einen umfassenden Umbau investiert wird".

In der "Zusammenfassung der Nutzungserfahrungen" wird die Bedeutung von "Fluren und Erschließungszonen" für mobile Demenzkranke ebenso hervorgehoben wie die Wichtigkeit von Aufenthaltsbereichen und ausreichend großen Essbereichen bzw. Wohnküchen. Der mitunter propagierte Vorteil von Doppelzimmern wird kritisch diskutiert. Auch Gestaltungsoptionen, die "Weglauftendenzen" entgegenwirken können, werden dargestellt. Überraschend schließlich das Resümee, dass die gut gestalteten Freibereiche und Gärten, über die die meisten Einrichtungen verfügen, nur eine "enttäuschend geringe Nutzung" erfahren.

Am Schluss steht ein Glossar, das mit Begriffen wie Mini-Mental-Status-Test und Realitäts-Orientierungs-Training über basale Stimulation, Pflegeoase oder Transponder bis hin zu Heimmindestbauverordnung und Rutschfestigkeitsklasse das breite inhaltliche Spektrum des Buches widerspiegelt.

Der Leser bekommt ein spannendes Buch, in dem viel zu erfahren ist darüber, wie die physikalische Umgebung dazu beitragen kann ein gutes Leben zu ermöglichen. Vieles was hier dargestellt wird, betrifft nicht nur Demenzkranke, ja nicht einmal nur alte Menschen, sondern ist von allgemeiner Bedeutung. Der Leser bekommt aber auch ein sehr schönes Buch, ausgezeichnet gestaltet, aufwendig ausgestattet, gut lesbar und verständlich.

Dirk Wolter, Wasserburg a. Inn

Email: dirk.wolter@iskl.de