B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2009; 25(6): 231
DOI: 10.1055/s-0029-1224705
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© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

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Publication Date:
10 December 2009 (online)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das Ausprobieren von Tabak, Alkohol und Medikamenten, auch aber das Experimentieren mit verschiedenen Drogen gehört in unserer Gesellschaft mittlerweile zu bedeutsamen Entwicklungsaufgaben im Übergang von der Kindheitsphase zum Erwachsenenalter. Der Gedanke, eine drogenfreie Sozialisation für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen, ist schon angesichts der industriellen und politischen Bedeutung der Produzenten (Alkohol und Tabak) abwegig. Die unter­schiedlichsten legalen Drogen begegnen uns und damit auch den heranwachsenden Generationen permanent im Alltag.

Nicht ganz so offensichtlich sind die illegalen Drogen, bei denen jedoch mittlerweile ebenfalls eine flächendeckende Versorgungsstruktur besteht. Insofern lässt sich ein Zugriff zu diesen Mitteln gar nicht unterbinden. Der Konsum dieser Substanzen geht mitunter mit vielfältigen Eindrücken und Erfahrungen für die Jugendlichen einher, wie z. B. die Wirkungen der benutzten Drogen auf die Wahrnehmung, die Stimmung und das eigene Verhalten.

Ähnlich wie bei vielen anderen Dingen im Leben hängt das Erlernen eines angemessenen und vernünftigen Umgangs mit diesen „Genussmitteln” von der Dosis, der Häufigkeit oder den sozialen Kontexten ab, in denen sie benutzt werden. Um diesen kontrollierten Umgang zu entwickeln, bedarf es allerdings in vielen Fällen der Erfahrung eigener Verträglichkeitsgrenzen, wo z. B. die Wirkungen und Nachwirkungen des Drogenkonsums in das Gegenteil umschlagen können, wie beispielsweise ein heftiger „Kater”, Übelkeit, Erbrechen, „Filmrisse”, aber auch Verwirrung, Kontrollverlust, Angst- bzw. Panikattacken. Einem großen Anteil von Jugendlichen gelingt es dann erstaunlicherweise auch im Laufe ihres Entwicklungsprozesses, aufgrund dieser Erfahrungen einen kontrollierten Umgang mit diesen Genussmitteln zu entwickeln. Erstaunlich deshalb, weil hierzu in unserer Gesellschaft keine klaren Regeln oder Normen bestehen und exzessives Verhalten vielfach sogar positiv bewertet wird. Erwachsene fallen als Orientierungsgröße oder positives Modell im Umgang mit Suchtmitteln häufig weg, weil sie genau diese Verhaltensweisen vorleben und kein rechtes Maß für sich gefunden haben.

Die Kehrseite dieser Bedingungen ist jedoch, dass wir einen zunehmenden Anteil von Jugendlichen haben, die früh in unterschiedlichste Drogenkonsumformen einsteigen, einen riskanten Umgang damit aufweisen, zu exzessiven Verhalten tendieren oder schon früh eine Mehrfachabhängigkeit entwickeln. Die neuropsychologischen Auswirkungen frühen bzw. chronischen Drogenkonsums von Alkohol, Tabak und speziell Cannabis sind lange Zeit verharmlost worden; die neuen bildgebenden Verfahren revidieren diese Annahmen in erheblichem Maße. In dem Grundlagenbeitrag von Kunert erfahren Sie hierzu einen fundierten Überblick zu dieser Thematik. Dass riskanter und unkontrollierter Konsum von Drogen nicht ohne Konsequenzen bleibt, zeigen die Untersuchungsergebnisse zur psychomotorischen Ausgangslage dieser Klientel zu Therapiebeginn. Sie weisen auf einen erhöhten bewegungs- und sporttherapeutischen Behandlungsbedarf hin. Den Wert solcher Maßnahmen belegt die Untersuchung von Euskirchen, Walschek und Kleinert für den qualifizierten Drogenentzug. Hier bestätigt sich die Forderung, im Rehabilitationsprozess von Drogenabhängigen schon frühzeitig mit aktivitätsorientierten Angeboten zu beginnen, um die Veränderungsmotivation zu unterstützen.

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich für das Jahr 2010 viel Erfolg, persönliche Befriedigung in ihrer sporttherapeutischen bzw. beruflichen Arbeit und persönliches Wohlergehen sowie das jeweils rechte Maß in all Ihrem Tun.

Ihr
Dr. Hubertus Deimel

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