Sprache · Stimme · Gehör 2009; 33(2): 53
DOI: 10.1055/s-0029-1225581
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Nervenschäden - Stimmliche Einschränkungen bei Superior-Parese

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Publication Date:
16 June 2009 (online)

 

Dass eine Recurrensparese zu einer erheblichen stimmlichen Einschränkung führt, ist hinlänglich bekannt. Roy et al. gingen nun in ihrer Untersuchung der Frage nach, wie stark eine Parese oder Paralyse des bisher wenig beachteten N. laryngeus superior die Stimme beeinträchtigt. Laryngoscope 2009; 119:816-826

Paresen oder Paralysen der Nn. laryngici superiores werden oft nicht als bedeutsam und als weniger schlimm als Paresen oder Paralysen der Nn. laryngici inferiores ("Recurrens") angesehen. Einseitige Paresen werden fast nicht (z.B. elektromyografisch) untersucht und beachtet. Dabei sind sie wahrscheinlich häufiger als vermutet, denken wir an die vielen Patienten nach Strumektomie, die über stimmliche Einschränkungen klagen, über die sich alle (auch Ärzte) wundern, besonders, wenn der HNO-Arzt postoperativ die vordergründig beruhigende Auskunft gegeben haben mag, dass der "Stimmbandnerv" nicht beschädigt sei. Mit einer solchen Aussage ist aber meist die Ab- und Adduktionsbewegung der Stimmlippen gemeint, die durch die unteren Kehlkopfnerven innerviert werden. Wenn aber ab dem oberen Schilddrüsenpol präpariert wurde, vielleicht, weil dort ein kalter Knoten zu entfernen war, dann sind auch die oberen Kehlkopfnerven in Gefahr. Doch wie groß sind die Effekte einer Lähmung wirklich? Bedeutsam oder vernachlässigbar?

Dieser Frage gingen die Autoren experimentell nach. Experimentell? Sie haben richtig gelesen: Experimente an gesunden Probanden. Nun wird man nicht experimentell einen Nerven dauerhaft schädigen, es geht viel eleganter: eine Lokalanästhesie mit artifizieller Parese des M. cricothyreoideus, d.h. eines der paarigen äußeren Stimmlippenspanner, die durch den N. laryngeus superior innerviert werden und deren Position und zielgenaue Lidocain-Infiltration man elektromyografisch abgesichert hat.

Es fanden sich 10 Probanden, die sich eine Teilnahme zutrauten und an denen Stimmfeldmessungen und akustische Analysen vor und nach der Ausschaltung des Muskels durchgeführt werden konnten. Das Hauptergebnis war, dass in einer (etwas vereinfachten) Stimmfeldmessung nicht nur die oberen, sondern erstaunlicherweise auch die unteren Stimmgrenzfrequenzen eingeschränkt waren, und zwar bei leiser, normal lauter und lauter Phonation. Die Reduktion des Umfangs betrug im Mittel etwa 100 bis 200 Hz. Dies lässt sich durch die asymmetrische und reduzierte Stimmlippenspannung erklären. Von den gemessenen akustischen Parametern stieg nur der Jitter (Kurzzeitschwankungen der Grundfrequenz) an, vermutlich durch die Seitendifferenzen der Stimmlippenspannung während der Phonation. Bei den Fremdbewertungen kam es zu einer nicht-signifikanten Veränderung des Stimmklangs (Rauigkeit, Behauchtheit, Gepresstheit), d.h. die gemessenen physiologischen Veränderungen des Schwingungsablaufs sind so gering, dass die meisten Zuhörer sie nicht bemerken. Bei der Eigenbewertung der Probanden kam es zu einer signifikant und bedeutsam erhöhten Anstrengung und gleichzeitig empfundenen Stimmschwäche. Bei den aerodynamischen Messungen kam es zu einem erhöhten subglottischen Druck und einem erniedrigten Phonationsstrom, vermutlich durch regulative Prozesse.

Vom N. laryngeus superior innervierte Muskulatur des Kehlkopfs (Bild: Schunke et al. Prometheus, Kopf und Neurologie. Thieme 2006).