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DOI: 10.1055/s-0029-1234069
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Editorial
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
19. August 2009 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,
die chronische Hepatitis C-Infektion betrifft bis zu 90% der intravenös Drogenkonsumierenden. Vor einer Dekade war es so gut wie undenkbar, intravenös Drogenabhängige antiviral zu therapieren. Mittlerweile ist die Einstellung deutlich permissiver geworden, was sich in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin und auch in der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselstörungen spiegelt. Ich freue mich sehr, dass auch die internistischen Fachvertreter sich der Therapie dieses Patientenklientels geöffnet haben, obwohl der Umgang mit Drogenabhängigen doch so manche Herausforderung in sich birgt. Mittlerweile werden in der Behandlung der Hepatitis C bei Drogenabhängigen Versorgungsmodelle erprobt, bei denen der Patient mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht; nicht mehr der Patient muss den Sprung zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen vollbringen, sondern die Behandler aus suchtmedizinischen, internistischen und psychiatrischen Disziplinen finden zusammen und gruppieren sich um den Patienten. Es ist wahrscheinlich, dass wir in Zukunft, zumindest modellhaft, die Ausweitung der Therapie auf derzeit als schwer behandelbar eingeschätzte Patienten sehen werden.
Dieses Heft will in seinem Schwerpunktteil dazu beitragen, den aktuellen Entwicklungen der Hepatitis C-Therapie Rechnung zu tragen. So stellen Dr. Matthias Pfersdorff und Prof. Dr. Dr. Michael Kraus aus den Kreiskliniken Altötting-Burghausen die neuesten Therapiealgorithmen, die eine Individualisierung der Therapie im Vergleich zu den vorherigen Standardtherapien mit sich bringen, vor. Priv.-Doz. Dr. Martin Schäfer aus den Kliniken Essen-Mitte/Charité Berlin geht in seiner Arbeit auf die verschiedentlichen diagnostischen und therapeutischen Fragestellungen bezüglich der psychiatrischen Komorbidität ein. Die Therapiefrequenz der Hepatitis C bei Opiatabhängigen ist noch unbefriedigend, Gründe hierfür legt Bernd Schulte aus dem Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg mit Koautoren dar.
Bisher fokussierte die Debatte um die chronische Hepatitis C hauptsächlich auf die intravenös Drogenkonsumierenden. Eine andere Gruppe von suchtkranken Menschen, nämlich diejenige der Alkoholabhängigen, wurde bis jetzt, eventuell zu Unrecht, zu wenig beachtet. Sollten sich Hepatitis C-Durchseuchungsraten von 5–10% bestätigen, wären die Dimensionen ungleich größer. An dieser Stelle stellt sich eine Frage neu, die es so vor 10 Jahren in Bezug auf die intravenös Drogenabhängigen schon einmal gab: ist eine Abstinenz vor Einleitung einer antiviralen Therapie zu fordern? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Alkoholabhängigkeit im Gegensatz zur Hepatitis C eine chronisch rezidivierende Erkrankung ist. Sie sehen, es bleibt spannend. Spannend nicht nur bezüglich der Hepatitis C-Behandlung, sondern auch im Sinne der Gestaltung von Modellen zur patientenzentrierten Behandlung von Sucht und Soma. Ein unreflektiertes Zurück zu formelhaften Abstinenzforderungen sollte es auch bei Alkoholabhängigen in der Frage der Hepatitis C-Behandlung nicht geben. Passend zur Ausweitung der Hepatitis C-Debatte auf alkoholabhängige Personen, befasst sich das vierte Manuskript dieses Heftes von Annika Simon und Koautoren aus der Technischen Universität Braunschweig bzw. der Medizinischen Hochschule Hannover mit der Therapiemotivation bei eben dieser Patientengruppe.
Im Namen des Herausgebergremiums wünsche ich eine bereichernde Zeit beim Lesen dieser Ausgabe.
Ihr Jens Reimer
Liebe Leserinnen und Leser,
vom 16. bis 19. September findet in Köln der 2. Deutsche Suchtkongress statt. Der Abstractband zu diesem Kongress erscheint als elektronisches Supplement dieser Zeitschrift. Sie können das Supplement im Internet unter http://www. thieme-connect.de/ejournals/toc/suchttherapie/einsehen und herunterladen.
Korrespondenzadresse
PD Dr. J. Reimer
Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) c/o Zentrum für Psychosoziale Medizin
Psychiatrie und Psychotherapie im UKE
Martinistraße 52
20246 Hamburg
eMail: reimer@uke.uni-hamburg.de