Gesundheitswesen 2009; 71 - A61
DOI: 10.1055/s-0029-1239111

Evidenzbasierte Medizin in der Radioonkologie – Chancen und Grenzen

J Panke 1, P Schüller 1, A Weber 1
  • 1Fachgebiet ambulante Versorgung, Fachbereich Sozialmedizin-Versorgungsberatung, MDS e.V. (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen)

Fragestellungen: Die Kriterien der evidenzbasierten Medizin (EbM) sind die Grundlage der Bewertung neuer Behandlungsmethoden im Vergleich zu etablierten Verfahren. Die besonderen Aspekte der Radioonkologie liegen in der kontinuierlichen Entwicklung neuer technischer Möglichkeiten unter Beibehaltung des grundsätzlichen Wirkprinzips. Bei der Anwendung der EbM können Probleme entstehen, wenn nur die Gesamtdosis und nicht auch die anatomische Verteilung der Strahlendosis und die biologische Wirksamkeit bei der Bewertung der Studienergebnisse berücksichtigt werden.

Methodik: Anhand von recherchierten Beispielen aus radioonkologischen Publikationen werden besondere Fragestellungen und Probleme der EbM in der Radioonkologie dargestellt.

Ergebnisse/Beispiele: Eine japanische Studie, die eine kombinierte externe Bestrahlung und Brachytherapie beim Prostatakarzinom mit einer hochdosierten externen Bestrahlung vergleicht, zeigt signifikant mehr akute und chronische intestinale Toxizität für die alleinige externe Bestrahlung bei sonst identischen Behandlungsergebnissen. Formal liegt Evidenz für eine geringere Toxizität der kombinierten Therapie vor. Die abgebildeten Bestrahlungspläne zeigen jedoch, dass auf Grund der verwendeten Technik große Anteile des Rektums im Bestrahlungsfeld liegen. Hierdurch entsteht ein möglicher Bias, der zur Folge hat, dass das Ergebnis zugunsten der kombinierten Therapie für die aktuelle Versorgung bei adäquater technischer Umsetzung ohne Bedeutung ist. Eine randomisierte Studie zur Dosiseskalation bei malignen Gliomen konnte keinen Vorteil für die höhere Strahlendosis erkennen. Das typische Zielvolumen für die höhere Dosis umfasste nicht die Infiltrationszone. Es bleibt deshalb unklar, ob die Wahl des Zielvolumens nicht maßgeblich für den fehlenden Nachweis einer Dosis-Wirkungs-Beziehung war.

Schlussfolgerungen: Die Anwendung der evidenzbasierten Methode auf die Radioonkologie erfordert wegen der Besonderheit der Strahlentherapie als lokale Behandlungsmethode, dass nicht nur die Strahlendosis, sondern auch die anatomische Dosisverteilung und die biologische Wirksamkeit der eingesetzten strahlentherapeutischen Verfahren bei der Studienauswertung im Sinne der EbM berücksichtigt werden. Diese Details gewinnen zunehmende Bedeutung bei Bewertung neuer Verfahren insbesondere der Hochpräzisionsstrahlentherapie (Stereotaxie, IMRT, IGRT, Protonen, Schwerionen).