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DOI: 10.1055/s-0029-1239170
Wie wirkt sich die Praxisgebühr auf das Arzt-Inanspruchnahmeverhalten der Patienten aus? Eine querschnittliche Analyse sozioökonomischer und gesundheitlicher Faktoren
Hintergrund: Im Jahr 2004 wurde die Praxisgebühr in Deutschland eingeführt. Sie verfolgt in erster Linie das Ziel, die Zahl der Praxisbesuche und damit die Ausgaben der Krankenkassen zu reduzieren. Alle gesetzlich versicherten Erwachsenen über 18 Jahre müssen seither 10 Euro bei ihrem ersten Arztbesuch im Quartal entrichten. Ausgenommen sind Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen. Die vorliegende Studie untersucht den Einfluss der Praxisgebühr auf das Arzt-Inanspruchnahmeverhalten der Patienten und legte dabei besonderes Augenmerk auf sozioökonomische Ungleichheit.
Methoden: In die Analysen gingen Daten aus sechs repräsentativen Befragungen ein, die zwischen 2004 und 2006 im Zuge des Bertelsmann-Gesundheitsmonitors durchgeführt wurden. Eingeschlossen wurden 7.769 Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 79 Jahren. Die Auswertungen basieren auf Stratifizierung und logistischer Regression, wobei die Subgruppe chronisch erkrankter Studienteilnehmer gesondert betrachtete wurde.
Ergebnisse: Zwei Ergebnisse sollten hervorgehoben werden: zum einen wurden Arztbesuche nach Einführung der Gebühr besonders von jüngeren und gesünderen Erwachsenen verschoben oder vermieden. Zum anderen waren Patienten, die der niedrigsten Einkommensgruppe angehören, sehr viel stärker betroffen als Patienten mit höherem Einkommen. Die multivariable Analyse innerhalb der Subgruppe der chronisch Erkrankten ergab, dass die Patienten aus der untersten Einkommensgruppe 2,45 mal häufiger (95% KI: 1.90–3.15) einen Arztbesuch verschoben oder vermieden haben als die Patienten aus der obersten Einkommensgruppe.
Diskussion: Die Studie zeigt, dass die Folgen der Praxisgebühr in unterschiedlichen sozioökonomischen Gruppen unterschiedlich ausgeprägt sind; Patienten mit geringem Einkommen werden besonders häufig durch die Gebühr von Arztbesuchen abgehalten. Wichtig wären jetzt weiterführende Untersuchungen der Folgen, vor allem auf die Qualität der Gesundheitsversorgung und auf den längerfristigen Gesundheitszustand der betroffenen Patienten.