Zeitschrift für Palliativmedizin 2009; 10(3): 125-126
DOI: 10.1055/s-0029-1241084
Editorial

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Palliativmedizin wird Pflichtfach im Medizinstudium

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Publication Date:
11 September 2009 (online)

 

Prof. Dr. Gian Domenico Borasio

cand. med. Isabel Dietz

Es ist vollbracht: Am 10. Juli 2009 stimmte der Bundesrat einem Gesetz zu, in welchem die Palliativmedizin als 13. Querschnittsfach, und damit als Pflichtlehr- und Prüfungsfach, in die Approbationsordnung für Ärzte eingeführt wird.

Für dieses Ziel hat sich die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin seit vielen Jahren eingesetzt. Grund dafür waren die – durch wissenschaftliche Studien belegten – großen Wissenslücken in der Ärzteschaft in Bezug auf die Betreuung Schwerstkranker und Sterbender. Diese führen zu unnötigem Leiden für Patienten und für ihre Familien aufgrund mangelhafter Symptomkontrolle und nicht selten Übertherapie in der letzten Lebensphase. Viele Menschen versuchen daher, sich vor Fehlbehandlungen am Lebensende durch die Abfassung von Patientenverfügungen zu schützen – eine für unser Gesundheitswesen beschämende Situation.

Der beste Schutz vor Fehlbehandlungen am Lebensende lässt sich nicht durch Patientenverfügungen erreichen, sondern durch eine verbesserte Ausbildung der Medizinstudierenden. Palliativmedizin ist Aufgabe aller Ärzte. Die Einführung der Palliativmedizin als Pflichtfach in das Medizinstudium, wie sie schon 1999 vom Europarat und 2003 vom Deutschen Ärztetag gefordert wurde, war längst überfällig.

Auch vonseiten der Studierenden wurde die mangelhafte Ausbildung im Fach Palliativmedizin beklagt. So forderte die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) ebenfalls die Aufnahme der Palliativmedizin in die Pflichtlehre.

Die Erfahrungen und Evaluationen derjenigen Universitäten, die Palliativmedizin schon als Pflichtfach eingeführt haben (erstmalig 2004 in München, inzwischen auch in Aachen, Bonn, Göttingen und Köln), zeigen eindrucksvoll, dass sich Wissen, Fähigkeiten und Haltung der Studierenden in diesem Kernbereich ärztlicher Kompetenz durch das neue Lehrangebot deutlich steigern lassen.

Die Arbeitsgemeinschaft Palliativmedizin der bvmd hat die Entwicklung palliativmedizinischer Lehrstrukturen an deutschen Fakultäten seit 2004 kontinuierlich evaluiert und gelistet (www.pallmed.de). Die hier erhobenen Daten können den 31 deutschen Universitäten, die Palliativmedizin noch nicht als Pflichtfach unterrichten, nun eine gute Grundlage liefern, um ein qualitativ hochwertiges Lehrangebot aufzubauen.

Eine Besonderheit der palliativmedizinischen Lehre ist die Notwendigkeit, aber auch das Privileg, nichtärztliche Expertise aus verschiedenen Disziplinen einzubeziehen, um dem Auftrag aus der WHO-Definition gerecht zu werden: die psychosozialen und spirituellen Aspekte ebenso zu beachten wie die physischen Symptome. Die Einbeziehung von Dozenten aus den Bereichen Pflege, Soziale Arbeit, Psychologie und Seelsorge hat sich als bereichernd erwiesen und erfreut sich einer hohen Akzeptanz durch die Studierenden [1].

Die Etablierung als Pflichtfach wird voraussehbar die Nachfrage nach akademisch qualifizierten Palliativmedizinern ansteigen lassen. Dies setzt die Einrichtung unabhängiger Lehrstühle für Palliativmedizin voraus, in welchen die Dozenten der Zukunft ausgebildet werden können. Nur diese Form wird der Breite des Faches in Klinik, Lehre und Forschung gerecht [2]. Die derzeit bundesweit zu beobachtende Tendenz, geplante Lehrstühle für Palliativmedizin nachträglich auf das Niveau abhängiger Professuren zu degradieren und sie anderen Fächern unterzuordnen, stellt für die Palliativmedizin als eigenständiges Fachgebiet eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar.

Jeder Bürger hat das Recht, in seiner letzten Lebensphase von Ärzten betreut zu werden, denen die Grundzüge der Palliativmedizin als selbstverständlicher Bestandteil ärztlicher Kernkompetenz im Studium vermittelt wurden. Diesem Ziel sind wir durch das neue Gesetz ein ganzes Stück näher gekommen. Die Einführung der Palliativmedizin als Pflichtfach wird die Qualität der allgemeinen Palliativversorgung nachhaltig stärken. Allen, die an dieser Entwicklung mitgearbeitet haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Prof. Dr. Gian Domenico Borasio

Lehrstuhl für Palliativmedizin der Universität München

cand. med. Isabel Dietz

AG Palliativmedizin, Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland

Literatur

  • 01 Wasner M . Roser T . Fittkau-Tönnesmann B . Borasio GD . Palliativmedizin im Studium: Spiritualität und psychosoziale Begleitung als wichtige Lehrinhalte.  Dtsch Ärztebl. 2008;  105 A674
  • 02 Stellungnahme der DGP zur Einrichtung von Lehrstühlen für Palliativmedizin an den medizinischen Fakultäten (10.2.2009); www.dgpalliativmedizin.de