Gesundheitswesen 2010; 72(12): 886-894
DOI: 10.1055/s-0029-1243212
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schätzung der Ausgaben der öffentlichen Hand durch den Konsum illegaler Drogen in Deutschland

Public Expenditure Caused by the Consumption of Illicit Drugs in GermanyS. Mostardt1 , S. Flöter2 , A. Neumann1 , J. Wasem1 , T. Pfeiffer-Gerschel2
  • 1Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizin-Management
  • 2IFT Institut für Therapieforschung, München
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. Januar 2010 (online)

Zusammenfassung

Ziel: Für Deutschland fehlt eine wissenschaftlich fundierte und umfassende Übersicht darüber, wie hoch die von der öffentlichen Hand für den Gesamtbereich „illegale Drogen” aufgewendeten Ausgaben sind. Ziel des vorgestellten Projektes ist es, erstmals in Deutschland eine umfassende Schätzung der direkten (gekennzeichneten und nicht-gekennzeichneten) Ausgaben der öffentlichen Haushalte in Bezug auf den Missbrauch und die Abhängigkeit von illegalen Drogen für das Jahr 2006 vorzunehmen.

Methodik: Je nach Ausgabenträger erfolgte ein unterschiedliches Vorgehen bei der Datensammlung. Die Haushaltspläne und Statistiken der Gebietskörperschaften wurden nach relevanten Daten durchsucht sowie Behörden schriftlich befragt. Die Erhebung der Ausgaben der Sozialversicherungsträger erfolgte über eine schriftliche Befragung. Neben der Rentenversicherung Bund wurden die 40 größten gesetzlichen Krankenkassen mittels standardisierter Fragebögen angeschrieben, deren Angaben für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung (GKV) extrapoliert wurden.

Ergebnisse: Auf Ebene der Gebietskörperschaften konnte ein Betrag zwischen 3,7 und 4,6 Mrd. € ermittelt werden, der für die Bekämpfung des Drogenproblems (in Form von Präventions-, Interventions- und Repressionsmaßnahmen) ausgegeben wird. Die Gesamtausgaben der Rentenversicherung im Zusammenhang mit illegalen Drogen in Form von medizinischen Rehabilitationen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Renten wegen Erwerbsminderung betragen etwa 171,7 Mio. €. Die Hochrechnung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Medikation, Krankenhausaufenthalte, Rehabilitationen usw. im Zusammenhang mit illegalen Drogen ergab 1,4 Mrd. €.

Schlussfolgerungen: Das Ziel des Projektes – eine erste Abschätzung der öffentlichen Ausgaben im Kontext von Missbrauch und Abhängigkeit von illegalen Drogen – konnte erreicht werden. Anzumerken ist, dass zweifelsohne Unsicherheiten bezüglich des Gesamtergebnisses aufgrund der heterogenen Datenqualität bestehen. Das Ergebnis gibt noch keinen Aufschluss über die Angemessenheit und den tatsächlichen Nutzen der aufgewendeten öffentlichen Mittel. Es bildet allerdings die unabdingbare Grundlage für eine solche Bewertung und leistet einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion.

Abstract

Aim: A scientifically based overview of public expenditures related to illicit drugs was lacking for Germany. The aim of the present project is to carry out for the first time a comprehensive estimation of direct (labelled and non-labelled) expenditures of the government and the social insurance funds related to the use of illicit drugs in Germany for the year 2006.

Methods: Depending on the respective financing bodies, different ways of data collection were required. Data on drug-related expenditure were searched in publically available budget documents and statistical reports; moreover written requests were sent to the relevant public authorities. Information on the expenditures of social insurance funds was collected through standardised questionnaires, which were sent to the Statutory Pension Insurance Scheme (Rentenversicherung Bund) and the 40 biggest statutory health insurance companies. The collected data were extrapolated for the total statutory health insurance.

Results: All in all, on the government side an amount of 3.7–4.6 billion Euro spent on the task of tackling illicit drugs (i. e., for prevention, intervention and law enforcement measures) was identified. The expenditures of the pension funds related to illegal drug use amount to 171.7 million Euro. For the statutory health insurances a total expenditure of 1.4 billion Euro was estimated.

Conclusion: The aim of the project – a first estimation of the public expenditures concerning illicit drugs in Germany – has been achieved. Nevertheless, there remains some degree of uncertainty regarding the overall result because of the heterogeneous data quality. The approximation of the amount of public expenditures concerning illegal drug use still gives no information about adequate spending or actual benefits. However, it provides the indispensable basis for such an assessment and contributes to a more objective discussion.

Literatur

1 Verwendete Suchbegriffe: „Sucht*”, „Droge*”, „Rauschgift*”, „Betäubungsmittel*”, „Substitution*”, „Maßregel*”

Korrespondenzadresse

S. Mostardt

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftungslehrstuhl für Medizin-Management

Universität Duisburg-Essen Standort Essen

Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

Schützenbahn 70

45127 Essen

eMail: sarah.mostardt@medman.uni-due.de