Pneumologie 2010; 64(1): 5-6
DOI: 10.1055/s-0029-1243798
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zum 100. Geburtstag der DGP

On the Occasion of the 100th Anniversary of the German Society for PneumologyC.  Vogelmeier1 , H.  Teschler1
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Publication Date:
20 January 2010 (online)

Von Johann Wolfgang von Goethe stammt der Satz „Man kann das Gegenwärtige nicht ohne das Vergangene erkennen”, den er 1787 auf seiner Italienreise niedergeschrieben hat. Im Auftrag des Vorstands hat sich die Arbeitsgruppe DGP-Chronik mit großer Motivation an die Arbeit gemacht und die Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) mit ihren vielen Facetten in einem umfangreichen Buch zusammengestellt [1].

Die DGP wurde 1910 am Anfang eines Jahrhunderts gegründet, das manche Historiker für das schrecklichste in der Geschichte halten. In dieser bewegten Zeit vollzog sich ihre Entwicklung von der Vereinigung der Lungenheilanstaltsärzte zu der heutigen wissenschaftlichen Gesellschaft, von der Phthisiologie zur modernen Pneumologie mit ihrer bunten Vielfalt.

Standen die ersten 50 Jahre noch ganz im Zeichen der Tuberkulose, so vollzog sich nach deren erfolgreicher Eindämmung in den zweiten 50 Jahren der DGP ein erheblicher Wandel. Asthma, COPD, Lungenentzündung und Lungenkrebs zählen heute zu den Volkskrankheiten.

Enorme Fortschritte wurden in Diagnostik und Therapie aller Lungenkrankheiten erzielt: in der Bildgebung stehen uns heute CT, HRCT, MRT, Szintigrafie inklusive PET zur Verfügung; anfänglich gab es ja nur Röntgenbild und Durchleuchtung. Die Endoskopie hat durch die Einführung des flexiblen Bronchoskops und durch die interventionellen Verfahren enorm an Bedeutung gewonnen. Die molekularen Methoden der Mikrobiologie und Pathologie ermöglichen gezieltere und raschere Diagnosestellungen. Neue Techniken erlauben die nicht-invasive Beatmung bei akutem Atemversagen und die Heimbeatmung bei chronischer respiratorischer Insuffizienz. Die Thoraxchirurgie ist dank video-assistierter Operationen viel weniger invasiv und risikoärmer geworden; Lungentransplantationen gehören in einigen deutschen Zentren zu Routine-Eingriffen. Die medikamentöse Therapie bei Asthma, COPD, bakteriellen Pneumonien u. a. hat die Prognose dieser Patienten deutlich gebessert. Erste Ansätze beim Lungenkrebs zeigen, dass die Behandlung sich in Zukunft individueller gestalten wird. Die pulmonale arterielle Hypertonie lässt sich deutlich erfolgreicher behandeln. Die Prognose von Patienten mit Mukoviszidose hat sich erheblich verbessert, sodass der Transit aus der Kinderklinik in die Erwachsenen-Pneumologie zur Routine geworden ist. Die Schlafmedizin ist ein äußerst wichtiges Teilgebiet der Pneumologie und führt zu erheblich verbesserter Lebensqualität. Dies sind nur einige Beispiele für Fortschritte in unserem Fachgebiet.

Heute ist die Pneumologie neben der Kardiologie und der Gastroenterologie eines der drei großen Schwerpunktfächer der Inneren Medizin. Durch die rasante wissenschaftliche Entwicklung und Ausweitung des Faches war und ist es geboten, die Struktur und Arbeitsweise der Gesellschaft an diese Veränderungen anzupassen. Dies spiegelt sich auch in den Namensänderungen im Laufe der hundert Jahre wider: von der „Vereinigung der Lungenheilanstaltsärzte” 1910 – wenige Monate nach dem Tod von Robert Koch – durch Erweiterung mit den Tuberkulosefürsorgeärzten zur „Deutschen Tuberkulosegesellschaft” 1925, über die „Deutsche Gesellschaft für Tuberkulose und Lungenkrankheiten” 1964, die „Deutsche Gesellschaft für Lungenkrankheiten und Tuberkulose” 1972, die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Tuberkulose” 1980, die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie” 1990 schließlich zur heutigen „Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin” seit 2005.

Der zunehmenden Subspezialisierung des Faches trug die Einrichtung der insgesamt 15 wissenschaftlichen Sektionen Rechnung. Seit 1996 findet der wissenschaftliche Kongress der DGP mit einem umfangreichen Programm und großen Teilnehmerzahlen jährlich statt. Das Interesse und das Engagement der Mitglieder sind stark gestiegen, die Zahl der Mitglieder hat sich in den letzten 20 Jahren fast verdreifacht.

Als eine der ersten wissenschaftlichen Gesellschaften gab die DGP Empfehlungen und Leitlinien zur Diagnostik und Therapie heraus. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde durch die Gründung der „Deutschen Lungenstiftung” zusammen mit der „Deutschen Atemwegsliga” verstärkt. Der alljährliche „Deutsche Lungentag” ruft in der Bevölkerung große Resonanz hervor. Berufspolitisch kooperiert die DGP mit dem Bundesverband der Pneumologen als vorwiegendem Vertreter der Niedergelassenen und mit dem Verband der pneumologischen Kliniken, der die Interessen der stationären pneumologischen Einrichtungen wahrnimmt. Beide gehören zusammen mit der DGP und der Atemwegsliga zu den Gründungsmitgliedern des Instituts für Lungenforschung (ILF), das sich seit 2006 besonders der Versorgungsforschung in unserem Fachgebiet widmen soll. Die regionalen pneumologischen Gesellschaften nehmen sich intensiv der Fortbildung an. Um das so wichtige Thema der Tabakprävention kümmert sich die DGP zusammen mit der Deutschen Lungenstiftung im Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR), dem weitere acht bedeutende nicht-staatliche Gesundheitsorganisationen in Deutschland angehören.

Ein großes Defizit stellt immer noch die Repräsentanz der Pneumologie an den Universitäten dar. Hier gehört Deutschland im Vergleich zu den westeuropäischen Ländern und den USA zu den Schlusslichtern. Obwohl in den letzten Jahren einige Verbesserungen erzielt werden konnten, muss es ein vornehmliches Ziel der DGP bleiben, diese mangelnde Repräsentanz, die der inzwischen erreichten Bedeutung des Faches nicht gerecht wird, abzubauen. Zu fordern ist, dass an jeder Universitätsklinik eine eigenständige Abteilung für Pneumologie eingerichtet wird. Nur so können Lehre und Forschung und damit die Versorgung der Patienten in Deutschland langfristig verbessert werden. Die Notwendigkeit wird durch jüngste epidemiologische Studien untermauert: Diese prognostizieren bis zum Jahre 2050 eine Zunahme von Pneumonien um zirka 200 %, von Lungenkrebs um 66 % und von COPD um 44 % [2].

Neben dem historischen Rückblick unter Einbeziehung von Originalquellen, biografischen Exkursen, Interviews von Zeitzeugen und Beiträgen von zahlreichen Autoren zeichnet die in Buchform erstellte Chronik auch das umfassende Bild der aktuellen Situation der DGP und ihrer vielfältigen Beziehungen zu assoziierten und benachbarten Organisationen in Deutschland und im europäischen Ausland. Der Übersichtsartikel in diesem Heft der Zeitschrift „Pneumologie” kann nur einen kursorischen Überblick verschaffen [3]. Es lohnt sich, das umfangreiche Buch, das interessante Beiträge zu verschiedensten, die Pneumologie berührenden Themen enthält, zu lesen. Eine spannende Zeitreise!

Den Mitgliedern der Arbeitsgruppe DGP-Chronik – Rainer Dierkesmann, Nikolaus Konietzko, Robert Kropp, Robert Loddenkemper, Vera Seehausen und Bernhard Wiesner – sind wir für ihre sorgfältige und äußerst engagierte Arbeit zu großem Dank verpflichtet. Die historische Analyse ermöglicht uns, auch einen Blick in die Zukunft zu werfen. Überlegungen dazu sollen im März-Heft der Pneumologie, das zum Kongress in Hannover erscheint, aufgezeigt werden. Dringend erwünscht und notwendig bei der Gestaltung der künftigen Aufgaben sind die Mitglieder; wir sind froh, dass sich diese so aktiv engagieren. So freuen wir uns auf die nächsten hundert Jahre und hoffen, dass DGP und deutsche Pneumologie weiterhin blühen mögen.

Prof. Dr. Claus Vogelmeier
Präsident

Prof. Dr. Helmut Teschler
Past-Präsident

Literatur

  • 1 Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin .100 Jahre DGP – 100 Jahre deutsche Pneumologie. Heidelberg; Springer 2010
  • 2 Beske F, Katalinic A, Peters E, Pritzkuleit R. Morbiditätsprognose 2050. Ausgewählte Krankheiten für Deutschland, Brandenburg und Schleswig-Holstein. Kiel; Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung 2009
  • 3 Loddenkemper R, Dierkesmann R, Konietzko N, Kropp R, Wiesner B, Seehausen V. 100 Jahre DGP – 100 Jahre deutsche Pneumologie.  Pneumologie. 2010;  64 7-17

Prof. Dr. Claus Vogelmeier

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
Universitätsklinikum Gießen und Marburg

Baldingerstraße
35043 Marburg

Email: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de

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