RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0029-1245437
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Röntgens merkwürdige Bestellung – ein Beitrag zur Entdeckungsgeschichte der Röntgenstrahlen
Röntgen’s Strange Order – a Contribution to the History of the Discovery of Röntgen RaysPublikationsverlauf
eingereicht: 14.12.2009
angenommen: 20.4.2010
Publikationsdatum:
25. Mai 2010 (online)
Zusammenfassung
Röntgen hat über die Umstände, die ihn zu seiner Entdeckung der „neuen Strahlen” führten, wenig mitgeteilt. Damit waren Spekulationen und Vermutungen Tür und Tor geöffnet. Als Beitrag zu einer seriösen wissenschaftshistorischen Analyse wird hier ein bisher unbeachtet gebliebener Brief vorgestellt. Es handelt sich um eine Bestellung sehr dünner Kristallschliffe. Datiert vom 15.11.1895 muss der Brief als die früheste dokumentierte Äußerung Röntgens unmittelbar nach der ersten Wahrnehmung der neuen Strahlen am 8.11.1895 gelten. Er scheint auf eine herausgehobene Rolle der von Philipp Lenard, Nobelpreisträger von 1905, entworfenen und von Louis Müller-Unkel geblasenen Kathodenstrahlröhre bei der Entdeckung der neuen Strahlen zu verweisen. Das stünde zumindest teilweise im Widerspruch zu einer auf die Würzburger Bestellkorrespondenz Röntgens gestützten Analyse, die der Autor et al. vor einigen Jahren veröffentlichten. So erlaubt die nunmehr vervollständigte (?) Bestellkorrespondenz Röntgens einen einigermaßen verlässlichen Schluss auf Röntgens Intentionen in dieser folgenreichen Zeit. Der Autor fand das Autograf als Bestandteil der Sammlung Darmstaedter in der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Berlin.
Abstract
Due to the fact that Röntgen never reported the details of the discovery of his ”new rays”, he left the door open for speculative interpretations. As a contribution to a serious analysis of the history of Röntgen’s discovery, this paper presents a previously unnoticed letter relating to an order of a number of very thin crystalline absorbers. The addressee is unfortunately unknown. The letter is dated November 15, 1895. Therefore, this letter must be considered to be the first well documented remark made by Röntgen after seeing the earliest indications of the new rays only one week earlier. The order seems to emphasize the role of a particular type of cathode ray tube developed by Philipp Lenard, Nobel Prize winner of 1905, and manufactured by the glassblower Louis Müller-Unkel in the discovery of the new radiation. It partly contradicts an analysis based on Röntgen’s order book from Würzburg made by the author et al. some years ago. Completed by the document presented here, Röntgen’s order correspondence allows some insight into Röntgen’s intentions during this productive period. The autograph was found at Staatsbibliothek Berlin, Sammlung Darmstaedter, by the author.
Key words
history - cathode ray tubes - gas discharge experiments - Hittorf tubes - Philipp Lenard - Louis Müller-Unkel
Literatur
- 1 Röntgen W C. Ueber eine neue Art von Strahlen (Vorläufige Mitteilung). Sitzungsberichte der physikalisch-medicinischen Gesellschaft zu Würzburg 1895; 132 – 141. Auch in: Annalen der Physik und Chemie. 1898; 64 1-11
- 2 Dörfel G, Hübner K, Landwehr G. Vakuumröhren für Röntgen – Zum 150. Geburtstag des Glasbläsers Louis Müller-Unkel. (Berliner Berichte zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik Bd. 30). Berlin u. Liebenwalde: ERS-Verlag; 2003
-
3 Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Sammlung Darmstaedter, Sign. F 1e 1896 („Röntgen, Wilhelm Conrad”), Brief v. 15. Nov. 1895.
- 4 Lenard P. Über Kathodenstrahlen in Gasen von atmosphärischem Druck und im äussersten Vakuum. Sitzungsberichte der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1893 1. Halbband: 3 – 7
- 5 Lenard P. Ueber Kathodenstrahlen in Gasen von atmosphärischem Druck und im äussersten Vacuum. Annalen der Physik und Chemie. 1894; 51 225-267 , Tafel IV, Fig. 1 – 12
- 6 Lenard P. Über Kathodenstrahlen, Nobelvorlesung gehalten in öffentlicher Sitzung der Schwedischen Akademie der Wissenschaften zu Stockholm am 28. Mai 1906. Leipzig: Johann Ambrosius Barth, 1906; Berlin: Walter de Gruyter; 1920
- 7 Stark J. Zur Geschichte der Entdeckung der Röntgenstrahlen. Physikalische Zeitschrift. 1935; 36 280-283
- 8 Schmidt F. Über die von einer Lenard-Fensterröhre mit Platinansatz ausgehenden Röntgenstrahlen. Physikalische Zeitschrift. 1935; 36 283-288
- 9 Lenard P. Laborbuch E 17, Versuch 102. Archiv des Deutschen Museums München, Nachlass Lenard; 25. Jan. 1896
- 10 Dörfel G, Hübner K, Landwehr G. Röntgens frühe Gasentladungsexperimente im Lichte bisher unveröffentlichter oder unbeachteter Korrespondenzen und Niederschriften. In Wessel H A, (ed.) Jahrhunderte der Hochspannung.. Berlin u. Offenbach: VDE Verlag; 2004
-
11 Deutsches Museum München .Archiv, Nachlass Lenard, Sign. 009 / 43.
- 12 Glasser O. Wilhelm Conrad Röntgen und die Geschichte der Röntgenstrahlen. Berlin u. Heidelberg: Springer; 1995: 4
- 13 Otremba H, Gerlach W. Wilhelm Conrad Röntgen – Ein Leben im Dienste der Wissenschaft. Würzburg: Echterhaus; 1965: 51
- 14 Röntgen W C. Eine neue Art von Strahlen (II. Mitteilung). Sitzungsberichte der physikalisch-medicinischen Gesellschaft zu Würzburg 1896; 11 – 19. Auch in: Annalen der Physik und Chemie. 1898; 68 12-17
Prof. Günter Dörfel
Forschungstechnik, Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden
Postfach 270 116
01171 Dresden
Telefon: ++ 49/3 51/4 65 95 05
Fax: ++ 49/3 51/4 65 95 90
eMail: guenter_doerfel@web.de