Rofo 2010; 182(7): 563-564
DOI: 10.1055/s-0029-1245467
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Myomembolisation in Deutschland: unbekannt, ungenutzt, ungewollt?

T. J. Kröncke
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Publikationsdatum:
18. Juni 2010 (online)

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In den westlichen Industrienationen ist der Uterus myomatosus die häufigste Indikation zur Gebärmutterentfernung. Von den jährlich etwa 129 000 in Deutschland durchgeführten Hysterektomien bei benigner Grunderkrankung erfolgten nach Angaben der Bundesstelle für Qualitätssicherung (BQS-Bundesauswertung 2007) mehr als 64 % aufgrund eines Uterus myomatosus. 1995 publizierte der Pariser Gynäkologe Ravina seine verblüffenden Erfahrungen mit einem nicht operativen Verfahren, welches unter dem Begriff Uterine Artery Embolisation (UAE) oder Uterine Fibroid Embolisation (UFE) schnelle Verbreitung insbesondere in Frankreich, USA und Großbritannien fand [1]. Die Partikelembolisation der uterinen Arterien und der hierüber versorgten Uterusmyome, so wiesen Ravina et al. in ihrer im Lancet publizierten Studie nach, führte zu einer eindrucksvollen Besserung myombedingter Blutungsbeschwerden, sodass die Mehrzahl der ursprünglich für eine Myomektomie vorgesehenen Patientinnen keiner weiteren Therapie bedurfte.

Seit nun mehr als 10 Jahren bestehen auch in Deutschland Erfahrungen mit der Uterusarterienembolisation (UAE, Myomembolisation) als Behandlungsoption zur Therapie des symptomatischen Uterus myomatosus, welche ihren Niederschlag in zahlreichen Publikationen unter anderem in der Röntgenstr Fortschr fanden [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]. Wohl kaum ein anderes interventionell-radiologisches Verfahren steht auf einem so soliden Fundament evidenzbasierter Literatur wie die Myomembolisation. Nahezu alle Aspekte des Verfahrens, von der Evaluation unterschiedlicher Embolisationspartikel, über Strahlenexposition, Nebenwirkungen und Komplikationen bis hin zu den wichtigen Erfolgsparametern Symptomkontrolle, Lebensqualität und Rezidivfreiheit im Langzeitverlauf wurden einer kritischen Überprüfung unterzogen. Mehr noch: Die Ergebnisse von Ravina konnten in unzähligen Fallserien und Vergleichsstudien bestätigt, die Effektivität und Sicherheit der Myomembolisation in kontrollierten randomisierten Studien wie dem Randomized Trial of Embolization versus Surgical Treatment for Fibroids (REST) im Vergleich zu Hysterektomie und Myomektomie belegt werden [11].

Während in den USA die Myomembolisation ausdrücklich und dediziert in den Empfehlungen der gynäkologischen Fachgesellschaft als eine zu den operativen Verfahren alternative Therapieoption des Uterus myomatosus genannt wird, vermisst man eine solch klare Stellungnahme in Deutschland [12]. Die Mehrzahl der Patientinnen erfährt auch heute nicht über den Frauenarzt, sondern durch eigene Recherche im Internet, Mundpropaganda oder Presse von der Alternative Myomembolisation. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Unwissenheit, Skepsis oder schlichte Ignoranz „der anderen Fachdisziplin” sind nicht alleinige Ursache des geringen Verbreitungsgrads der Myomembolisation in Deutschland. Als mehrheitlich in Krankenhäusern angesiedelte Interventionelle Radiologen fehlt uns vielfach der „direkte Draht” zu Patientinnen und Patienten, wie er für andere Fachdisziplinen selbstverständlich ist. Für die Interventionelle Radiologie hat dies jedoch gravierende Folgen: Sie ist außerhalb der Klinikmauern quasi nicht existent. Nun wird sich auch zukünftig an diesem Standortnachteil wenig ändern. Umso mehr gilt es, alle Mittel zu nutzen, interventionell-radiologische Verfahren bekannt zu machen und ins richtige Licht zu rücken. Exemplarisch sei hier das Internet genannt, welches die Möglichkeit bietet, Informationen in Form von Texten, Bildern und Filmen 24 Stunden am Tag bereitzustellen und gleichzeitig einen Weg der Kontaktaufnahme für Patientinnen und Patienten darstellt. Die Deutsche Röntgengesellschaft unterstützt diesen Ansatz mit der Internetseite www.myomembolisation.org, auf welcher neben Informationen zur Myomembolisation auch die Möglichkeit besteht, mittels eines Klinikfinders jene Kliniken in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu finden, welche die Myomembolisation anbieten.

Sichtbarkeit nach innen wie außen bedeutet allerdings auch, dass eigene Profil gegenüber anderen Fachdisziplinen zu schärfen. Die Erstellung von Behandlungsstandards und Empfehlungen ist hier ein wichtiger Baustein, der die eigene Fachkompetenz untermauert und gleichzeitig die Qualität interventionell-radiologischer Eingriffe weiterentwickelt. Unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) traf sich auf Initiative aus der Charité am 15. Januar eine aus 13 Radiologen und 13 Gynäkologen zusammengesetzte Expertengruppe, um eine Bewertung der Myomembolisation auf Basis der aktuellen Literatur, international publizierter Empfehlungen und eigener Erfahrungen vorzunehmen. Das seit 2005 nunmehr III. Konsensuspapier „Uterusarterienembolisation (UAE) zur Myombehandlung” wird erstmals von Gynäkologen und Radiologen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich gemeinsam getragen und versteht sich als kritische Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlung [13]. Ein solcher kontinuierlicher interdisziplinärer Dialog über ein Behandlungsverfahren ist ungewöhnlich. Welche andere Disziplin diskutiert offen über eine Therapie, die nur sie alleine durchführt? Die Interventionelle Radiologie sollte aber den Dialog über ihre Verfahren nicht scheuen. Wer erfolgreiche Behandlungsmethoden in Konkurrenz zu Operation oder medikamentöser Therapie propagiert, darf Diskussionen und auch Konflikten nicht aus dem Weg gehen. Interdisziplinarität und klinische Partnerschaft finden allerdings dort ihre Grenzen, wo mittels selektiver Patienteninformation oder Kontrolle der Zuweisung Therapiehoheit durchgesetzt wird. Leider wird auch 10 Jahre nach Einführung der Myomembolisation vielen Frauen diese minimalinvasive Therapiealternative verschwiegen oder vorenthalten. Wer nun jedoch glaubt, es seien vornehmlich die äußeren Zwänge, die die Verbreitung und Anwendung interventionell-radiologischer Therapien behindern, der irrt. Vielerorts wird allzu sehr an althergebrachten und bequemen Strukturen der Leistungserbringung auf Zuruf festgehalten. Hier muss ein Umdenken im Selbstverständnis Interventioneller Radiologen stattfinden: Wir müssen weg vom Interventionalisten mit Auftragsschein, dem „hired gun”, wie es so treffend im angloamerikanischen Sprachraum heißt, hin zur Rolle des klinischen Partners auf Augenhöhe mit direktem Kontakt zu jenen, die von unseren minimalinvasiven Eingriffen profitieren, den Patienten [14]. Für die Myomembolisation bedeutet dies, sich auf eine longitudinale Patientenbetreuung von Beratung über Therapie bis Nachsorge einzulassen. Die Erfahrung der vergangenen 10 Jahre hat gezeigt, dass mehr als jede Evidenz, die Sichtbarkeit und das Selbstverständnis des Interventionellen Radiologen über den Erfolg der Myomembolisation entscheidet.

Literatur

PD Dr. med. Thomas J. Kröncke MBA

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