Klin Monbl Augenheilkd 2010; 227(8): 603-604
DOI: 10.1055/s-0029-1245634
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue Aspekte zur Kataraktoperation und modernen Kunstlinsenimplantation

New Aspects for Cataract Surgery and Intraocular Lens ImplantationT. Kohnen1
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Publication Date:
12 August 2010 (online)

In dieser Augustausgabe der Klinischen Monatsblätter für Augenheilkunde möchten wir Sie das erste Mal mit dem Schwerpunkt „Katarakt und Linse” bekannt machen, welcher sich in den Reigen der Schwerpunktthemen einfügt.

Da die Trübung der menschlichen Linse die weltweit am häufigsten auftretende Ursache für eine Erblindung ist, widmen sich Augenärzte und Forscher seit Jahrhunderten ihrer Therapie. Ursache und Genese der Linsentrübung stehen seit Langem im Interesse der ophthalmologischen Forschung, jedoch wurde erst mit der Einführung der künstlichen Linse eine effektive und optisch wirksame Therapie des grauen Stares möglich [1]. Mit diesem Schwerpunktthema in den Klinischen Monatsblättern „Katarakt und Linse” möchten wir Ihnen einen Überblick zur aktuellen Behandlung des grauen Stares mithilfe von modernster Anästhesie- und Operationstechniken sowie moderner Kunstlinsen geben.

Wie bei jedem chirurgischen Eingriff werden nach der Vorbereitung zur Operation die Betäubungsmöglichkeiten evaluiert. Nachdem noch in den beiden letzten Dekaden die retro- bzw. später die peribulbäre Anästhesie die Methoden der Wahl waren, hat sich bei vielen Ophthalmochirurgen die topische Anästhesie für den Katarakteingriff durchgesetzt. Besonders die Addition von topischen Verfahren mit intrakameraler Anästhesie steht heute im Vordergrund der modernen Kataraktchirurgie. In einem Übersichtsartikel beleuchten Pham und Mitarbeiter die Entwicklung der topischen Anästhesie, die Pharmakologie und die Pharmakogenetik der verwendeten Lokalanästhetika am vorderen Augenabschnitt sowie die Wirksamkeit und Sicherheit der Anästhesieverfahren (topisch, subkonjunktival, intrakameral). Da Anästhesieverfahren vor allem bei der Kataraktchirurgie sehr unterschiedlich angewendet werden, müssen die zu operierenden Patienten ausführlich über die geplante Anästhesieform, deren mögliche Risiken und Komplikationen als auch über alternative Verfahren aufgeklärt werden. In der topischen Anästhesie stellt besonders die Tropf-/Gelanästhesie plus intrakameraler Anästhesie heute ein effektives und sicheres Verfahren in der modernen Kataraktchirurgie dar. Für Kataraktpatienten, die in über 50 % mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen zur Operation kommen, ist diese neue Anästhesieform eine willkommene Verbesserung, jedoch darf die anästhesiologische Betreuung im Vorfeld, während der Operation sowie in der unmittelbaren postoperativen Phase nicht vernachlässigt werden.

Neuartige Kunstlinsen (sog. Premium-Intraokularlinsen) beinhalten asphärische, torische, bifokale und akkommodative Sonderlinsen. Gerade bei diesen hochwertigen optischen Systemen ist aufgefallen, dass eine Dezentrierungsanfälligkeit besteht. Zentrierung und Positionsstabilität von Intraokularlinsen (IOL) sind entscheidende Faktoren für die optische Qualität und die Vorhersagbarkeit des Ergebnisses nach IOL-Implantation. Dies gilt im Besonderen für die genannten Premium- oder Sonderlinsen als auch für die neuartigen IOL für die mikroinzisionale Kataraktchirurgie (MICS) mit Inzisionen um ca. 2 mm. Die fortwährenden Weiterentwicklungen der IOL-Materialien und Designs sowie der Operationstechniken und Messmethoden tragen zur Optimierung der Korrektur des pseudophaken Auges bei und verbessern das Verständnis für die IOL-Position. Baumeister et al. zeigen in ihrer Übersichtsarbeit, wie moderne IOL bei der Implantation in den Kapselsack an Positionsstabilität gewonnen haben und so bezüglich dieses Faktors vergleichbar mit der natürlichen kristallinen Linse geworden sind.

Die Erkenntnis, dass Licht zu phototoxischen Schäden an der Netzhaut führen kann, hat schon vor vielen Jahren sog. UV-Licht absorbierende IOL zum Standard in der Kataraktchirurgie werden lassen. Dieses Wissen wurde erweitert durch die Tatsache, dass blaues Licht (400 – 500 nm) in experimentellen Untersuchungen ebenfalls zu Veränderungen an retinalen Zellen geführt hat. Basierend auf dieser Erkenntnis wurden die sog. gelben Blaufilterlinsen entwickelt, die mittlerweile in den Alltag Einzug gehalten haben. Da es auch kritische Stimmen zum Einsatz dieser Kunstlinsen aufgrund von potenziellen Beeinträchtigungen des zirkadianen Rhythmus, des Dämmerungssehens und des Farbsehens gibt, erlaubt der Übersichtsartikel von Augustin eine Bestandsaufnahme sowohl über biochemische und physiologische Hintergründe als auch über die aktuelle Datenlage der Blaufilterlinsenimplantation. Es wird eine gemeinsame Betrachtung der vier Faktoren Lipofuszin, Melanin, biochemische Adaptation und Makulapigment einerseits und altersbedingte Linsenveränderung andererseits zum besseren Verständnis der Thematik durchgeführt. Im zweiten Teil der Arbeit werden die relevanten epidemiologischen Studien, die für und wider die Implantation der Blaufilterlinsen sprechen, ausführlich diskutiert. Der Autor hält fest, dass nach derzeitiger Datenlage Blaufilterlinsen die Mehrzahl der angesprochenen Parameter nicht relevant negativ beeinflussen, andererseits eine genaue und wissenschaftlich begründete epidemiologische Datenmaterialaufarbeitung bzw. Untersuchung zweifelsfrei zeigt, dass die Blaufilterlinsentechnologie tatsächlich einen Schutz vor der Entstehung einer AMD (altersbedingten Makuladegeneration) bzw. eine Konversion von Hochrisikotypen in eine feuchte AMD bewirken kann. Aufgrund der experimentellen sowie der indirekten Hinweise wird man wohl hinter die Effektivität der Blaufilterlinsen ein Fragezeichen setzen müssen, allerdings konnten bis dato auch keine massiven Schäden nachgewiesen werden.

Eine weitere Herausforderung ist die genaue Vorhersagbarkeit des Refraktionsergebnisses nach Einsatz von Sonderlinsen/Premium IOL, da der Erfolg dieser IOLs in den meisten Fällen auf Emmetropisierung beruht. Nach einer durchgeführten Excimerlaser-Behandlung ist die Berechnung der Kunstlinse erschwert. Die Änderung der Hornhautradien und des Keratometrieindexes sowie die fehlerhafte Vorhersage der postoperativen IOL-Position nach refraktiver Hornhautchirurgie wurden als Fehlerquellen für eine reduzierte Vorhersagbarkeit ermittelt. Rabsilber et al. stellen in ihrer Arbeit zwei unterschiedliche Methoden oder Prinzipien dar, nämlich solche, welche auf ursprüngliche refraktive biometrische Daten zurückgreifen bzw. zurückgreifen können und solche, welche aktuelle Messwerte heranziehen, um auf Basis von verbesserter Diagnostik die IOL-Kalkulation zu optimieren. Schon allein die Anzahl der in dem vorgelegten Artikel erwähnten Methoden lässt erahnen, dass bisher noch keine perfekte Lösung gefunden wurde. Allerdings muss der klinisch tätige Augenarzt, der sich mit Kataraktextraktion auseinandersetzt, diese Thematik kennen, da immer häufiger Patienten nach refraktiver Hornhautchirurgie mit der Entwicklung eines grauen Stares und dessen operativer Therapie aufwarten.

Zu guter Letzt wird aus der Reihe von kombinierten Operationen wie z. B. Katarakt und Glaukom oder Katarakt und Hornhaut das Thema der kombinierten Katarakt- und vitreoretinalen Chirurgie für den Leser aufgearbeitet. Da viele vitreoretinale Erkrankungen gleichzeitig und gehäuft mit der Entstehung eines grauen Stares auftreten, stellt sich die Frage, ob diese beiden Erkrankungen kombiniert oder sequenziell in einem zweizeitigen Verfahren durchgeführt werden sollen. Das Ziel der Übersichtsarbeit der Autoren aus München und Frankfurt ist es, die Vor- und Nachteile eines ein- oder zweizeitigen Vorgehens darzustellen und in Abhängigkeit der jeweiligen Grunderkrankung einen praxisorientierten Leitfaden zur Erleichterung der Indikationsstellung eines kombinierten Verfahrens (Katarakt- und vitreoretinale Chirurgie) anzubieten.

Diese fünf Artikel im ersten Schwerpunktthemenheft „Katarakt und Linse” stellen für den Leser einen guten Einstieg in die Thematik dar. Wir erhoffen uns, mit den dargestellten Inhalten sowohl zum Wissen als auch zu einer verbesserten Behandlung unserer Patienten beigetragen zu haben.

Prof. Dr. T. Kohnen

Literatur

  • 1 Kohnen T, Baumeister M, Kook D et al. Kataraktchirurgie mit Implantation einer Kunstlinse.  Dtsch Arztebl. 2009;  106 695-702

Prof. Dr. Thomas Kohnen

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