Klin Monbl Augenheilkd 2011; 228(7): 639-640
DOI: 10.1055/s-0029-1245751
Der interessante Fall

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bilaterale Visusminderung bei einem Patienten mit Gewichtsverlust und neurologischen Symptomen

Bilateral Vision Loss in a Patient with Weight Loss and Neurologic SymptomsA. La Mancusa, J. Rech, T. Harrer, H. Knorr, A. Bergua
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Publication History

Eingegangen: 22.4.2010

Angenommen: 10.9.2010

Publication Date:
30 March 2011 (online)

Anamnese und Befund

Ein 52-jähriger Patient wurde uns konsiliarisch mit der Verdachtsdiagnose einer rezidivierten CMV-Retinitis vorgestellt. Er befand sich seit über einem Jahr unter systemischer Steroidtherapie bei vermuteter Sarkoidose aufgrund nachgewiesener nicht verkäsender Granulome der inguinalen Lymphknoten. Trotz dieser Therapie verschlechterte sich der neurologische Status des Patienten, er wirkte seit einigen Tagen zunehmend lethargisch, somnolent und desorientiert, sodass von einem Übergang in eine Neurosarkoidose ausgegangen wurde.

Der internistische Aufnahmebefund zeigte einen Patienten im reduzierten Allgemein- und Ernährungszustand (68 kg Körpergewicht, 185 cm Körpergröße). Er klagte über starke Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule sowie in den Hüftgelenken. Es wurde ein Gewichtsverlust von 20 kg innerhalb weniger Monate angegeben, ohne bestehende B-Symptomatik. Zudem sei dem Patienten seit ca. 3 Monaten ein beidseitiges „verschwommenes Sehen” aufgefallen.

Die Augenanamnese ergab, dass er 6 Jahre zuvor aufgrund einer beidseitigen retinalen CMV-Vaskulitis mit Begleitpapillitis und zystoidem Makulaödem therapiert wurde. Bei nachgewiesener CMV-DNA im Liquor wurde eine systemische Therapie mit Ganciclovir angesetzt. Darunter kam es zu einer vollständigen Remission der morphologischen und funktionellen ophthalmologischen Befunde (Visusanstieg von 0,3 auf 0,8 beidseits).

Die aktuelle ophthalmologische Befunderhebung am Bett ergab einen Visus rechts von Handbewegung und links von 1 / 35 Lesetafel. Bei palpatorisch normotoner Tensio und reizfreiem vorderen Augenabschnitt konnte man funduskopisch beidseits eine Glaskörperhämorrhagie mit dichter Glaskörperinfiltration erkennen. Die Netzhaut war beidseits – echografisch dargestellt – allseits anliegend. Die laborchemische Blutuntersuchung ergab eine normochrome, normozytäre Anämie, Hypoalbuminämie sowie einen deutlich erhöhten CRP-Wert (144 mg/l (Normwert < 5 mg/l)). In der Liquorpunktion fanden sich eine erhöhte Eiweißkonzentration (63,2 mg/dl), ein verminderter Glukosegehalt (35,3 mg/dl), eine erhöhte Zellzahl (Erythrozyten 9 /µl, Leukozyten 12 /µl) sowie eine Aktivität der Lactatdehydrogenase von 32 U/l. Die immunologischen Parameter lagen im Normbereich, die Serologie, Virologie und Mikrobiologie waren unauffällig.

Die bildgebende Diagnostik (Röntgen- und CT-Thorax, Beckenübersicht, Schädel-MRT, MRT der HWS/BWS, transösophageale Echokardiografie) ergab keinen Anhalt für einen entzündlichen oder tumorösen Prozess. Es zeigten sich lediglich unspezifische degenerative Veränderungen mit Sinterungsfrakturen an den Brustwirbelkörpern 7, 9, und 12.

Aufgrund der unklaren Ätiologie der hinteren Uveitis wurde eine diagnostische Pars-plana-Vitrektomie am rechten Auge durchgeführt mit mikrobiologischer, virologischer und pathologischer Aufarbeitung des Glaskörperaspirats. Intraoperativ ließen sich keine Netzhautdefekte erkennen; die allseits anliegende Netzhaut wirkte gräulich, atrophisch bei vital erscheinender Papille. Nachdem sich weder in den mikrobiologischen Färbungen noch in den Kulturen Befunde ergaben, konnte aus dem Glaskörperaspirat mittels PCR-Analyse bakterielle Nukleinsäure nachgewiesen werden. In der Sequenzanalyse der amplifizierten Nuleinsäure zeigte sich eine geringe Menge bakterieller 16 s-rDNA von Tropheryma whipplei. Bei einer retrospektiven (nested) PCR-Untersuchung zweier Liquorproben des Patienten konnte allerdings keine T.-whipplei-DNA nachgewiesen werden. Die durchgeführten Darmbiopsien blieben ebenfalls ohne weiteren Nachweis von T. whipplei. Die Diagnose eines Morbus Whipple mit ZNS-Beteiligung konnte aber aufgrund der Klinik sowie der nachgewiesenen T. whipplei DNA aus dem Glaskörperaspirat gestellt werden.

Literatur

  • 1 Fenollar F, Puèchal X, Raoult D. Whipple’s Disease.  N Engl J Med. 2007;  356 55-66
  • 2 Schrenk M, Metz K, Heiligenhaus A et al. Augenbeteiligung bei Morbus Whipple.  Klin Monatsbl Augenheilkd. 1994;  204 538-541
  • 3 Armin von U, Caspary W. F.  Morbus Whipple. Infektiologie des Gastrointestinaltraktes. 2006;  Teil VI 199-205
  • 4 Marth T. New Insights into Whipples’s Disease – A Rare Intestinal Inflammatory Disorder.  Dig Dis. 2009;  27 494-501
  • 5 Dutly F, Altwegg M. Whipple’s Disease and „Tropheryma whippelii”.  Clinical Microbiology Reviews. 2001 Juli;  14 (3) 561-583

Antonia La Mancusa

Augenklinik mit Poliklinik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen

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