manuelletherapie 2011; 15(1): 2
DOI: 10.1055/s-0029-1246066
Leserbrief

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Leserbrief zu: Lüdtke K. Diskussion zum Direct Access

L. Hirthe
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. Februar 2011 (online)

manuelletherapie 2010; 14: 193 – 194

Zuerst möchte ich mich als Leser für die außerordentlich interessante Dezemberausgabe der manuelletherapie bedanken. Ich bin mir sicher, dass der Direct Access (DA) von den meisten Physiotherapeuten gewollt ist, und ich bin überzeugt, dass er kommen wird. Meiner Meinung nach sind hierbei 4 Fragen bzw. Aspekte von besonderer Bedeutung:

1. Sind deutsche PT ausreichend darauf vorbereitet?

Die Studie von Herrn Dr. C. Beyerlein zeigte eindrucksvoll die vorhandenen Lücken auf [1]. Deutsche Physiotherapeuten haben einen Nachholbedarf.

2. Wie erfolgt die Umsetzung des DA?

Weder kann man von allen Physiotherapeuten eine OMT-Ausbildung, noch einen sektoralen oder generellen Heilpraktiker verlangen. Der Heilpraktiker bzw. sektorale Heilpraktiker ermöglichen aber bis zu einem allgemeingültigen DA das rechtlich abgesicherte Behandeln ohne ärztliche Verordnung. Auch wenn die Differenzialdiagnostik in Ausbildung, Studium und Fortbildung mehr Gewicht bekommen sollte, stellt sich die Frage, ob nicht ein standardisierter Screening-Bogen wie der der Zukunftsinitiative Physiotherapie (ZIPT) mit entsprechender Unterweisung ausreicht [2]. Das adäquate Erkennen von Risikofaktoren stellt vielleicht die wichtigste Hürde am Anfang des Weges hin zum DA dar.

3. Unter welchen Bedingungen sollte ein DA erfolgen?

Obwohl die drei Heilmittelerbringer zusammen gerade einmal 3 % der Kosten im Gesundheitssystem ausmachen [3], werden Physiotherapeuten seit Jahren mit neuen Abrechnungshürden konfrontiert. Die Kassen dürften ein großes finanzielles Interesse am DA haben. Die demografische Entwicklung und der Ärztemangel im ländlichen Raum stellen ein weiteres Argument für den DA dar. Daher sollten die Physiotherapeuten diesen nicht nur mit Freude erwarten, sondern durchaus auch mit Forderungen verbinden. Hier seien z. B. die Vergütung und das Mitspracherecht genannt. Mehr Verantwortung und umfangreiche Dokumentation sollte auch mehr Geld bedeuten. Weiter sollten Physiotherapeuten (innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände, BHV) bei Verhandlungen über die Heilmittel mehr als nur Zaungäste sein dürfen. Diese Forderungen sollten von Anfang an Diskussionsbestandteil sein, um ein späteres, Jahre dauerndes Einklagen dieser relevanten Punkte zu vermeiden.

4. Risiken und Nebenwirkungen: Welche Gefahren könnte der DA beinhalten?

Der DA verlangt neben dem Erkennen von Risiken auch einen verantwortungsvollen Umgang mit den Kosten. Selbstbedienung durch die Therapeuten könnte sein schnelles Ende bedeuten. Hier ist besonders Kenntnis der aktuellen Evidenzlage gefragt. Dabei werden in Zukunft vor allem primär qualifizierende Studiengänge eine Rolle spielen.

Verändert sich durch den DA das Verordnungsverhalten der Ärzte in Form von mehr Zurückhaltung? Die Sanierung deren eigener Budgets könnte Physiotherapeuten dann Regresse bescheren. Die Kassen entledigen sich nämlich im Falle eines DA für Physiotherapeuten auch eines stärkeren Konfliktpartners.

Literatur

  • 1 Beyerlein C, Stieger A, Wietersheim von J. Erkennen deutsche Physiotherapeuten anhand von Fallbeispielen Risikofaktoren (Red Flags) für die Behandlung?.  manuelletherapie. 2010;  14 184-192
  • 2 Verband Physikalische Therapie (VPT) . Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung im 1.–3. Quartal 2010.  Physikalische Therapie in Theorie und Praxis. 2011;  32 5-6
  • 3 Zukunftsinitiative Physiotherapie (ZiPT) .AG-FCP. Sreeningbogen. http://www.zipt.de/images/fbfiles/SCR_beta_100823_1116.pdf [22.01.11]

Leander Hirthe, M.Sc., Phys., Manual- und Sportphysiotherapeut/Dozent

Weststr. 10

03149 Forst

eMail: Leander-Hirthe@t-online.de