physiopraxis 2010; 8(1): 17
DOI: 10.1055/s-0029-1246308
physiowissenschaft

Zervikale Radikulopathie – Effekt von HWS-Traktion fraglich

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Publication Date:
29 January 2010 (online)

 

Behandelt man Patienten, die an einer zervikalen Radikulopathie leiden, mit manuellen Techniken und aktiven Übungen, bewirken zusätzliche HWS-Traktionen keine weiteren Verbesserungen.

Zu diesem Ergebnis gelangten Ian Young vom physiotherapeutischen Department in Richmond, USA, und seine Kollegen. In einer Multicenterstudie untersuchten die Forscher, ob zusätzlich zu einer Basisbehandlung durchgeführte intermittierende zervikale Traktionen Auswirkungen auf die Schmerzen, Funktion und Einschränkungen von Patienten mit zervikaler Diskopathie haben. Dazu teilten sie 81 Probanden per Zufall in zwei Gruppen ein. Beide Gruppen erhielten Manuelle Therapie und Übungen. Die eine Gruppe bekam zusätzlich pro Behandlung 15 Minuten Traktionen an der HWS. Dabei lagen die Patienten auf dem Rücken, ihre HWS war etwa 15° flektiert. Die angewendete Traktionskraft lag zwischen neun und 15 Kilogramm. Die restlichen Probanden erhielten in der gleichen Zeit Scheintraktionen, bei denen die Zugkraft deutlich geringer war. Die Anwendungen fanden über rund vier Wochen jeweils zweimal wöchentlich statt. Ergebnisparameter waren unter anderem eine numerische Schmerzskala, eine patientenspezifische Funktionsskala sowie der Neck Disability Index. Die Forscher erhoben die Daten zu Beginn der Studie sowie nach zwei und vier Wochen.

Young und sein Team stellten zwar nach vier Wochen bei allen Patienten eine signifikante Verbesserung der Ergebnisparameter fest, die Gruppen unterschieden sich jedoch nicht voneinander. Für zukünftige Studien empfehlen die Forscher unter anderem, zu überprüfen, ob Traktionen möglicherweise in einer anderen Dosis effektiv sind.

Kommentar

Bei Patienten mit einer zervikalen Radikulopathie auf manuelle Traktionen an der Halswirbelsäule zu verzichten, erscheint aufgrund der Resultate von Young und Kollegen sinnvoll. Jedoch stellt sich die Frage, inwieweit die verwendete Scheintraktion, die sich lediglich in ihrer Intensität von der anderen Traktion unterschied, die Symptomatik nicht auch beeinflusst und somit das Ergebnis verzerrt hat. Daneben bleibt zu überlegen, ob Therapeuten mit einer gehaltenen Traktion vielleicht ein anderes Ergebnis erzielen könnten als mit einer intermittierenden. Des Weiteren bleibt ungeklärt, inwiefern reine Traktionen ohne zusätzliche Interventionen die Beschwerden der Betroffenen beeinflussen würden. Es wäre sicherlich interessant, diese Überlegungen in weiteren Studien zu überprüfen.

Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse sollten Physiotherapeuten stets kritisch reflektieren, ob der Einsatz von Traktionen bei ihren Patienten tatsächlich zu einer Beschwerdelinderung führt.

Astrid Nedbal, BSc

Phys Ther 2009; 89: 632–642