Allgemeine Homöopathische Zeitung 2010; 255(4): 28
DOI: 10.1055/s-0030-1248343
Forum
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Personalia

  GebhardtKarl-Heinz
Further Information

Publication History

Publication Date:
28 July 2010 (online)

Nachruf
Dr. med. Paul Mössinger
(15.09.1914–22.02.2010)

Dr. med. Paul Mössinger

Einer der letzten großen Homöopathen hat uns für immer verlassen. Herr Mössinger war ein ganz besonderer Mensch, humanistisch gebildet, hoch musikalisch und tief religiös. So studierte er zunächst Theologie, dann Mathematik und danach Medizin. Schon bald entdeckte er seine Liebe zur Homöopathie, die er unter Stiegele am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart erlernte. Damals dominierte die naturwissenschaftlich-kritische Richtung, der er sich zeitlebens verbunden fühlte. Schon früh war es sein Ziel, der Homöopathie allgemeine Anerkennung zu verschaffen. Dazu musste sie wissenschaftlich abgesichert werden. Lange vor der Schulmedizin erkannte er, dass kontrollierte Studien für die Homöopathie nur wenig Wert haben, umso mehr aber solche, die das therapeutische Endergebnis berücksichtigen. Sie werden heute englisch als „Outcome-Studien” bezeichnet. Solchen Untersuchungen widmete er sich deshalb vorzugsweise. Dank seiner hervorragenden mathematischen Kenntnisse konnte er auch die dazu gehörenden biometrischen Rechnungen selbst durchführen. In seinem auch heute noch lesenswerten Buch „Der praktische Arzt als Fachmann für Erfahrung und Beobachtung” hat er seine bis heute gültigen Forschungsergebnisse genau beschrieben.

Getreu dem Ausspruch des Perikles: „Wir sehen in dem, der an öffentlichen Dingen keinen Anteil nimmt, nicht einen ruhigen Bürger, sondern einen unnützen Menschen”, den er einem seiner Bücher voranstellte, widmete er sich sehr intensiv der ärztlichen Standespolitik und analysierte vor allem die Ursachen für die Krise der gesetzlichen Krankenversicherung und des gesamten Gesundheitswesens. Bereits 1968 stellte er seine Ergebnisse mit Vorschlägen zur Lösung der Probleme in dem Buch „Sorgen um die Medizin” einer breiten Öffentlichkeit vor und nochmals 1978 mit dem Buch „So kann es nicht weitergehen”. Das war zu einer Zeit, als es den Ärzten finanziell noch gut ging und fast alle – einschließlich ihrer führenden Vertreter – die Augen vor dem herannahenden Unheil verschlossen. So erlitt er das Schicksal von Kassandra und blieb ein einsamer Rufer in der Wüste. Nachdem heute seine Voraussagen eingetroffen sind, ist der allgemeine Jammer groß. Eine einige und zu rationalem politischem Denken fähige Ärzteschaft könnte dennoch nach seinen heute noch gültigen Vorschlägen Wege aus der Krise finden!

Auch im Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte arbeitete er aktiv mit. Ich übernahm von ihm den Vorsitz im Landesverband Baden-Württemberg. Danach unterstützte er mich weiter wirksam im Vorstand und übernahm später die Leitung des wissenschaftlichen Beirats des ZV. In der Robert-Bosch-Stiftung war er viele Jahre beratend tätig und bemühte sich um den Erhalt der Homöopathie am Robert-Bosch-Krankenhaus, was leider aus personellen Gründen scheiterte.

Auch in seinem Ruhestand arbeitete Dr. Mössinger weiter. Er las den Urtext des Hippokrates, beschäftigte sich mit theologischen Studien. Daneben genoss er das Klavierspiel und seine zahlreichen Enkelkinder, treu umsorgt von seiner liebevollen und liebenswerten Ehefrau Dorothee, die ihm immer den Rücken für seine vielen Aktivitäten frei gehalten hat und nebenbei eine vorzügliche Köchin, Hausfrau und Mutter ist. Leider schränkten Alterskrankheiten in den letzten Lebensjahren seine Lebensqualität ein.

Er hat ein Werk hinterlassen, das weit in die Zukunft weist. Es betrifft sowohl die wissenschaftliche Absicherung der Homöopathie als auch die ärztliche Standespolitik. Um Erfolge auf diesen Gebieten zu haben, braucht man seine Klarheit des Denkens, eine große Zähigkeit, einen sehr langen Atem und einen unbesiegbaren Optimismus. Wenn wir diese Tugenden pflegen und damit energisch das Ziel ansteuern, werden wir sein Erbe richtig verwalten und schöpferisch weiterentwickeln. Das wäre sein letzter Wunsch an uns gewesen. Darum sollten wir uns bemühen!

Karl-Heinz Gebhardt