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DOI: 10.1055/s-0030-1249288
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Weiterbildung – Fit nach Acht – und das nicht nur für die Facharztprüfung!
Publication History
Publication Date:
22 February 2010 (online)
2008 hob er eine neue Art der "Weiterbildung" für Orthopäden und Unfallchirurgen aus der Taufe. Professor Wolf Mutschler, Direktor der chirurgischen Klinik der Universität München - Innenstadt, erläutert, was das Besondere an Fit after Eight ist.
Professor Dr. med. Wolf Mutschler
? Herr Mutschler, Sie bieten eine neue Veranstaltungsreihe an. Titel "Fit after Eight". Wieso erst abends nach acht Uhr?
(lacht) Nein, die Acht steht für die acht Module. Die komplette Weiterbildung hat acht Kursteile, jedes dauert zweieinhalb Tage, geht von Donnerstags abends bis Samstag und hat Platz für 80 Leute.
? Und wofür wird man fit gemacht?
Für den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie.
? Also für die Facharztprüfung, die man bestenfalls bereits nach sechs Jahren Weiterbildungszeit bei der Ärztekammer ablegen kann?
Indirekt ja. Es geht uns aber nicht so sehr um die Prüfung. Dafür gibt es etliche Vorbereitungskurse...
? Repetitorien.
Ja, meistens unmittelbar vor einer Prüfung und das wollen wir ganz bewusst nicht. Die sechs Jahre Weiterbildungszeit teilen sich ja auf in zwei Jahre der Basisausbildung, der so genannte common trunk für alle Chirurgen. Und danach vier Jahre in der Fachrichtung. Und wir wollen eine Chance bieten, während dieser vier Jahre berufsbegleitend einen umfassenden Einblick in das Fach zu bekommen.
? Ich müsste also im Zweifel auch noch zusätzlich ein Repetitorium belegen, um mir den Lehrbuchstoff vor der Prüfung rein zu klopfen?
Nein. Unser Anspruch ist, dass Sie sich nach acht Modulen die wirklich häufigen, wichtigen und lebensrettenden Dinge erarbeitet haben.
? In welcher Zeit kann man alle acht Module schaffen?
Sobald wir unsere Endausbaustufe erreicht haben, wollen wir jedes Modul einmal im Jahr anbieten. Theoretisch also in einem Jahr. Sinnvoll finde ich aber, die Module auf zwei bis drei Jahre zu verteilen. Und es ist zwar gut, sie der Reihe nach zu absolvieren, aber nicht zwingend. Man kann jederzeit ein- und aussteigen, jedes Modul hat ein abgeschlossenes Thema: Tumorerkrankungen, Rückenschmerzen und so fort..
? Wo finden die einzelnen Module statt?
Derzeit rotieren die Veranstaltungsorte. Wir rekrutieren die Leiter der Module aus unserer Coregroup. Und jeder Modulverantwortliche hat das Recht, den Kurs bei sich an der Klinik zu machen. Langfristig wäre es schön, eine noch zu schaffende DGOU-Akademie würde die Kurse anbieten, so weit sind wir aber noch nicht.
? Was kostet die Teilnahme?
Pro Modul sind es netto 280 Euro, das ist ein Selbstkostenpreis. Im Preis eingeschlossen sind Kursmaterialien, Verpflegung, aber nicht die Übernachtung.
? Jetzt werben Sie damit, dass Fit after Eight eine neue Form der Weiterbildung sei. Was ist neu?
Wir arbeiten in Gruppen und immer praxisorientiert an konkreten Fallbeispielen. So bieten wir zum Beispiel Aufklärungsgespräche oder Untersuchungen an, bei denen wir Patienten Krankheiten simulieren lassen.
? Ist das heute nicht eh schon Standard im Studium?
An der Uni ja. Aber in der Weiterbildung der Ärzte bislang eben nicht. Da dominiert immer noch der Frontalunterricht.
Angenommen, Sie wollen etwas über Infektionsprophylaxe und –therapie vermitteln. Dann können Sie drei Referenten einladen, jeder hält einen Vortrag, der eine über Infektionen, einer über Antibiotikatherapie, ein dritter über Hygienemethoden im OP. Drei Vorträge. Wir wissen aber, dass bei diesen Frontalvorlesungen bestenfalls zehn Prozent vom Stoff hängen bleibt.
Unser Lernziel lautet hingegen: Den Leuten beibringen, wie sie selber eine Infektion erkennen, dass sie wissen, wie Antibiotika wirken, welche einzusetzen sind und wie sich eine Infektion verhindern lässt, indem ich von Anfang an ein Paket von Hygienemaßnahmen schnüre. Das alles wird an einem reellen Fall gelernt. Am Ende haben Sie das Lernziel implizit erarbeitet, selber erarbeitet.
? Und abends stellen die Teilnehmer die Ergebnisse vor?
Zum Teil. Wir lassen nicht immer alles vorstellen, denn wir können den Vollständigkeitsanspruch nicht erfüllen. Es geht uns darum, die Kollegen dazu zu bringen, selber ihr Wissen zu erarbeiten und kompetent anzuwenden.
? Wenn ich in der konkreten Gruppenarbeit mit Fragen nicht weiter komme, was ist dann?
Da gibt es den inhaltlich und didaktisch geschulten Tutor, der moderieren wird. Oft zeigt sich, dass die nötige Kompetenz schon in einer Gruppe vorhanden ist, dass man sie nur kommunizieren muss. Jeder Tutor hat außerdem ein Vorbereitungsmanual, das ergänzende Informationen enthält.
? War Fit after Eight Ihre Idee?
Ja schon. Ich habe ab 2006 zwei Jahre gebraucht, um eine Arbeitsgruppe von heute gut 20 erfahrenen Chefärzten, aber auch Assistenten in der Weiterbildung und Medizindidaktikern zu bilden. Seit 2008 ist Fit after Eight am Start. Wir haben mittlerweile viele gute Konzepte entwickelt.
? Ein Beispiel?
Nehmen Sie die Vier-Schritt-Methode. Angenommen, jemand soll lernen, wie man ein künstliches Hüftgelenk implantiert. Dann ist der erste Schritt, dass man ihm solch eine Operation oder Teile davon in normalem Tempo vorführt. In Schritt zwei geht es darum, den Ablauf in einzelne Teilschritte zu zerlegen, zu dekonstruieren, und sie im Detail genau vorzustellen. Im dritten und entscheidenden Schritt wird jetzt der Auszubildende die Teilschritte ansagen, der Lehrer sie ausführen und im letzten Schritt führt der Auszubildende alles komplett vor. Diesen Ablauf können Sie als Trockenübung, aber auch am Patienten gestalten. Das ist erwiesenermaßen eine gute Technik, um jemandem praktische Fertigkeiten beizubringen. Doch findet das viel zu selten statt.
? Wie viele Weiterbildungsbefugte kennen sich grundsätzlich aus mit solchen Methoden?
Ich glaube, die meisten nicht. Es gibt keine offizielle Qualifikation. Die Prüfer bei den Ärztekammern schauen vor allem auf die Klinikstruktur und die Eingriffszahlen der Antragsteller. Damit wird allerdings letztlich nur die Strukturqualität geprüft, nicht die Ergebnisqualität.
? Was tun?
Ich fände einen Pflichtkurs über Lehrmethoden für Weiterbildungsbefugte sinnvoll. An der Uni müssen heute alle Professoren zum Glück ein Training für die Lehre nachweisen.
? Auch auf dem letzten DKOU beklagten Assistenten, dass sie in den sechs Jahren Mindestweiterbildungszeit die Zahl der vorgeschriebenen Eingriffe nicht schaffen.
Das ist oft so, ja.
? Was macht ein Assistent, wenn er am OP-Tisch zu selten zum Zuge kommt?
Der Weiterbildungsbefugte, meistens ist es ja der Klinikchef, ist dafür verantwortlich, sich um seine Leute zu kümmern. Ich glaube allerdings auch, man kommt mit den sechs Jahren einfach nicht hin.
? Wieso?
Die reguläre Arbeitswoche für Assistenten liegt heute unter 40 Stunden. Das war zu meiner Assistentenzeit viel mehr. Dahin will ich nicht zurück. Aber wir waren weniger Assistenten und hatten mehr Fälle zu operieren. Und auch wir, wenn ich zurückblicke, brauchten am Ende eher zehn Jahre, dass wir als junge Oberärzte selbstständig arbeiten konnten.
? Was raten Sie, wenn ich auf der Suche nach einer Stelle als Weiterbildungsassistent bin? Woran kann ich Qualität im Vorfeld erkennen?
Machen Sie eine Hospitation für ein paar Tage. Fragen Sie herum, wie das Betriebsklima ist und die Weiterbildung tatsächlich abläuft. In großen Kliniken sind dabei weniger die Chefs sondern oft die Oberärzte die entscheidenden Weichensteller.
? Wie geht es weiter mit Fit after Eight?
Derzeit nehmen regelmäßig so an die 50 Leute pro Modul teil, es dürfen also ruhig noch einige mehr sein.
Nebenbei: Auch Fachärzte sind willkommen, wir bieten pro Modul 27 CME-Punkte an.
? Schrecken die Kosten manche Interessenten ab?
Vielleicht im Einzelfall ja. Unserer Erfahrung nach erhalten aber zwei Drittel der Teilnehmer die Kosten von ihrer Klinik erstattet. Eine Chance wäre, Firmen als Sponsoren zu gewinnen, das hängt allerdings von einem Votum des Vorstands der DGOU ab.
? Würde das nicht neue, altbekannte Abhängigkeiten schaffen?
Warum? Wenn Form und Lernziele feststehen, sehe ich keine Gefahr der Manipulation. Im Gegenteil, Firmen könnten ja auch ihre Mitarbeiter zu uns zur Weiterbildung schicken. Sie würden dann etwas darüber lernen, wie Mediziner denken und an ein Problem herangehen.
Das Interview führte Dr. Bernhard Epping
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