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DOI: 10.1055/s-0030-1249297
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Typ-2-Diabetes – Risiko steigt schon bei normalem Nüchternblutzucker
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
26. Februar 2010 (online)
Bild: Jupiter Images
Das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, steigt bereits bei Nüchternblutzucker-Werten an, die als normal (< 100 mg/dl) bewertet werden. Dies ist das Ergebnis einer großen Bevölkerungsstudie, unter Führung von Hans-Georg Joost, dem wissenschaftlichen Direktor des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam, und Matthias Schulze von der Technischen Universität München. Die Studie könnte dazu beitragen, eine aktuelle Streitfrage unter Diabetologen zu klären. Die Forscher publizierten jetzt ihre Daten in der Fachzeitschrift Diabetic Medicine (Matthias Schulze et al.; 2009; DOI: 10.1111/j.1464-5491.2009.02919.x).
Bereits vor 6 Jahren hatte die Amerikanische Diabetes Gemeinschaft empfohlen, den Grenzwert für einen gestörten Nüchternblutzucker von 110 mg/dl auf den derzeit gültigen Wert von 100 mg/dl zu senken. Dabei orientiert sich der aktuelle Wert an bisherigen Forschungsergebnissen. Seit der Neuregelung im Jahr 2003 ist jedoch ein Streit unter den Experten entbrannt. Einige Mediziner halten den neuen Wert für zu niedrig, um Diabetes-Risikopersonen gezielt zu identifizieren. Wiederum andere plädieren dafür, jeglichen Schwellenwert zu streichen.
Um zur Klärung dieser Streitfrage beizutragen, werteten die Wissenschaftler um Joost die Daten einer 589 Personen umfassenden und nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Teilgruppe der prospektiven Potsdamer EPIC-Studie[1] aus. Alle Personen der Teilgruppe waren zum Zeitpunkt der Blutentnahme nüchtern. In einem Beobachtungszeitraum von 7 Jahren erkrankten 153 der Personen an einem Typ-2-Diabetes.
Die Forscher beobachteten eine nicht-lineare Beziehung zwischen den Nüchternblutzucker-Werten und dem Diabetesrisiko, wobei der Anstieg des Diabetesrisikos bereits im Normalbereich begann - ab einem Nüchternblutzucker-Wert von 84 mg/dl.
"Ein Wert, über dem das Diabetesrisiko deutlich ansteigt, könnte einen sinnvollen Schwellenwert darstellen. Würde man allerdings den Wert von 84 mg/dl als Grenzwert verwenden, so wäre der Anteil der Menschen, die fälschlicherweise als Risikoperson eingestuft würden, mit 86,8 % zu hoch. Der Wert wäre damit ungeeignet, um Hochrisiko-Personen zu identifizieren. Dagegen werden beim ehemaligen Schwellenwert von 110 mg/dl mehr als die Hälfte der Neuerkrankten nicht erkannt", sagt Schulze.
Nach der vorliegenden Studie liegt der statistisch optimale Cut-off bei einem Wert von 102 mg/dl. Dieser Wert kommt dem derzeitigen Grenzwert von 100 mg/dl sehr nahe. "Eine Klassifizierung nach dem derzeit festgelegten Grenzwert erscheint uns daher günstiger zu sein, um nicht zu viele Personen mit einem erhöhten Risiko von vornherein von Interventionsmaßnahmen auszuschließen", erklärt Schulze.
"Es geht uns nicht darum, einen großen Teil der Bevölkerung für ,krank` zu erklären, sondern darum, die notwendige Prävention sinnvoll anzuwenden", kommentiert Joost. "Da unsere Daten auch nahe legen, dass eine genauere Risikodifferenzierung über einen weiten Wertebereich des Nüchternblutzuckers möglich ist, sollte jeder präventiven Maßnahme eine ärztliche, detaillierte Risikobestimmung vorangehen. Hierfür könnte der von uns entwickelte Deutsche Diabetes-Risiko-Test[2] um die Variable ,Nüchternblutzucker` erweitert werden. Darüber hinaus wäre der Test auch zur Erfolgskontrolle von Präventionsmaßnahmen geeignet."
Pressemitteilung DIfE, 14.12.2009
01 Die Potsdamer EPIC (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition)-Studie mit mehr als 27 500 Studienteilnehmern/innen im Erwachsenenalter leitet Heiner Boeing vom DIfE. Sie ist Teil der Gesamt-EPIC-Studie. Die EPIC-Sudie ist eine prospektive, 1992 begonnene Studie, die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht. An der EPIC-Studie sind 23 administrative Zentren in 10 europäischen Ländern mit 519 000 Studienteilnehmern beteiligt.
02 Informationen zum erweiterten Deutschen Diabetes Risikotest finden Sie im Internet unter: http://www.dife.de/de/index.php?request=/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen.php