Z Orthop Unfall 2010; 148(4): 385-386
DOI: 10.1055/s-0030-1250249
Editorial

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Weiterbildung auf dem Prüfstand

Continuing Education under Test
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Publication Date:
16 August 2010 (online)

Der Nachwuchsmangel in den chirurgischen Fächern und darunter auch in Orthopädie und Unfallchirurgie wird offensichtlich. Eine Studie aus der Ruhr-Universität Bochum über die Zukunftspläne der Nachwuchsmediziner zeigt, dass unter annähernd 3800 befragten Medizinstudenten im ersten Semester noch 34,4 % in ein chirurgisches Fach und 11,2 % in die Orthopädie gehen wollen. Mit der PJ-Zeit kommt es zu einem dramatischen Rückgang des gewünschten Faches bei der Chirurgie von 34,2 auf 16,5 und bezüglich der Orthopädie von 11,2 auf 7,8 % [4]. Als wesentlicher Grund für die negative Grundeinstellung werden die Arbeitsbedingungen und ‐zeiten genannt, die offenbar insbesondere in den chirurgischen Fächern nachdrücklich auf die PJ'ler einwirken. Diese gefühlte Unzufriedenheit setzt sich auch bei den Weiterzubildenden fort: Bürokratie, Zeitdruck, hohe Arbeitsbelastung, diktatorische Vorgesetzte, mangelnde Anleitung, fehlendes Feedback, so heißt es, sind die wesentlichen Gründe dafür, dass sich junge Ärztinnen und Ärzte anderen Berufsfeldern zuwenden oder Deutschland ganz den Rücken kehren. Damit stehen ärztliche Ausbildung, ärztliche Weiterbildung und das Arztbild insgesamt auf dem Prüfstand, wie es der Marburger Bund anlässlich eines Symposiums im März 2009 in Marburg ausgedrückt hat.

Chirurgie heißt „Hand anlegen“. Der faktische Anteil der Weiterbildung im Fach ist jedoch äußerst lückenhaft. Lüring und Mitarbeiter [2] zeigen in dieser Ausgabe der Zeitschrift, dass nur rund 27 % der Kniegelenksarthroskopien von weiterzubildenden Ärzten durchgeführt werden. Bei der Arthroskopie des Schultergelenks sind es nur noch 7 % und bei der Knieprothetik 6 %. Immerhin schneiden dabei die Universitätskliniken noch am besten ab. Ein Beleg dafür, dass dort der Auftrag für Aus- und Weiterbildung noch am ehesten wahrgenommen wird. Witte (Depeweg) und Moradi [1] haben in dieser Zeitschrift mittels einer Umfrage des Jungen Forums der DGOU nachweisen können, dass 42 % der 765 befragten Assistenten in Weiterbildung den in der Weiterbildungsordnung geforderten Leistungskatalog wahrscheinlich oder mit Sicherheit nicht erfüllen können. 51 % waren unzufrieden mit der Weiterbildung und 41 % hatten keine curriculare Weiterbildung. Wird die Weiterbildungsordnung also den Ansprüchen an die „Arztwerdung“ gerecht?

M. Niethard [3] hat mittels einer Umfrage an 132 orthopädisch und 88 unfallchirurgisch geleiteten Kliniken auf die Verständnislücken unseres Weiterbildungssystems hingewiesen. Ist nicht die Weiterbildung der Weg zur Selbstständigkeit im Beruf? Schließlich „erlangt der Assistent mit dem Facharzttitel auch die Facharztkompetenz – mit allen rechtlichen Konsequenzen!“ Wenn aber nur 30 % der Chefärzte die selbstständige Leitung einer Sprechstunde voraussetzen, während 67 % aber die Operationsindikationsstellung verlangen, scheint sich das Weiterbildungssystem eher an den Organisationsstrukturen Chef-, Oberarzt, Facharzt, Assistenzarzt in Weiterbildung zu orientieren. Gleiches gilt für die Bewertung der chirurgischen Qualifikation. Zwar erwarten die Chefärzte zu 57 %, dass jüngere Assistenten angeleitet werden, doch nicht einmal ein Viertel der Befragten geht davon aus, dass Standardoperationen ohne Aufsicht durchgeführt werden können.

Es gibt viele Gründe für die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Weiterbildungsordnung: Steigende Arztzahlen in den Kliniken, wenige verfügbare Weiterbildungsoperationen, Auswirkungen des DRG-Systems mit Konzentration schwieriger Fälle in den Weiterbildungskliniken, Verrechtlichung der Medizin, Abdriften von Operationen in den nicht weiterbildungsbefugten oder weiterbildungswilligen Bereich etc. Eine Umfrage der Bundesärztekammer unter allen Assistenten in Weiterbildung sollte offenbaren, wo „der Schuh drückt“. Die Resonanz dieser Umfrage war allerdings gering. Die Aussagen über die Zufriedenheit in bestimmten Teilbereichen scheinen nicht geeignet, die grundsätzlichen Probleme darzustellen. Vielmehr muss vermutet werden, dass der hohe Anteil frustrierter Ärzte in Weiterbildung an der Umfrage überhaupt nicht teilgenommen hat.

Die mit der Weiterbildungsordnung 2003 eingeführten Neuerungen, wie z. B. das Logbuch und die jährlichen Weiterbildungsgespräche sind ein Ansatz für eine verbesserte Transparenz. Bei stringenter Umsetzung würde sich aber wohl zeigen, dass viele Ärzte noch mehr als bisher in Rotationsprogramme eingebunden werden müssten, um die Anforderung der Weiterbildungsordnung zu erfüllen. Dies aber ist bei den Ärzten äußerst unbeliebt und auch, in der Regel, wegen der Vertragsproblematik kaum möglich. Einige Ärztekammern sind dazu übergegangen, eine Verbundweiterbildung zu fördern, bei der enge Kooperationen zwischen Kliniken der Maximal- oder universitären Versorgung und Kliniken der Basisversorgung geschlossen werden. Damit soll gewährleistet sein, dass der Weiterzubildende in der Basischirurgie genügend Erfahrung sammeln kann. Bedauerlicherweise sind derartige Ansätze aber viel zu gering ausgeprägt. Wenn der Assistent in Weiterbildung an den großen Kliniken seine Erfahrungen nicht gleich bei schwierigsten Operationsgraden sammeln soll, so muss recht rasch ein funktionierendes System zustande gebracht werden. Qualifizierte Weiterbildung ist das A und O der Medizin. Wer etwas richtig gelernt hat, kann es praktisch nicht falsch machen. Daher ist qualifizierte Weiterbildung auch die sinnvollste Qualitätssicherung.

F. U. Niethard
Aachen

K. Weise
Tübingen

Literatur

Prof. Dr. med. Fritz U. Niethard

Orthopädische Klinik
Universitätsklinik der RWTH Aachen

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52074 Aachen

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Prof. Dr. med. Kuno Weise

BG-Unfallklinik

Schnarrenbergstraße 95

72076 Tübingen

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Fax: 0 70 71/6 06-10 02

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