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DOI: 10.1055/s-0030-1253319
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Koronare Herzkrankheit – Neue Wege in Diagnostik und Therapie
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
29. März 2010 (online)
Bei der Diagnostik und der Therapie der Koronaren Herzkrankheit (KHK) wurden in den letzten Jahrzehnten eindrucksvolle Fortschritte erzielt. So ist die Mortalität in den letzten 30 Jahren in den industrialisierten Ländern (z. B. USA) um etwa 30 % zurückgegangen. Die Ursachen liegen einmal in einer besseren Therapie der Risikofaktoren. Hierbei spielt die heute mögliche deutliche Senkung des LDL-Cholesterins die größte Rolle, die erst durch den Einsatz von Statinen möglich geworden ist. Auf der anderen Seite haben Fortschritte bei der Behandlung des Akuten Koronarsyndroms (Intensivstationen, akute Interventionen) sowie die antikoagulatorische Nachbehandlung der interventionell behandelten Patienten entscheidend zu den guten Ergebnissen beigetragen.
Die Aufgabe der Zukunft wird sein, eine gezieltere Prophylaxe bei Personen mit hohem Risiko sowie weitere Verbesserungen in der Therapie der Erkrankten zu erarbeiten. Die Arbeiten in diesem Heft beschäftigen sich mit diesen Aspekten.
Auf dem Lipidsektor wurde mit den bestehenden Therapiemöglichkeiten (Statine als Monotherapie oder in Kombination mit Ezetimib, Nikotinsäure oder Cholesterinresorptionshemmern) eine Senkung des LDL-Cholesterins bis auf 70 mg/dl und darunter möglich. Es ist zumindest fraglich, ob eine weitere Senkung des LDL-Cholesterins noch einen zusätzlichen Effekt bringen wird. Die interessante Frage, ob eine Senkung der Triglyceride in der primären oder sekundären Prävention messbare klinische Vorteile bringt, ist mangels Daten auch 50 Jahre nach Einführung der Fibrate noch ungelöst. Der augenblickliche Forschungsschwerpunkt im Lipidsektor liegt im Bereich der Beeinflussung der HDL-Partikel. Dabei hat sich die etwas kritiklos aus der Epidemiologie übernommene Vorstellung, dass eine bloße Steigerung der Konzentration des HDL-Cholesterins zur Verbesserung der Prognose führt, als zu einfach erwiesen. Ungeklärte physiologische Aspekte des HDL-Stoffwechsels sowie unerwartete Nebenwirkungen der CETP-Hemmer haben die anfängliche Euphorie über die positiven Wirkungen einer Beeinflussung des HDL deutlich gebremst. Die Zukunft wird zeigen, ob der eingeschlagene Weg wirklich zum Erfolg führt.
Eine Aufklärung der Faktoren, die die Entstehung der KHK begünstigen, wäre ein Weg, gefährdete Patienten frühzeitiger zu identifizieren. Weltweit wird heute in Speziallabors an der Aufklärung der genetischen Grundlage der Atherosklerose geforscht. In großen Verbundstudien ist es gelungen, Assoziationen mit bestimmten Chromosomenregionen nachzuweisen. Diese DNA-Risikovarianten könnten perspektivisch zu einem besseren Verständnis der Risikofaktoren für den Herzinfarkt beitragen. Die Ergebnisse sind allerdings nicht einheitlich. So konnte in einer neuen Untersuchung zwischen 101 genetischen Polymorphismen und dem Auftreten der KHK keine sicheren Beziehungen festgestellt werden, ein erhöhtes Cholesterin war hier weitaus aussagekräftiger (Paynter NP et al. JAMA 2010; 303: 631–637).
Die Entzündungstheorie der Atherosklerose, die von Virchow schon vor 150 Jahren ins Gespräch gebracht wurde, hat in den letzten 10 Jahren viele Anhänger gefunden. Der unbestreitbare epidemiologische Zusammenhang des Entzündungsmarkers hsCRP (und anderer Marker) mit der KHK hat die Diskussion angeheizt. Nach wie vor spricht aber mehr dafür, dass die Entzündungsmarker Indikatoren und keine Krankheitsverursacher sind. Die Frage kann letzten Endes nur gelöst werden, indem selektiv wirksame Inhibitoren des CRP eingesetzt werden. Statine senken zwar auch die CRP-Konzentration, dieser Effekt ist aber schwer von dem lipidsenkenden Effekt zu trennen.
In den vergangenen Jahren wurden auf der Suche nach schärferen Kriterien für das Auffinden von Risikopersonen immer wieder neue Parameter ins Spiel gebracht. LP(a) hat sich inzwischen als unabhängiger Risikofaktor erwiesen, zwischen erhöhten Homocystein-Konzentrationen und der KHK besteht zwar ein eindeutiger epidemiologischer Zusammenhang, die therapeutische Beeinflussung dieses Parameters hat jedoch zu keiner Verbesserung der Prognose geführt.
Einen neuen Risikofaktor in diesem Kontext stellen niedrige Vitamin-D-Spiegel dar. Ausgehend von der Beobachtung, dass in nördlichen Ländern, im Winter und in Städten häufiger kardiovaskuläre Erkrankungen auftreten, konnten in Untersuchungen von definierten Bevölkerungsgruppen (Framingham, LURIC) gezeigt werden, dass niedrige 25(OH)D-Serumkonzentrationen ein unabhängiger Prädiktor für kardiovaskuläre Mortalität und Schlaganfälle sind. Es wird daher gefordert, dass die bisher für notwendig erachtete Mindestzufuhr von 400 IU auf 1000 IU erhöht wird.
Die therapeutischen Fortschritte im Bereich kardiovaskulärer Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten sind unumstritten, die Anstrengungen der nächsten Jahre sind darauf gerichtet, durch eine möglichst genaue Analyse der individuellen Risikofaktoren (personalized medicine) unnötige Therapien von nicht gefährdeten Menschen zu vermeiden.