Aktuelle Ernährungsmedizin 2010; 35 - V3
DOI: 10.1055/s-0030-1254554

Identifikation von Pflegeheimbewohnern mit Risiko für Mangelernährung als Grundlage einer Interventionsstudie mit Trinknahrung

I Stange 1, K Pöschl 2, R Kaiser 1, CC Sieber 1, D Volkert 1
  • 1Institut für Biomedizin des Alterns, Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Germany
  • 2Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften, Universität Bonn, Bonn, Germany

Einleitung: Trinknahrung (TN) gilt als effiziente Strategie zur Verbesserung des Ernährungszustands älterer Menschen. Der funktionelle Nutzen bei Heimbewohnern ist bisher allerdings unklar. Ziel der vorliegenden Studie war die Identifikation von Bewohnern mit (Risiko für) Mangelernährung (ME) durch Anwendung verschiedener Screening-Kriterien als Grundlage für die Durchführung einer Interventionsstudie mit TN. Weiterhin sollte der Zusammenhang zwischen Ernährungszustand und Funktionalität der potentiellen Studienteilnehmer untersucht werden.

Methoden: In 6 Nürnberger Pflegeheimen wurden neben dem Mini Nutritional Assessment (MNA <24 Pkt.) der BMI (≤22kg/m2), Gewichtsverluste (GV >5% in 3 Mon. oder >10% in 6 Mon.) sowie auffällig geringe Nahrungsaufnahmen (NA) als Hinweiskriterien für ME im Interview mit dem Pflegepersonal erfasst. Als Risiko für ME wurde mindestens ein zutreffendes Kriterium definiert. Die Assoziation zwischen dem Risiko für ME und Mobilität bzw. Demenz wurde mittels Chi2-Test auf Signifikanz überprüft.

Ergebnisse: Von 565 Bewohnern erteilten 286 (Alter 86J., 89% ♀) das Einverständnis zum Screening. Die Screening-Kriterien lagen wie in der folgenden Tabelle dargestellt [n (%)] vor:

Tab.1: Vorliegen der Screening-Kriterien für ME

MNA <24 Pkt.

MNA ≥24 Pkt.

Total

≥1 Hinweis ME

113 (39,5)

11 (3,8)

124 (43,3)

BMI ≤22kg/m2

85 (29,7)

9 (3,1)

94 (32,9)

auffälliger GV

32 (11,2)

2 (0,7)

34 (11,9)

geringe NA

61 (21,3)

0 (0,0)

61 (21,3)

kein Hinweis ME

58 (20,3)

104 (36,4)

162 (56,7)

Total

171 (59,8)

115 (40,2)

286 (100,0)

Unter Einbezug aller Kriterien wurde bei 182 Bewohnern (63,8%) ein Risiko für ME identifiziert. 158 Teilnehmer (59,1%) wurden als dement (36,9% leicht, 22,2% schwer) und 73 (25,5%) als immobil (4,9% bettlägerig, 20,6% immobil sitzend) charakterisiert. Die Anteile von Demenz und Immobilität waren signifikant höher in der Gruppe mit Risiko für ME (68,0% und 39,0%) als bei Bewohnern ohne Risiko (44,3% und 2,9%; jeweils p<0,001).

Schlussfolgerungen: Das Risiko für ME ist bei Heimbewohnern weit verbreitet, der prozentuale Anteil ist abhängig von den gewählten Kriterien. Die Kombination der Screening-Kriterien ermöglichte eine breite Erfassung aller Bewohner, die von einer Intervention profitieren könnten. Ein hoher Anteil der Bewohner mit (Risiko für) ME weist Beeinträchtigungen der körperlichen und geistigen Funktionalität auf, wodurch die Erfassung funktioneller Zielparameter erschwert wird.