RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0030-1255455
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Bildgebung bei Toxoplasmose des ZNS
Imaging Findings in Cerebral ToxoplasmosisPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
05. Juli 2010 (online)
Die Toxoplasmose des ZNS wird durch das obligat intrazelluläre Protozoon Toxoplasma gondii hervorgerufen. Vorwiegend geschieht die Infektion bei gesunden Individuen über den Verzehr von rohem Fleisch. T. gondii kann aber auch in utero von der Mutter auf den Fetus übertragen werden. Die akute Form der Erkrankung kann über Kontakt mit Körperflüssigkeit, Katzenkot oder Bluttransfusionen erworben werden. Daher weisen viele Individuen eine latente Infektion mit Toxoplasmose auf. Die Infektion wird erst relevant, wenn bei immunkompromittierten Patienten (vor allem bei Defekten des Lymphozyten-Monozyten-Systems) ein Anstieg des Antikörpertiters beobachtet wird. Jedoch weisen lediglich ein Drittel der Fälle einen Anstieg des IgG-Antikörpertiters auf und nur bei 50 % können intrathekale Antikörper gegen T. gondii nachgewiesen werden. Ähnlich unbefriedigende Ergebnisse mit geringer Sensitivität und möglichen falsch positiven Befunden zeigen neuere Studien, die mittels PCR T. gondii in Plasma oder Liquor nachzuweisen versuchen (Held TK et al. Bone Marrow Transplant 2000; 25: 1257-1262).
Immunkompetente seropositive Individuen sind meist asymptomatisch oder weisen im frühen Krankheitsstadium mononukleoseähnliche Beschwerden auf. Nach der initialen Infektion bleibt der Parasit lange Zeit latent, bis sich die Abwehrlage des Wirts, z.B. durch AIDS, maligne Tumorleiden, Organtransplantation oder Steroidtherapie, verschlechtert. Demzufolge kann eine Enzephalitis mit T. gondii als Reaktivierung einer latent vorhandenen Infektion angesehen werden.
Der klinische Verlauf umfasst subakute Kopfschmerzen, Fieber, Wesensänderung, Krampfanfälle und fokal neurologische Defizite. Choreatische Symptome sind sehr selten, wenn vorhanden werden sie jedoch als pathognomonisch für eine Toxoplasmose des ZNS angesehen. Letztendlich muss eine klinische Besserung auf eine empirische Therapie der Toxoplasmose als sicherstes Kriterium für die Diagnose erachtet werden.
Die bildgebende Diagnostik sollte bei immunkompromittierten Patienten mit AIDS und akuter neurologischer Verschlechterung umgehend durchgeführt werden, um bei Auffälligkeiten eine entsprechende Behandlung zeitnah in die Wege leiten zu können. Die Läsionen einer ZNS-Toxoplasmose weisen eine Prädilektion für die Basalganglien (75-88 % der Fälle), (Abb. [1], [2]), den Thalamus (Abb. [3]) und die Mark-Rindengrenze der Großhirnhemisphären (Abb. [4]) vor allem im Lobus frontalis und parietalis auf. Die Läsionen sind weniger häufig auch in der hinteren Schädelgrube vorhanden (Abb. [5]). Einblutungen sind selten, die Läsionsgröße variiert in der Regel zwischen 1-3 cm (Abb. [6]). Eine singuläre Läsion kommt in einem Drittel der Fälle vor (Dina TS. Radiology 1991; 179: 823-828). Umgebungsödeme und raumfordernder Effekt auf die umgebenden Strukturen sind variabel. In der CT stellt sich die toxoplasmoseinduzierte Enzephalitis als multiple iso- oder hypodense Regionen dar (Abb. [2]), welche ein ringförmiges oder seltener noduläres Enhancement aufweisen. Die randliche, ringförmige KM-Aufnahme ist in der Regel dünn und glatt berandet, kann jedoch auch, vor allem in größeren Läsionen, dicker und irregulär imponieren (Abb. [4]). Das radiologische Erscheinungsbild korreliert hervorragend mit dem histologischen Befund insofern, als dass die zentrale hypodense Region einem avaskulären nekrotischen Areal entspricht, wohingegen der KM-aufnehmende Ring einer hoch entzündlichen Region und die periphere Zone mit dem radiologisch nachweisbaren Ödem gleichgesetzt werden kann.
Abb. 1 65 Jahre alter männlicher Patient mit Plasmozytom und Zustand nach Knochenmarktransplantation. Gesicherte Toxoplasmose-Herde "loco typico" in den Basalganglien beidseits mit deutlichem Umgebungsödem, welches in der axialen FLAIR (a) und koronaren T2w (b) zur Darstellung kommt.
Abb. 2 Patient aus Abb. 1. Natives CCT (a) und T1w Bild (b) zeigen das Ödem hypointens. Nach Injektion eines Gd-haltigen Kontrastmittels (c) lässt sich eine für Toxoplasmose-Herde typische ringförmige KM-Aufnahme nachweisen.
Abb. 3 41 Jahre alter weiblicher Patient mit HIV-Infektion und bioptisch gesicherter Toxoplasmose. In der FLAIR (a) und kontrastangehobenen Bildgebung (b) findet sich eine Läsion im rechten Thalamus.
Abb. 4 68 Jahre alter männlicher Patient mit akuter myeloischer Leukämie (AML) und Zustand nach Knochenmarktransplantation. Bioptisch gesicherter kleiner Toxoplasmose-Herd an der Mark-Rindengrenze des Lobus frontalis rechts (FLAIR-Aufnahme)
Abb. 5 37 Jahre alter männlicher Patient mit HIV und bioptisch gesicherter ZNS-Toxoplasmose. Dieser Patient weist eher seltener vorkommende Toxoplasmose-Herde im Lobus occipitalis sowie beidseits zerebellär auf (kontrastangehobene T1w Aufnahmen).
Abb. 6 59 Jahre alter weiblicher Patient mit akuter myeloischer Leukämie (AML) und Zustand nach Stammzelltransplantation. Bioptisch gesicherte zerebrale Toxoplasmose. T1w hyperintense Einblutung in einen Toxoplasmose-Herd.
Mit der MRT können die Läsionen einer Toxoplasmose-Enzephalitis zuverlässiger als in der CT dargestellt werden. Die Signalintensität florider Läsionen kann in der T2w Bildgebung allerdings deutlich variieren. Das sogenannte "Target Sign" kann beobachtet werden, wenn die Läsionen hypo- bis isointens zum Parenchym erscheinen und durch ein vasogenes Ödem umgeben sind. Die Läsionen sind in der Regel iso- bis hypointens auf nativen T1w Aufnahmen, wobei nach KM-Injektion eine noduläre oder ringförmige KM-Aufnahme zu beobachten ist (Abb. [2]). Die MRT kann Toxoplasmose-Läsionen oft auch in Fällen nachweisen, in denen die CT-Untersuchung vollständig unauffällig imponiert. Die meisten Patienten weisen bereits nativ (Abb. [7]) oder sensitiver nach KM-Injektion mehrere Läsionen auf. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Patienten mit einer einzelnen Läsion den Verdacht auf das Vorliegen einer anderen Pathologie nahelegen und somit weitere diagnostische Verfahren oder MR-Untersuchungen mit funktionellen Sequenzen erforderlich machen.
Abb. 7 58 Jahre alter männlicher Patient mit chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) und Zustand nach Stammzelltransplantation. Sowohl in der FLAIR- (a) wie auch T2w (b) Bildgebung stellen sich multiple Läsionen der zerebralen Toxoplasmose dar.
Jedoch stellt selbst bei Anwendung mehrerer diagnostischer Verfahren, einschließlich moderner MRT-Sequenzen, die korrekte diagnostische Zuordnung einer raumfordernden Läsion in einem Patienten mit AIDS eine große Herausforderung dar. Dies kann dadurch erschwert werden, dass viele Patienten eventuell bereits empirisch auf Toxoplasmose behandelt wurden. In diesen Fällen sind Follow-up-Untersuchungen unerlässlich, um die Wirksamkeit der Therapie mit einer Verringerung der Anzahl und Größe der Läsionen (Abb. [8]) sowie die Regredienz des perifokalen Ödems zu dokumentieren. Diese Veränderungen sind in der Regel 2-4 Wochen nach Therapiebeginn nachweisbar - jedoch kann es bis zu 6 Monate andauern, bis sich die Toxoplasmose-Herde nicht mehr abgrenzen lassen. Falls die Läsionen nicht auf die Therapie ansprechen, sollte eine Biopsie der Herde durchgeführt werden, um möglicherweise gleichzeitig vorliegende andersartige Infektionen, eine therapieresistente Toxoplasmose oder ein Lymphom, nachweisen zu können. Auch wenn in der Bildgebung eine Regredienz der Läsionen konstatiert werden kann, können bei Abbruch der Therapie die enzephalitischen Veränderungen häufig wieder auftreten. Dies liegt daran, dass die Parasiten nie vollständig durch die Therapie abgetötet werden und somit eine lebenslange Anti-Toxoplasmose-Therapie erforderlich wird.
Abb. 8 a–c Patient aus Abb. 1. Verlauf der Stammganglienläsionen unter Anti-Toxoplasmose-Therapie in T1w nach KM-Applikation. Regredienz der Läsionsgröße 2 Monate (b) und 4 Monate (c) nach Beginn der Therapie.
Behandelte Läsionen weisen ein variables Erscheinungsbild auf. Zuvor befallene Regionen können unauffällig imponieren. Sie können aber auch, vor allem bei größeren Läsionen, Zeichen einer fokalen Atrophie oder Enzephalomalazie aufweisen oder verkalken. Diese Kalzifikationen können als "stippchenförmig" oder größer, als "popcornartige" Verkalkungen auftreten (Scott Atlas Buch. 4th edition. Baltimore: Walters&Kluver-Lippicott, Williams&Wilkins; 2007: 999-1006).
Läsionen mit eingelagerten Ca2+-Verbindungen imponieren auf T1- und T2-gewichteten Bildern als hypointense Regionen (Abb. [9]) und können sensitiver mit T2*-gewichteten Sequenzen nachgewiesen werden. Behandelte Läsionen können jedoch auch ein hyperintenses Signal auf T1- und T2-gewichteten Bildern aufweisen, vermutlich durch Einlagerung von Verbindungen mit paramagnetischen Eigenschaften (z.B. Mangan, Eisen, Kupfer etc).
Abb. 9 Patient aus Abb. 1 Behandelte Läsionen weisen oft durch eingelagerte Ca2+-Verbindungen in T2w (b) ein hypointenses Erscheinungsbild auf (bilateral in Stammganglien).
Besonders bei Patienten mit AIDS ist die frühe Detektion von fokalen ZNS-Läsionen entscheidend, um rechtzeitig therapeutische Schritte einzuleiten. Toxoplasmose und primäres ZNS-Lymphom sind die häufigsten ZNS-Raumforderungen mit Schrankenstörung bei Patienten mit AIDS. Das klinische Erscheinungsbild dieser 2 Entitäten kann oft überlappen. Genauso kann die Bildgebung mit CT oder konventionellen MRT-Sequenzen nicht immer eine korrekte Diagnose erzielen. Für ein Lymphom sprechen große Läsionen (> 3 cm), isointenses Signal in T2w und eine periventrikuläre oder subependymale Verteilung. In unklaren Fällen sind Follow-up-Untersuchungen notwendig, um das Ansprechen auf eine empirische Anti-Toxoplasmose-Therapie nachzuweisen.
Die Thallium-201-SPECT kann zu einer Unterscheidung zwischen ZNS-Lymphom und Toxoplasmose beitragen. Stoffwechselaktives Gewebe, wie Tumorgewebe, weist im Vergleich zum umgebenden Gewebe eine vermehrte Aufnahme des Tracers auf, wohingegen infektiöse Läsionen dies nicht tun. Obwohl die Befunde der Thalium-201-SPECT als unspezifisch gelten und auch für andere maligne Raumforderungen einen positiven Befund ergeben, ist ein Befund in einem HIV-positiven Patienten hoch wahrscheinlich für ein primäres ZNS-Lymphom. Die Sensitivität der SPECT ist jedoch durch die erzielbare Ortsauflösung limitiert. Kleine Tumoren mit einer Größe von weniger als 6-8 mm und subependymale Läsionen können nicht zuverlässig erkannt werden.
Das 18FDG-PET zeigt, dass das Lymphom, wie auch andere Tumoren, einen erhöhten Glukosestoffwechsel besitzen. Die Sensitivität des FDG-PET zum Nachweis eines ZNS-Lymphoms liegt je nach Studie zwischen 50-90 %.
Die dynamische MRT-Untersuchung nach intravenöser KM-Bolusinjektion ist ebenfalls in der Lage, Lymphome und Toxoplasmose zu differenzieren. Lymphome weisen eine vermehrte Perfusion in CBV Maps auf. Dasselbe gilt für die diffusionsgewichtete Bildgebung. Gemessene ADC-Werte sind in Toxoplasmose-Herden höher (Abb. [10], [11]) als in Arealen mit lymphomatösen Veränderungen, welche in der ADC Map durch den Zellreichtum dunkel erscheinen (Camacho DLA et al. AJNR 2003; 24: 633-637). Obwohl bakterielle Abszesse eine verminderte Diffusion aufweisen, zeigen Toxoplasmose-Herde eine erhöhte Diffusion von Wassermolekülen. Als mögliche Erklärung für die hohen ADC-Werte könnte angeführt werden, dass durch die eingeschränkte Immunabwehr die Viskosität in dem Toxoplasmose-Abszess vermindert ist. Dahingegen weist das Lymphom eine hohe Zelldichte und geringen Extrazellularraum auf, was eine eingeschränkte Beweglichkeit der Wassermoleküle in diesem Gewebe bewirkt (niedriger ADC).
Abb. 10 Patient aus Abb. 5. Die Diffusionsbildgebung (a) weist keine eingeschränkte Diffusion der Toxoplasmose-Läsionen auf (c). Korrespondierend finden sich in der ADC Map (b) keine Signalabsenkungen, welche auf ein Lymphom hindeuten würden.
Abb. 11 44 Jahre alter weiblicher Patient mit akuter myeloischer Leukämie (AML) und Zustand nach Stammzelltransplantation. Bioptisch gesicherte Toxoplasmose des ZNS. Hyperintense Herde in der Diffusion (a) entsprechend einem "T2 Durchscheineffekt" ohne korrespondierende Signalabsenkungen in der ADC Map (b).
In der MR-Spektroskopie besitzen Toxoplasmose-Herde deutlich erhöhte Anteile an Lipiden und Laktat, wohingegen andere Metabolite des normalen Gehirngewebes nahezu fehlen (Abb. [12]). Im Gegensatz dazu weist das ZNS-Lymphom nur eine geringe Erhöhung der Laktat- und Lipid-Peaks auf, in Verbindung mit einem erhöhten Cholin-Peak, und unterschiedlich reduzierte Level an NAA und Cr.
Abb. 12 Spektroskopie eines HIV-Patienten mit bioptisch gesicherter ZNS-Toxoplasmose. Das Spektrum der Läsion weist einen erhöhten Laktat- und Lipid-Peak auf, wohingegen alle anderen Metabolite typischerweise erniedrigt sind.
Toxoplasmose ist die zweithäufigste kongenitale ZNS-Infektion (nach CMV-Infektion). Klinisch relevante Veränderungen lassen sich in Feten beobachten, die vor der 26 SSW infiziert wurden. Die klassische Trias macht das Vorliegen einer Toxoplasmose-Infektion wahrscheinlich: Chorioretinitis, Hydrozephalus und zerebrale Verkalkungen. In der Bildgebung lassen sich Hydrozephalus und intrakranielle Verkalkungen beobachten, welche meist diffus im Rindenband, Basalganglien und der subependymalen Region vorzufinden sind. Oft treten diese Befunde zusammen mit Krampfanfällen auf. Nach Therapie können die Kalzifikationen verschwinden. Eine assoziierte Ependymitis kann zu Aquäduktstenose und sukzessive zu einem Hydrozephalus führen.
Die Differenzialdiagnose der Toxoplasmose-Infektion umfasst neben dem Lymphom andere fokale ZNS-Läsionen, wie die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML), Kryptokokkeninfektion, Tuberkulome, syphilitische Gummen, bakterielle Abszesse, granulomatöse Erkrankungen und fokale enzephalitische Läsionen bei CMV-Infektion.