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DOI: 10.1055/s-0030-1255648
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Präoperative Hautdesinfektion: Chlorhexidin-Alkohol vs. Povidone-Iod
Publication History
Publication Date:
19 July 2010 (online)
Darouiche RO, Wall MJ, Itani KM et al. Chlorhexidine-Alcohol versus Povidone-Iodine for Surgical-Site Antisepsis. N Engl J Med 2010; 362: 18 – 26
Aufgrund fehlender Evidenz äußern sich gängige Empfehlungen zur Prävention von postoperativen Wundinfektionen bisher nicht zur Wahl eines speziellen antiseptischen Präparates für die präoperative Hautdesinfektion des OP-Gebietes.
Mit dieser randomisierten klinischen Studie sollte nachgewiesen werden, dass Chlorhexidin-Alkohol geeigneter ist als Povidone-Iod in wässriger Lösung, um postoperative Wundinfektionen zu vermeiden.
An der Untersuchung beteiligten sich in einem Zeitraum von April 2004 bis Mai 2008 6 US-amerikanischen Krankenhäuser aus dem universitären Bereich. Nur bedingt aseptische Eingriffe aus den Fachbereichen Abdominalchirurgie, Thoraxchirurgie, Gynäkologie und Urologie wurden in die Studie eingeschlossen. Patienten mit einer Allergie auf die eingesetzten Substanzen, mit Zeichen einer Infektion im oder nahe am OP-Gebiet oder Patienten, bei denen eine ausreichende Nachbeobachtung nicht möglich erschien, wurden aus der Studie ausgeschlossen.
Entsprechend einer 1:1-Randomisierung wurde die Haut der Patienten im OP-Gebiet präoperativ entweder mit einem Präparat aus 2 % Chlorhexidingluconat und 70 % Isopropylalkohol oder mit 10 % Povidone-Iod in wässriger Lösung desinfiziert. Als primäres Outcome war das Auftreten jeglicher postoperativer Wundinfektionen innerhalb von 30 Tagen nach der Operation definiert, bei den sekundären Endpunkten wurden hingegen auch die 3 Wundinfektionstiefen oberflächliche Wundinfektionen, tiefe Wundinfektionen und Organ-/Körperhöhleninfektionen – berücksichtigt. Die verblindeten Erfasser nutzen die CDC-Kriterien zur Festlegung einer Wundinfektion. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurden die Patienten telefonisch weiterhin nach Infektionszeichen befragt und ggf. wieder einbestellt.
Die berücksichtigten Baseline-Charakterisika der Patienten, wie z. B. systemische Antibiotikagabe, OP-Dauer, präoperatives Duschen mit antiseptischen Seifen, waren in beiden Gruppen gleich. Insgesamt wurden 849 Patienten in die Intention-To-Treat-Analyse eingeschlossen, 409 erhielten Chlorhexidin-Alkohol und 440 erhielten Povidone-Iod. Die Gesamtwundinfektionsrate in der Chlorhexidin-Alkohol-Gruppe war signifikant niedriger als in der Povidone-Iod-Gruppe (9,5 vs. 16,1%, p = 0,004).
Das relative Risiko für alle Wundinfektionen zwischen Chlorhexidin-Alkohol versus Povidone-Iod in wässriger Lösung lag bei 0,59 (95 % CI: 0,41 – 0,85). Diese Ergebnisse konnten in der Per-Protokoll-Analyse untermauert werden. Zudem ergab die Kaplan-Meier-Schätzung für mit Chlorhexidin-Alkohol behandelte Patienten eine größere Wahrscheinlichkeit, keine postoperative Wundinfektion zu entwickeln, als für Patienten, die mit Povidone-Iod behandelt wurden. In den Subgruppenanalysen konnte das Risiko für eine postoperative Wundinfektion beim Einsatz von Chlorhexidin-Alkohol im Vergleich zu Povidone-Iod in wässriger Lösung für die oberflächlichen Wundinfektionen deutlich vermindert werden (RR 0,48; 95 % CI: 0,28 – 0,84), das Risiko für Organ/Körperhöhleninfektionen änderte sich hingegen nicht (RR 0,97; 95 % CI: 0,52 – 1,80).
Die Autoren diskutieren in ihrer Studie die vergleichsweise hohen Ausgangswundinfektionsraten von insgesamt 10 – 16 % in den teilnehmenden Krankenhäusern. Basierend auf dieser Rate läge die Number needed to treat bei 17. Die Autoren führen die vorteilhafte Wirkung des Chlorhexidin-Alkohol-Präparates auf den schnellen Wirkungseintritt, seine remanenten Eigenschaften und die anhaltende Wirkung bei Kontakt mit Körpersekreten zurück. Nicht alle infektionspräventiven Maßnahmen, wie z. B. die Art der präoperativen Haarentfernung, wurden in den beteiligten Krankenhäusern sicher entsprechend der gängigen Leitlinien durchgeführt. Um solche Unterschiede zwischen den einzelnen Krankenhäusern zu kontrollieren, randomisierten die Autoren die Patienten stratifiziert nach Krankenhäusern.
Fazit: Nach präoperativer Hautdesinfektion mit einem Chlorhexidin-Alkohol Präparat kommt es zu weniger oberflächlichen und tiefen Wundinfektionen als beim Einsatz von Povidone-Iod auf wässriger Basis. Die Rate der Organ- und Körperhöhleninfektionen wurde in dieser Arbeit durch die Wahl unterschiedlicher Antiseptika nicht beeinflusst. Bei der Bewertung der Ergebnisse sollten die extrem hohen Ausgangsinfektionsraten in den Studienkrankenhäusern berücksichtigt werden. Für abdominalchirurgische Eingriffe lag die Wundinfektionsrate in der Povidone-Iod-Gruppe beispielsweise bei 20,5%, obwohl lediglich bedingt aseptische Operationen in die Analyse eingeschlossen wurden. Im US-amerikanischen Surveillancesystem für postoperative Wundinfektionen wurden bei Eingriffen am Kolon im Mittel Infektionsraten von 3,99 – 9,47 Wundinfektionen pro 100 Operationen aufgezeichnet. In dieser Studie wird ein antiseptisches Präparat mit alleiniger remanenter Wirkung – Povidone-Iod in wässriger Lösung – mit einem antiseptischen Kombinationspräparat mit einer schnellen und einer remanenten Wirkungskomponente – Chlorhexidin-Alkohol – verglichen. Unklar bleibt, ob hier der Alkohol, das Chlorhexidin oder eben die Kombination aus beiden Präparaten zur Reduktion der Wundinfektionsrate geführt hat. Hierzulande haben sich im klinischen Alltag antiseptische Kombinationspräparate – wie z. B. Jod-Alkohol- Präparate – für die präoperative Hautdesinfektion etabliert. Ob die getesteten Chlorhexidin-Alkohol-Präparate auch gegenüber der in Deutschland gängigen Hautdesinfektion mit Jod-Alkohol einen Vorteil hinsichtlich der Wundinfektionsrate aufweisen, kann mit dieser Studie nicht beantwortet werden.
Dr. med. Ann-Christin Breier, Berlin