Pädiatrie up2date 2010; 5(3): 279-294
DOI: 10.1055/s-0030-1255661
Entwicklung

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Die Entdeckung der Sprache

Entwicklungsprozesse, Störungen, Untersuchung, BeurteilungBarbara  Zollinger
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Publication Date:
27 September 2010 (online)

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Einleitung

Die Sprachentwicklung wird meist als ein Ablauf von Sprechereignissen beschrieben. Sie beginnt mit dem 1. Schrei, und bereits mit wenigen Tagen produzieren Säuglinge Vokalisationen („ah-ah-aaah!”) und Gurrlaute („grrr”). Ab etwa 6 Monaten beginnen sie zu lallen („mamamama”, „tetetete”, „pipipi”), und mit etwa 1 Jahr sagen sie erste Wörter, wie „Mama”, „Papa” oder „Auto”. Im Alter zwischen 1œ und 2 Jahren äußern sie Zweiwort- und kurz danach auch Mehrwortsätze. Dreijährige Kinder sind bereits dazu fähig, komplexe Äußerungen mit Nebensätzen zu produzieren.

Sprache entwickeln heißt aber nicht einfach, Wörter und Sätze sprechen zu lernen, denn Sprache und Sprechen sind zwei völlig unterschiedliche Prozesse. Sieht ein 15 Monate altes Kind ein Auto und sagt „Auto”, so kann es zwar ein Wort sprechen – mit Sprache hat dies aber noch wenig zu tun. Was die Sprache ausmacht, ist die Möglichkeit, von einem Auto zu sprechen, wenn es nicht da ist, und zugleich zu wissen, dass man der Mama etwas über das Auto erzählen kann, dass sie das Wort „Auto” verstehen kann.

Merke: Für die Entdeckung der Sprache müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Die Möglichkeit, sich etwas nicht Vorhandenes vorzustellen. 2. Der Anspruch, dem „Du” etwas zu erzählen, mit dem Wissen, dass diese andere Person nicht unbedingt das Gleiche denkt wie ich.