Aktuelle Dermatologie 2010; 36(10): 353
DOI: 10.1055/s-0030-1255820
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Freiheit, die ich meine …

Freedom, that I Mean …C.  Bayerl
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Publication Date:
30 September 2010 (online)

Prof. Dr. Christiane Bayerl

Pro- und Contra-Anti-Aging sind Vortragsthemen und Themen für Diskussionsrunden. Der alte Wunsch des Menschen nach Schönheit und ewigem Leben steckt dahinter. Immer wieder kommt das Argument, dass Menschen, die die Angebote der Anti-Aging-Medizin annehmen und sich plastisch-chirurgischen Maßnahmen unterziehen, einen Mangel an Selbstbewusstsein haben und krankhaft gefallsüchtig sind. Die dermatologischen minimal-invasiven Angebote haben es leichter, da die Einstiegsschwelle niedriger ist. Nach einer Botox-Injektion und nach einem Filler sieht der Nachbar nicht sofort, dass eine Maßnahme erfolgt ist. Der Kunde, der ein kosmetisches Institut aufsucht, weiß, was er will. Der Patient, der nebenbei auch Kunde sein möchte, was Anti-Aging anbelangt, ist beim Dermatologenbesuch verunsichert, ob er nachfragen darf. Ganz vorsichtig wird formuliert, dass man doch gegen die Hautalterung nichts tun könne, oder? Da sollten wir schon Flagge zeigen und diese Palette des dermatologischen Angebots im Wartezimmer oder wo auch immer deutlich machen, um die Hemmschwelle zu senken. Die Dermatologie hat Angebote, und damit brauchen wir uns nicht verstecken. Böse formuliert, könnte man die Hegel'sche Formulierung verwenden, dass Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit ist. Bei der Situation knapper Budgets ist das Angebot kosmetologischer Leistungen mitunter eben eine solche „Notwendigkeit”, die Praxen im Kampf ums Überleben stützt. Aber darüber hinaus haben die Menschen im Wartezimmer ein Recht auf dieses Angebotsspektrum in bester Qualität. Die Patienten, für die es nicht passt, kennen wir auch. Selbstverständlich wird niemand einen dysmorphophoben Patienten dermatokosmetisch behandeln oder einer 20-Jährigen Botox spritzen. Ansonsten haben Dermatologen die Freiheit aus der ganzen Angebotspalette zu beraten und zu behandeln.

Freiheit, immer mal wieder diskutiert – ein hehrer Begriff, der jetzt in seiner Verknüpfung mit der Meinungsfreiheit gerade aufgrund der Sarrazin-Äußerungen erneut thematisiert wird. „Freiheit, die ich meine” ist ein geflügelter Terminus geworden. Ursprünglich entstammt die Zeile einem Gedicht von Max von Schenkendorf, das er 1813 verfasste. Er gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der Napoleonischen Kriege, die auch Feiheitskriege genannt werden und die kriegerischen Auseinandersetzungen der Jahre 1813 – 1815 umfassen. Max von Schenkendorf, geboren in Tilsit in Ostpreußen, hatte sich als Freiwilliger gemeldet und war bei der Völkerschlacht bei Leipzig, die Napoleon verlor, dabei. Er verstarb 1817 als Regierungsrat in Koblenz. Seine erste Textzeile wird heute oft fehlinterpretiert und „meinen” mit „verstehen” gleichgesetzt. Im damaligen Sinne ist aber mit „meinen” das Wort „minnen”, also lieben gemeint. Die weitere Verbreitung als nationales Lied in der Vertonung von Karl August Groos 1818 hat von Schenkendorf nicht miterlebt, auch nicht die Modifikation des Textes im „Dritten Reich”. Der Terminus „Freiheit, die ich meine …” ist nicht tot zu kriegen. Der verstorbene Jörg Haider hat ihn verwendet als Titel seines Buches. In Peter Maffays Liedtext findet sich die Zeile – und da auch richtig interpretiert, nämlich, Freiheit sei das, was man wirklich mag.

Dann mal los, wir mögen doch die kosmetische Dermatologie und unsere Angebote! Wir haben alle Freiheiten diese Maßnahmen anzubieten. Skrupel sind da fehl am Platz bei seriösen Maßnahmen und gutem fachlichen Training. Die Freiheit des dermatokosmetischen Angebots ist nicht im Reich der Träume.

Ihre

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Klinik für Dermatologie und Allergologie Wiesbaden
HSK, Wilhelm-Fresenius-Klinik
Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz

Aukammallee 39

65191 Wiesbaden

Email: christiane.bayerl@hsk-wiesbaden.de

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