Im ersten Teil unseres Artikels beschäftigten wir uns im
Wesentlichen mit der Pathophysiologie und den organisatorischen Voraussetzungen
der Akutschmerztherapie in der Orthopädie und Unfallchirurgie; bei der
Betrachtung der therapeutischen Optionen standen die medikamentösen
Verfahren im Vordergrund. Eine erfolgreiche Akutschmerztherapie wird allerdings
nicht alleine auf der systemischen Applikation von Medikamenten beruhen
können.
Gerade in der Orthopädie und Unfallchirurgie ist die
erfolgreiche Mobilisierung des Patienten, das (Wieder-)Gewinnen von
Bewegungsfähigkeit und damit auch der langfristige Erfolg der operativen
Therapie nur in einem sinnvollen Zusammenspiel verschiedener analgetisch
wirkungsvoller Verfahren zu erreichen und auch zu sichern. So spielen neben der
bedarfsgerechten Therapie mit systemisch wirksamen Analgetika und Co-Analgetika
zweifellos die verschiedenen Verfahren der Physiotherapie eine herausgehobene
Rolle. Diese führen neben einem besseren posttraumatischen und/oder
postoperativen Ergebnis auch zu einer Reduktion postoperativer Komplikationen
und zu einer Verkürzung der Rehabilitationszeit.
Zudem haben physikalische Maßnahmen wie Kälte- oder
Wärmeapplikation, in ausgewählten Fällen auch die Anwendung der
„Transkutanen Elektrischen NervenStimulation” (TENS) einen
nachweislich positiven Effekt auf die postoperative/posttraumatische
Schmerzsituation.
Eine herausragende Rolle in der Akutschmerztherapie nehmen mit
Sicherheit psychologische Maßnahmen ein und sollten auch in das
perioperative Schmerzmanagement einbezogen werden. Insbesondere bei geplanten
operativen Eingriffen an der Wirbelsäule sollte eine
psychologisch-schmerztherapeutische Untersuchung vorgeschaltet werden, gilt es
hier doch das Risiko der Entwicklung von chronisch postoperativen Schmerzen zu
reduzieren.
Eine überragende Bedeutung für die Akutschmerztherapie in
der Orthopädie und Unfallchirurgie haben regionale (Katheter-)
Analgesieverfahren. Durch die Auswahl geeigneter Blockadetechniken lässt
sich in der gewählten Region eine exzellente Analgesie mit weitgehend
erhaltener Bewegungsfähigkeit erreichen.
In diesem Sinne gilt für die Akutschmerztherapie in der
Orthopädie und Unfallchirurgie, was bei der Behandlung chronischer
Schmerzen bereits gut etabliert ist: nur ein aufeinander abgestimmtes
„multimodales Konzept”, welches alle perioperativ/posttraumatisch
möglichen Analgesieverfahren integriert, wird erfolgreich sein
können!
Kernaussagen
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Operationen im muskuloskelettalen Bereich zählen zu den
schmerzhaftesten Eingriffen des gesamten chirurgischen Spektrums.
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Traumatische und chirurgische Gewebeverletzungen bedingen
nozizeptive Schmerzen; auf die Ausbildung von neuropathischen Schmerzen ist ein
besonderes Augenmerk zu richten.
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Für die posttraumatische/postoperative
Akutschmerztherapie stehen in der Orthopädie und Unfallchirurgie
reichhaltige Therapieverfahren zur Verfügung, die nach Wirksamkeit und
Praktikabilität ausgewählt patientenindividuell eingesetzt werden
müssen.
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Werden akute Schmerzen nicht rechtzeitig therapiert, kann es
zur Ausbildung chronischer Schmerzsyndrome kommen.
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Nur eine gute Schmerztherapie beschleunigt die
Rekonvaleszenz, sichert nach einer Operation deren Erfolg und führt zu
einer komplikationsarmen Genesung des Patienten.
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Der erste Schritt einer guten Schmerztherapie ist die
Akzeptanz des Therapeuten, dass der Patient Schmerzen haben kann.
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Die Selbsterfassung der Schmerzen durch den Patienten
mittels eingesetzter Skalen steht immer vor der Fremderfassung und ist
unverzichtbarer Teil einer guten Schmerztherapie.
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Die Dokumentation der Schmerzintensität soll in Ruhe
und Belastung stattfinden, zunehmende Schmerzen trotz Schmerztherapie gelten
als Warnsyndrom für mögliche Komplikationen.
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Eine systemische Schmerztherapie wird mit verschiedenen
Medikamenten, in der Regel NSAR, Opioiden oder einer Kombination dieser
Substanzen zufriedenstellend durchgeführt. Auf Kontraindikationen ist hier
zu achten.
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Frühzeitig auftretende spezielle Schmerzen
(z. B. neuropathische Schmerzen) können durch spezifische
Substanzen angegangen werden.
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Die intravenöse Schmerzmittelapplikation wird in der
Regel ausschließlich posttraumatisch/postoperativ eingesetzt, eine
intramuskuläre Applikation ist nicht angezeigt. So früh wie
möglich soll auf die perorale Applikation von ggf. retardierten
Schmerzmedikamenten übergegangen werden.
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Regionale periphere und/oder neuraxiale
Anästhesieverfahren senken den Schmerzmittelbedarf und können durch
kontinuierliche Applikation von Lokalanästhetika deutliche Einsparungen
der systemisch zugeführten Schmerzmittel bewirken.
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Wann immer möglich, sollten
regionalanästhesiologische Verfahren zur Basisanalgesie eingesetzt werden,
auf verfahrensspezifische Komplikationen und Kontraindikationen ist zu
achten.
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Therapiebegleitend sollen immer physiotherapeutische und
– wenn möglich – allgemeine physikalische Maßnahmen
angewendet werden (z. B. Mobilisation, Lagerung, Kühlung, TENS).
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Ein standardisiertes Stufenkonzept zur Behandlung akuter
posttraumatischer/postoperativer Schmerzen sollte vor Ort erstellt werden,
regelmäßig geschult und auf seine Qualität hin
überprüft werden.
-
Die 2007 publizierte S3-Leitlinie „Behandlung akuter
postoperativer und posttraumatischer Schmerzen” zeigt die wesentlichen
Aspekte einer suffizienten Akutschmerztherapie auf.
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik
Frankfurt/M.
Friedberger Landstr. 430
60389 Frankfurt am Main
Phone: 069/475-2568
Fax: 069/475-2589
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