Neuroradiologie Scan 2011; 1(1): 10-11
DOI: 10.1055/s-0030-1256900
Diskussion

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Glioblastom –Bedeutung des relativen zerebralen Blutvolumens und des Methylierungsstatus der MGMT

Bei Patienten mit Glioblastomen werden Pseudoprogressionen öfter in Tumoren mit einer Hypermethylierung der Promoterregion des DNA-Reperaturenzyms O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) beobachtet. Da der Methylierungsstatus der MGMT den Therapieerfolg beeinflusst, ist die Differenzierung zwischen Progression und Pseudoprogression entscheidend für die Behandlung.
Further Information

Publication History

Publication Date:
10 October 2011 (online)

AJNR Am J Neuradiol 2011; 32: 382–387

Kong et al. untersuchten in ihrer Studie sowohl das Auftreten von Pseudoprogressionen als auch den prädiktiven Wert des relativen zerebralen Blutvolumens (rCBV). Sie nahmen in ihre Untersuchung Patienten auf, die zwischen 25 und 74 Jahren alt waren und die neu diagnostizierte und histologisch bestätigte Glioblastome aufwiesen. Nach Resektion oder Biopsie erhielten sie eine Radio-Chemotherapie mit Temozolomid (sog. Stupp-Schema). Alle Patienten wurden regelmäßig in einem Zeitraum von 2 Monaten im 3-T-MRT, einschließlich suszeptibilitätsgewichteter, kontrastverstäkter MRT (DSC-MRT) zur rCBV-Messung, nachuntersucht. Die Methylierung der MGMT-Promoterregion wurde mit der methylierungsspezifischen PCR (MPS) bestimmt.

Bei den insgesamt 90 teilnehmenden Patienten traten in 65,9% der Fälle neue oder sich vergrößernde Läsionen auf. Hierbei handelte es zu 28,9% um Pseudoprogressionen und zu 36,7% um tatsächliche Tumorprogressionen. Für 34,1% der Patienten verlief die Erkrankung ohne Progression. Bei 48 Patienten lagen sowohl MGMT-Status als auch eine DSC-MRT vor.

Der Methylierungsstatus konnte in 73 Fällen bestimmt werden. Die MGMT-Promoterregion war zu 54,8% methyliert und zu 45,2% nicht methyliert. Der Inzidenzunterschied von Pseudoprogressionen bei methyliertem und nicht methyliertem Status war statistisch signifikant (37,5 bzw. 24,2 %, p = 0,019). In den Fällen mit neuen oder sich vergrößernden Läsionen wurden DSC-MRT-Untersuchungen vorgenommen. Dabei ergab sich ein deutlicher Unterschied des mittleren rCBV zwischen Pseudo- und tatsächlicher Progression (p = 0,003). Bei Patienten mit nicht methylierter MGMT-Promoterregion war der mittlere rCBV-Unterschied zwischen Pseudo- und tatsächlicher Progression ebenfalls signifikant (0,87 vs. 3,25, p = 0,009). War die Promoterregion methyliert, erreichten die entsprechenden Unterschiede nicht das Signifikanzniveau.

Fazit

Laut den Autoren ermöglichen es die mit DSC-MRT gemessenen rCBV-Werte, zwischen Pseudoprogressionen und tatsächlichem Tumorprogress zu differenzieren. Sie sind besonders prädiktiv in Tumoren mit nicht methylierter MGMT-Promoterregion.

Matthias Manych, Berlin

1. Kommentar

Priv.-Doz. Dr. Stephan Ulmer

Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie

Universitätsspital Basel

Petersgraben 4

4031 Basel

Die Autoren greifen ein wichtiges Thema der täglichen Routine auf. Sehr häufig besteht mit konventionellen Methoden ein diagnostisches Dilemma bzgl. neuer kontrastmittelaufnehmender Läsionen nach Resektion einer malignen Läsion und nachfolgender Therapie gemäß dem Stupp-Schema. Neuere Methoden wie die DSC-MRT sind sehr gut im Stande, eine Pseudoprogression von echtem Tumorprogress zu unterscheiden (Barajas et al. Radiology 2009; Hu et al. AJNR 2009) und mittlerweile State-of-the-Art in interdisziplinären Zentren mit neuroonkologischem Patientengut.

Die Ergebnisse der Autoren deuten darauf hin, dass aber offensichtlich der Methylisierungsstatus des MGMT-Promotors der Läsion – neben der Langzeitprognose – einen entscheidenden Einfluss auf die Perfusionsergebnisse zu haben scheint. Sollte das so sein, wäre dies von elementarer Wichtigkeit für den klinischen Alltag, denn sofern die Ratio kontrastmittelaufnehmende Läsion vs. kontralaterale Hemisphäre nicht richtungsweisend ist, müsste entsprechend der Methylisierungsstatus bekannt sein, um das Ergebnis richtig werten zu können.

Die Studie zeigt mehrere Schwachstellen auf. Zunächst wurde nicht bei allen Patienten eine komplette Resektion durchgeführt, sondern z. T. nur eine Biopsie. Diese Fälle sollten aus dem Kollektiv komplett ausgeschlossen oder als eigene Subgruppe diskutiert werden, da inkomplett entfernte Tumoren im Progress ein anderes Verhalten zeigen als echte Rezidivtumoren. Diese Punkte werden in der Arbeit nicht weiter diskutiert und es werden auch keine Zahlen genannt. Die Autoren verwenden eine kommerzielle Auswerte-Software. Aus eigener Erfahrung ist diese v. a. in der Auswertung von Schlaganfällen hilfreich, für eine Hot-Spot-Analyse bei neuroonkologischen Fragestellungen eher ungenügend.

Zusatzinformationen wie der Methylisierungsstatus des MGMT-Promotors sind essenziell, um die Ergebnisse der DSC-MRT richtig werten zu können.

Die Definition von Pseudoprogression oder Rezidiv wird von den Autoren immer in Zusammenhang mit klinischer Symptomatik genannt, dies muss allerdings nicht der Fall sein. Auch in ihrem eigenen Kollektiv von 59 Patienten, bei denen sowohl der MGMT-Status als auch DSC-MRT-Daten vorlagen, fanden sich 4 Patienten, die ihren Kriterien nicht entsprachen und eine Pseudoprogression trotz Symptomen zeigten („second look surgery”). Ein weiteres Problem bei der Frage der Pseudoprogression oder Rezidiv ist die fehlende histologische Verifizierung. Letztlich wird dies durch fehlende Größenprogredienz im Follow-up-MRT definiert. Allerdings kennen wir sehr wohl Rezidive, die sich größenstabil über mehrere Untersuchungen wiederfinden lassen und dann mit oder ohne Entwicklung neuer Symptome schlagartig expansiv infiltrierend entwickeln. Auch ein kombiniertes Szenario ist denkbar, sodass eine falsche Einteilung in die Gruppen möglich wäre. Der Ansatz ist trotz der Schwachstellen jedoch sehr interessant und sollte in weiteren Kollektiven verifiziert werden. Für den klinischen Alltag gilt einmal mehr: Zusatzinformationen wie der Methylisierungsstatus des MGMT-Promotors sind essenziell, um die Ergebnisse der DSC-MRT richtig werten zu können.

Literatur beim Verfasser

E-Mail: ulmers@uhbs.ch

2. Kommentar

Prof. Claus Zimmer

Abteilung für Neuroradiologie der TU München

Klinikum rechts der Isar

Ismanninger Str. 22

81675 München

Es ist ein mittlerweile allseits bekanntes Phänomen, dass es unter oder nach der Behandlung eines Glioblastoms mittels Radio-Chemotherapie („concommitant chemoradiotherapy”, CCRT) in der MRT zu einem Anstieg der Kontrastmittelanreicherung nach Gd-DTPA-Gabe kommen kann. Diese sogenannte „Pseudoprogression” erscheint 2 – 3 Monate nach Beginn der Radio-Chemotherapie. Nach alleiniger Radiotherapie entwickelt sich die Strahlennekrose in der Regel zwischen dem 3. und 12. Monat. Pseudoprogression lässt sich mit konventioneller MRT-Bildgebung nicht von echtem Tumorwachstum („Progression”) unterscheiden. Problematisch ist das Phänomen der Pseudoprogression nicht zuletzt bei Glioblastom-Studien, wo Pseudoprogress fälschlicherweise häufig mit echtem Tumorprogress verwechselt wird, was den Wert dieser Studien letztlich minimiert. Auch klinisch wird bei der Pseudoprogression häufig ein echtes Tumorwachstum vorgetäuscht, da die durch nekrotisches Gewebe bedingte Läsionsvergrößerung zu einer Verschlechterung der klinischen Symptomatik führen kann, meist einhergehend mit erhöhtem Hirndruck. Bekannt ist auch, dass Pseudoprogression häufiger bei Hypermethylierung des MGMT-Promotor-Gens auftritt. Die Methylierung der MGMT-Promoter-Region geht in der Regel mit einer besseren Prognose und einem längeren Überleben von Patienten mit Glioblastomen einher.

Die Arbeit ist von Bedeutung, da hier erstmals molekularbiologische Daten mit funktionellen Bildgebungsdaten bei Glioblastomen kombiniert wurden und überzeugend gezeigt werden kann, dass Tumorperfusion nicht global interpretiert werden sollte.

Kong et al untersuchen, inwieweit durch MRT-Perfusionsbildgebung unter Berücksichtigung des Methylierungsstatus Pseudoprogression von echter Progression unterschieden werden kann. Bei 90 eingeschlossenen Patienten mit histologisch gesichertem Glioblastom zeigten unter CCRT 28,9 % eine Pseudoprogression und 36,7 % eine echte Progression. Über eine Analyse des gemittelten regionalen CBV lassen sich nach Therapie die beiden infrage kommenden Pathologien voneinander differenzieren, wobei rCBV bei unmethyliertem MGMT einen deutlich höheren Vorhersagewert besitzt. Die Autoren leiten als therapeutische Strategie daraus ab, dass zuerst der Methylierungsstatus des Glioms identifiziert und bei Positivität dann zunächst von einer Pseudoprogression ausgegangen werden sollte. Im unmethylierten Zustand sollte nach Ansicht der Autoren dann von einem Tumorprogress ausgegangen werden, wenn das rCBV ein bestimmtes Maß überschritten hat. Bei einer rCBV-Ratio größer als 1,47 geben die Autoren bei der kontrastverstärkten Perfusionsmessung eine Sensitivität von 81,5 % und eine Spezifität von 77,8 % an.

Die Arbeit ist von Bedeutung, da hier erstmals molekularbiologische Daten mit funktionellen Bildgebungsdaten bei Glioblastomen kombiniert wurden und überzeugend gezeigt werden kann, dass Tumorperfusion nicht global interpretiert werden sollte, sondern wie gezeigt, vor dem Hintergrund eines zuvor ermittelten molekularen Markers (in dem Fall ist es der Methylierungsstatus des MGMT-Promotor-Gens). Nur dann kann der Wert einer modernen funktionellen Bildgebungsmethode entsprechend hoch eingestuft und eine einigermaßen hohe Spezifität und Sensitivität zur Differenzierung solcher Pseudophänomene erreicht werden.

E-Mail: claus.zimmer@tum.de

    >