Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2010; 45(7/08): 496-504
DOI: 10.1055/s-0030-1262479
Fachwissen Schmerztherapie
Topthema: Chronische Schmerzen nach Operationen
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chronische Schmerzen nach Operationen – Prävention und Therapie

Prevention and therapy of prolonged, chronic pain after surgeryEsther Pogatzki-Zahn
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Publikationsdatum:
21. Juli 2010 (online)

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Zusammenfassung

Obwohl schon viel über die Epidemiologie und die Pathophysiologie chronischer postoperativer Schmerzen bekannt ist, gibt es bisher wenig neue Erkenntnisse über erfolgreiche Maßnahmen zu ihrer Prävention. Es liegen nur wenige randomisiert kontrollierte Studien zur medikamentösen bzw. interventionellen Prävention vor – mit großer Variabilität bezüglich Studiendesign und Ergebnis, die bisher keine evidenzbasierten Empfehlungen zulassen. Einzelne Hinweise für (möglicherweise prozedurenspezifische) Erfolge bei einer 30-tägigen präventiven Gabe von Pregabalin (chronische Schmerzen nach Knie-TEP) oder perioperativen Gabe von Ketamin i.v. (offene Kolonchirurgie) liegen vor. Es fehlen aber weitere Studien, die diese Ergebnisse bestätigen bzw. die die Dosis und Dauer einer erfolgreichen Therapie spezifizieren. Negative Studien relativieren zum Teil auch die positiven Ergebnisse. Nur perioperative Regionalanalgesieverfahren scheinen bisher unumstritten zu sein, obwohl deren Benefit limitiert und der optimale Beginn und die ideale Dauer ihres Einsatzes bisher völlig unklar sind. Weitere präventive Effekte kann möglicherweise die Reduktion von Risikofaktoren, die eine Schmerzchronifizierung begünstigen, hervorrufen. Hierzu gehört z.B. ein nervenschonendes Operationsverfahren, eine gute Therapie akuter Schmerzen nach Operation und ggf. auch eine optimale Einstellung schon präoperativ bestehender Schmerzen. Für die Zukunft wünschenswert sind Untersuchungen, die neu definierte Qualitätsstandards beachten, eine Identifikation von Patientensubgruppen ermöglichen, die besonders erfolgreich auf ein bestimmtes Therapieschema ansprechen, und multimodale Therapien, die auch psychologische oder physiotherapeutische Maßnahmen berücksichtigen, auf ihre Effektivität überprüfen.

Abstract

Prolonged, chronic pain after surgery is a very common phenomenon that has been underrecognized until recently. A number of risk factors and predictors (including the surgical procedure, age, gender, pre- and postoperative pain, psychosocial factors, genes and pain modulation variables) have been identified in the past years. Together with an increased knowledge about the pathophysiology of chronic pain after surgery, we may be able to develop successful drugs or interventions modifying the disease in subgroups of patients in the near future. However to date there is only little information about successful drugs or approaches which can be recommended to prevent chronic pain after surgery successfully. One of the reasons is the inadequacy of trial design and lack of prospective studies. Single RTCs show for example positive results with perioperative pregabaline for 30 days after total knee arthroplasty or short-term ketamine intravenously after open colon surgery. However, others have failed to show an effect after other procedures with similar drugs and treatment approaches. Positive results are consistently shown with regional anesthesia techniques perioperatively (for example epidural ananlgesia after thoracic surgery of paravertebral block after mastectomy). However, again, convincing evidence for certain treatment protocols (start and duration of regional anesthesia techniques) to get optimal results are limited at most. Thus, we are left with speculative effects after certain surgeries and may rely – at least to date – more on analgesic rather than disease related treatment approaches. Future studies with a standardized study design recognizing patient characteristics are highly needed to make progress and find drugs, strategies and approaches which can be applied to certain groups of patients to prevent the development of chronic pain after surgery successfully.

Kernaussagen

  • Chronische Schmerzen nach Operationen sind multifaktoriell bedingt. Dies impliziert eine multimodale Prävention und Therapie, die sich nach individuellen Faktoren, Art des operativen Eingriffs und möglicherweise auch nach Charakteristiken somatischer Schmerzhaftigkeit richtet.

  • Eine Vorhersagbarkeit postoperativer Schmerzen ist bisher nicht wirklich möglich.

  • Präemptive Analgesie bzw. Therapieverfahren sind weder für den akuten noch für den chronischen Schmerz erfolgversprechend. Prävention scheint dagegen ein möglicher Schlüssel zu sein, um akute wie auch chronische Schmerzen nach Operationen zu minimieren.

  • Studien zur Prävention chronischer Schmerzen nach Operationen sind bisher sehr heterogen. Oft haben sie Mängel im Design, die eine definitive Aussage zu bestimmten Verfahren und Substanzen schon aus diesem Grund schwierig bis unmöglich machen.

  • Bisher gibt es keine Substanz, die für die Prävention postoperativer Schmerzen zugelassen ist. Erfolgversprechend sind Substanzen wie Gabapentin oder Pregabalin oral oder Ketamin i. v. Allerdings sind die bislang vorliegenden Studien hierzu noch uneinheitlich.

  • Regionalanalgesieverfahren perioperativ haben insgesamt einen präventiven Effekt auf die Entwicklung chronischer postoperativer Schmerzen. Allerdings konnten Beginn und Dauer einer optimalen Prävention anhand von Regionalanalgesieverfahren bisher noch nicht definiert werden.

  • Der Erfolg präventiver Maßnahmen ist wahrscheinlich abhängig von der Art des operativen Eingriffs.

  • Gabapentin konnte bisher in randomisierten kontrollierten Studien nicht erfolgreich bei der Prävention chronischer Schmerzen nach Mastektomien eingesetzt werden.

  • Die Paravertebralblockade kann hervorragend akute postoperative Schmerzen und ggf. auch chronische Schmerzen nach Operationen therapieren bzw. präventiv beeinflussen.

  • Nach Thorakotomien scheint eine Epiduralanalgesie einen Vorteil hinsichtlich der Reduktion chronischer Schmerzen zu bringen. Es sieht aber so aus, als wäre dieser Effekt nur kurzfristig.

  • Nach Amputationen ist die Epiduralanalgesie das Verfahren der ersten Wahl auch für die Prophylaxe von Phantomschmerzen. Gabapentinoide haben sich bisher präventiv als nicht effektiv erwiesen.

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Literaturverzeichnis

Univ.-Prof. Dr. med. Esther M. Pogatzki-Zahn

eMail: pogatzki@anit.uni-muenster.de