Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2010; 7(3): 223
DOI: 10.1055/s-0030-1262633
Kommentar

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Kommentar zum Artikel von KJ Winzer et al. “Operative axilläre Diagnostik beim DCIS – Sonderauswertung der BQS-Daten” 2008

T. Kühn1
  • 1Esslingen
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Publication Date:
30 September 2010 (online)

Mit hohem Aufwand wird die Qualitätssicherung der BQS in den deutschen Kliniken und Brustzentren umgesetzt. Die Initiative der Autoren, die gewonnen Daten nunmehr auch für die Versorgungsforschung zu nutzen, verdient hohe Anerkennung. Dabei wird einerseits die Qualität der erhobenen Daten durch die BQS kritisch reflektiert. Andererseits werden die Konformität der Indikationsstellung von axillären Eingriffen beim DCIS mit aktuellen Leitlinien analysiert und daraus Empfehlungen für die mögliche Weiterentwicklung dieser Leitlinien entwickelt.

Die Autoren weisen zu Recht auf die Datenqualität der BQS-Daten hin. Diese bestehen einerseits in Kodierfehlern andererseits in Softwareproblemen. Die Beobachtung, dass 2,19 % aller Fälle trotz einer präoperativen Diagnosesicherung nicht als Karzinom eingestuft worden waren, ist dafür ein wichtiger Indikator ebenso wie die fehlende Angabe einer Histologie in 33,1 % der Fälle.

Bei aller Vorsicht im Umgang mit den verfügbaren BQS-Daten kann zumindest ein Trend für das axilläre Management beim DCIS in Deutschland abgeleitet werden. In 35,5 % der Fälle wurde ein operatives Staging der Axilla durchgeführt. In 0,43 % bestätigte sich ein positiver Lymphknotenbefall. Leider wird eine Zuordnung des axillären Eingriffs zur Art der Brustoperation (BET vs. Mastektomie) nicht aufgeführt, sodass letzten Endes unklar bleibt, bei wie vielen Frauen eine Konformität zu aktuellen Leitlinien gegeben ist.

Die deutsche S3-Leitlinie empfiehlt ein axilläres Staging (SLNB) bei Patientinnen, die eine Mastektomie erhalten. Die Rationale für diese Empfehlung (siehe dt. Konsensus Cancer 2005) liegt darin, dass durch eine Mastektomie das primäre Lymphabflussgebiet des Tumors zerstört wird, sodass eine sekundäre SLNB nicht mehr möglich ist, falls in der endgültigen histologischen Aufarbeitung invasive Tumoranteile beschrieben werden. Die Empfehlung begründet sich demnach nicht mit dem onkologischen Risiko der Patientin für einen Lymphknotenbefalls, sondern mit den technischen Aspekten einer fehlenden Durchführbarkeit der SLNB bei einer unerwartet nachgewiesenen Invasion.

Unter dem Terminus DCIS wird eine heterogene Gruppe von Läsionen zusammengefasst, die ein sehr unterschiedliches biologisches Verhalten aufweist. Einige Faktoren wie Alter, Komedonekrosen, Grading und solides Wachstumsmuster konnten als Risikofaktoren für ein intramammäres Rezidiv identifiziert werden. Inwieweit diese Faktoren auch mit dem Risiko für eine okkulte Invasion und damit der Möglichkeit eines Lymphknotenbefalles korrelieren, ist unklar. Das 2,5 cm messendes high grade DCIS mit Komedonekrosen der jungen Frau dürfte ein (gefühlt) höheres Risiko für eine okkulte Invasion aufweisen als ein 4,0 cm messendes low grade DCIS der älteren Patientin.

Auf Grund der Heterogenität der Entität “DCIS” erscheint es kaum möglich, eine standardisierte Empfehlung für die Indikationsstellung zu einer primären SLNB zu formulieren, die sich an morphologischen oder biologischen Faktoren orientiert. Vielmehr erscheint es weiterhin sinnvoll, die SLNB als sekundären Eingriff vorzunehmen, falls ein invasives Karzinom unerwartet nachgewiesen wird. Nur 0,43 % aller DCIS-Patientinnen weisen nach den BQS-Daten positive Lymphknoten auf. Dieses Ergebnis bestätigt die fehlende Indikation für eine primäre SLNB beim DCIS. Allerdings sollten präoperativ die Fälle identifiziert werden, bei denen die axillären Lymphabflusswege durch die Primäroperation mit hoher Wahrscheinlichkeit zerstört werden, sodass eine sekundäre SLNB nicht mehr möglich ist. Diese Situation ist immer bei einer Mastektomie gegeben ebenso wie bei großvolumigen Gewebeentnahmen im oberen äußeren Quadranten besonders im Bereich des axillären Ausläufers der Brust. Die Forderung nach einer festgelegten Ausdehnung der Läsion (4 oder 5 cm) für die Indikationsstellung für eine primäre SLNB ist dabei wenig sinnvoll, da zusätzlich die Nähe des Herdes zur Axilla sowie die Tumor-Brust-Relation bedacht werden müssen.

Eine Änderung der bestehenden Leitlinien für das axilläre Management der Axilla erscheinen daher auch in Kenntnis der ausgezeichneten Auswertung der BQS-Daten nicht sinnvoll. Grundsätzlich besteht danach keine Indikation zu einer primären SLNB beim DCIS. Diese kann im Einzelfall nach interdisziplinärer Diskussion in der präoperativen Konferenz durchgeführt werden, falls das Risiko für eine Invasion als hoch eingestuft wird oder die Lymphabflusswege durch die primäre Tumoroperation zerstört werden.