Gesundheitswesen 2010; 72 - V188
DOI: 10.1055/s-0030-1266369

Entscheidungsanalytische Evaluation der Langzeiteffektivität und Kosteneffektivität der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung in Deutschland

G Sroczynski 1, P Schnell-Inderst 1, N Mühlberger 1, K Lang 2, P Aidelsburger 2, J Wasem 3, T Mittendorf 4, J Engel 5, P Hillemanns 6, K Petry 7, A Krämer 8, U Siebert 9
  • 1Department of Public Health, Information Systems and Health Technology Assessment, UMIT – University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i. T., Austria
  • 2Carem GmbH, Sauerlach
  • 3Lehrstuhl für Medizin-Management, Universität Duisburg-Essen, Essen
  • 4Institut f. Gesundheitsökonomie, Universität Hannover, Hannover
  • 5Tumorregister München des Tumorzentrums München, Institut für med. Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
  • 6Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • 7Frauenklinik, Klinikum der Stadt Wolfsburg, Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover, Hannover
  • 8School of Public Health, Fakultät f. Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld
  • 9Department of Public Health, Information Systems and Health Technology Assessment, UMIT – University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i. T., Austria

Einleitung/Hintergrund: Persistente Infektionen mit Hochrisikotypen der Humanen Papillomaviren (HPV) sind assoziiert mit der Entwicklung von Zervixkarzinomen. Die HPV-DNA-Diagnostik erzielte in Studien eine höhere Sensitivität jedoch geringere Spezifität als die aktuell eingesetzte Zytologie. Ziel dieses vom DIMDI in Auftrag gegebenen HTA ist eine systematische Evaluation der Langzeiteffektivität und Kosteneffektivität des HPV-basierten Zervixkarzinom-Primärscreenings in Deutschland. Methoden: Es wurde ein Markov-Modell für den natürlichen Verlauf der Zervixkarzinomentwicklung für den Kontext des deutschen Gesundheitssystems entwickelt und validiert. Als Screeningstrategien wurden Zytologie allein, HPV-Screening allein oder in Kombination mit Zytologie oder mit zytologischer Triage von HPV-positiven Frauen in unterschiedlichen Screeningintervallen untersucht. In das Modell gingen deutsche epidemiologische, klinische und ökonomische Daten sowie Daten zur Testgüte aus internationalen Metaanalysen ein. Zielparameter der Analysen waren die Risikoreduktion für Zervixkrebs/-mortalität, Restlebenserwartung und das diskontierte inkrementelle Kosten-Effektivitätsverhältnis (IKEV). Die Kostenträgerperspektive wurde gewählt und 3% jährliche Diskontrate. Ergebnisse: HPV-basiertes Screening war effektiver als die Zytologie (71%-97% versus 53%-80% Risikoreduktion für Zervixkrebs, je nach Screeningintervall). Die IKEV lagen zwischen 2.600 Euro/Lebensjahr (LJ) (Zytologie allein ab 20J, 5-J-Intervall) und 155.500 Euro/LJ (Zytologie 20J-29J, HPV-Screening ab 30J, 1-J-Intervall). Jährliche Zytologie, wie derzeit in Deutschland empfohlen, wurde von anderen Screeningstrategien dominiert. Die Erhöhung des Alters für den Screeningbeginn auf 25J hatte keinen relevanten Effektivitätsverlust zur Folge, reduzierte aber den Ressourcenverbrauch. Mit einem IKEV von 23.400 Euro/LJ war das HPV-Screening ab 30J und Zytologie im Alter 25J-29J jeweils im 2-J-Intervall die optimale Strategie. Diskussion/Schlussfolgerungen: Basierend auf diesen Modellergebnissen ist das HPV-basierte Zervixkrebsscreening effektiver als die Zytologie und bei Screeningintervallen von zwei oder mehr Jahren als kosteneffektiv zu bewerten. Für den deutschen Kontext könnte ein HPV-Screening ab dem 30. LJ und Zytologie im Alter von 25–29J jeweils im 2-J-Intervall eine optimale Strategie sein. Längere Screeningintervalle könnten für Frauen ohne erhöhtes Risiko und regelmäßiger Screeningteilnahme bzw. im Fall einer Abnahme der HPV-Inzidenz in der Population um mehr als 70% sinnvoll sein.