Diabetes aktuell 2010; 8(5): 205
DOI: 10.1055/s-0030-1266772
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Diabetologie – Welcher Zielblutdruck bei Diabetes und KHK?

Winfried Keuthage
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Publication Date:
08 September 2010 (online)

Hintergrund: Die Leitlinien nahezu aller Fachgesellschaften empfehlen bei Diabetes mellitus Zielblutdruckwerte unter 130 mmHg systolisch. Allerdings fehlt es bislang an Daten, die den Nutzen einer solch strengen Blutdruckeinstellung bei Personen mit Diabetes mellitus und Koronarer Herzerkrankung (KHK) belegen.

Methode: In einer beobachtenden Subgruppenanalyse mit 6 400 von 22 576 Teilnehmern der International Verapamil SR-Trandolapril Study (INVEST) wurden Personen im Alter von über 50 Jahren mit den Diagnosen Diabetes mellitus und KHK zwischen 1997 bis 2000 ausgewählt und zunächst bis März 2003 (mit Verlängerung bis August 2008) beobachtet. Die Studienteilnehmer erhielten als First-Line-Therapie entweder einen Kalzium-Antagonisten oder einen Beta-Blocker, gefolgt von einem Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)-Hemmer, einem Diuretikum oder beidem bei einem Zielblutdruck von systolisch unter 130 und diastolisch unter 85 mmHg. Die Blutdruckkontrolle wurde als streng definiert bei systolischen Werten unter 130 mmHg, als normal bei systolischen Werten zwischen 130 und 140 mmHg und als unzureichend bei systolischen Werten von 140 mmHg und darüber. Der kombinierte primäre Endpunkt setzte sich zusammen aus der Gesamtmortalität sowie nicht tödlichem Myokardinfarkt und nicht tödlichem Apoplex.

Ergebnisse: Während des Follow-ups von 16 893 Personenjahren ereignete sich bei 286 Personen (12,7 %) mit strenger, bei 249 Personen (12,6 %) mit normaler und bei 431 Personen (19,8 %) mit unzureichender Blutdruckkontrolle ein kardiovaskuläres Ereignis im Sinne des primären Endpunktes. Die kardiovaskulären Ereignisraten betrugen in der Gruppe mit normaler Kontrolle 12,6 versus 19,8 % in der Gruppe mit unzureichender Kontrolle (adjustierter hazard ratio [HR] 1,46; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,25–1,71; p < 0,001). Demgegenüber waren die Ereignisraten zwischen normaler (12,6 %) und strenger Kontrolle (12,7 %) nicht signifikant unterschiedlich (adjustierter HR 1,11; 95 %-KI 0,93–1,32; p = 0,24).

Die Gesamtmortalität betrug 11,0 % bei strenger und 10,2 % bei normaler Blutdruckkontrolle (adjustierter HR 1,20; 95 %-KI 0,99–1,45; p = 0,06). Bei Berücksichtigung des verlängerten Follow-ups lag die Gesamtmortalität bei 22,8 % unter strenger Kontrolle versus 21,8% unter normaler Kontrolle (adjustierter HR 1,15; 95 % CI 1,01–1,32; p = 0,04).

Folgerung: Eine strenge Blutdruckkontrolle mit systolischen Werten unter 130 mmHg bringt im Vergleich zu einer normalen Blutdruckkontrolle mit systolischen Werten zwischen 130 und 140 mmHg keinen Vorteil in Bezug auf kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Demgegenüber steigt das kardiovaskuläre Risiko bei unzureichender Blutdruckkontrolle mit systolischen Werten über 140 mmHg signifikant an.

Quelle

  • 1 Cooper-DeHoff RM, Gong Y, Handberg EM et al.. Tight blood pressure control and cardiovascular outcomes among hypertensive patients with diabetes and coronary artery disease.  JAMA. 2010;  304 61-68

Dr. med. Winfried Keuthage