Hebamme 2010; 23(4): 208
DOI: 10.1055/s-0030-1267800
Editorial
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Wie kann die Rate der Geburtsverletzungen reduziert werden?

Franz Kainer
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
20. Dezember 2010 (online)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

trotz der Fortschritte in der Perinatalmedizin haben Geburtsverletzungen in den letzten 20 Jahren nicht abgenommen. Ein Faktor ist dabei natürlich auch die ständig steigende Kaiserschnittrate der letzten Jahre. Die durch die Sectio verursachten Gewebsverletzungen lassen sich zwar in der Regel gut versorgen, aber es sind mit diesem Eingriff erhebliche Nachteile bei Folgeschwangerschaften verbunden.

Deshalb beginnt heute erfreulicherweise in vielen Geburtskliniken von ärztlicher Seite wieder ein Umdenken hin zur vaginalen Geburt. Hebammen müssen in dieser Frage nicht umdenken, da sie schon immer ganz klar die vaginale Geburt favorisiert haben.

In diesem Heft evaluieren Hebammen und Hebammenschülerinnen anhand der vorhandenen Literatur, inwieweit Geburtsverletzungen vermieden werden können. In den einzelnen Beiträgen werden u. a. die Dauer der Austreibungsperiode, die Gebärhaltung, die operative Geburtshilfe, die Anleitung der Gebärenden durch die Hebamme sowie der Dammschutz untersucht.

Bei der Beurteilung der Austreibungsphase wird gezeigt, dass der entscheidende Faktor die aktive Pressphase ist. Studien belegen, dass das spontane Mitschieben in der Endphase der Geburt dem „Power-Pressen” überlegen ist. Geburtsverletzungen können deshalb allein durch das Vermeiden des „Power-Pressens” reduziert werden.

Und die Bedeutung des Dammschutzes wird in dem griffigen Satz zusammengefasst: „Der beste Dammschutz ist der Verzicht auf unnötige Interventionen”.

Manchmal sind Präventionsmaßnahmen richtig einfach!

Mehrere Artikel basieren auf den Ergebnissen von Forschungsarbeiten, die von Hebammenschülerinnen und -studentinnen für den Justina-Siegemund-Preis unserer Zeitschrift eingereicht worden sind. Es ist hocherfreulich zu sehen, wie die Zahl der Forschungsarbeiten, die im Rahmen der Hebammenausbildung entstehen, von Jahr zu Jahr zunimmt.

In einem Beitrag erhalten wir dann noch – so nebenbei – einen interessanten Einblick in zukünftige Forschungsmethoden. Wir werden mit „threads” und „posts” konfrontiert. – Das Internet hat auch die Geburtshilfe fest im Griff.

Und die Themen gehen uns nicht aus! Es gibt noch Berge von praktisch hochrelevanten Fragen und Themen aus dem Bereich der Geburtshilfe, zu denen es bisher nur wenig gesicherte Daten gibt.

Diese Ausgabe möchte Ihnen Anregungen für Ihre tägliche Arbeit geben und Ihnen nicht zuletzt auch Lust machen, vielleicht selber oder zusammen mit Kolleginnen ein eigenes Forschungsprojekt in Angriff zu nehmen.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und neue Motivation zum kritischen Überdenken der Alltagsroutine.

Herzliche Grüße

Ihr

Prof. Dr. Franz Kainer