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DOI: 10.1055/s-0030-1270820
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Honorarregress bei gesetzwidriger Gestaltung von Gemeinschaftspraxisverträgen
Anmerkungen zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.06.2010 – Az.: B 6 KA 7/09 R -Publication History
Publication Date:
08 February 2011 (online)
Einführung
Die Gestaltung von ärztlichen Praxisverträgen ist für den mit dem Vertragsarztrecht befassten Rechtsanwalt ein bekanntes Geschäft. In der Radiologie hat der Abschluss von Gemeinschaftspraxisverträgen, aufgrund der hohen Investitionen und der gesellschaftsrechtlichen Haftung sämtlicher Gesellschafter im Außenverhältnis einen besonderen Stellenwert. Seit Jahren wird unter den mit dieser Rechtsmaterie befassten Juristen jedoch darüber gestritten, ob vertragliche Konstellationen zulässig sind, in denen niedergelassene Vertragsärzte in Gemeinschaftspraxen eingebunden werden, ohne dass sie am materiellen und immateriellen Vermögen sowie Gewinn und Verlust beteiligt sind. Die Frage, welche Gesellschafterrechte ein sog. „Juniorpartner“ in einer Gemeinschaftspraxis haben muss, um noch eine Gesellschafterstellung inne zu haben und nicht als verdeckter Angestellter zu gelten, war jedoch bisher weitgehend akademischer Natur, da die Zulassungsausschüsse entweder großzügig verfuhren oder ihnen entsprechende Vereinbarungen nicht bekannt wurden, weil sie die Verträge nicht anforderten. Diese Situation dürfte sich durch die Entscheidung des BSG vom 23.06.2010 jedoch grundlegend ändern.
Die Problematik besteht in der Praxis häufig darin, dass die Ärzte einer Gemeinschaftspraxis jungen Kollegen die Möglichkeit geben wollen, in die bestehende Gesellschaft einzusteigen, obwohl die finanziellen Eigenmittel der jungen Ärzte eine Kapitalbeteiligung am Gesellschaftsvermögen noch nicht unbedingt zulassen oder diese das Risiko einer hohen Verschuldung, aufgrund der Unsicherheiten einer Refinanzierung durch das vertragsärztliche Vergütungssystem, scheuen. Dies ist insbesondere bei Fachgebieten wie der Radiologie problematisch, bei denen die Praxisausstattung aufgrund der erforderlichen Geräte und sonstigen Betriebsmittel hohe Ausgaben erfordert. Das Vertragsarztrecht lässt jedoch gegenwärtig die Tätigkeit eines niedergelassenen Arztes mit vertragsärztlicher Zulassung in einer Gemeinschaftspraxis nur in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder einer Partnerschaftsgesellschaft (PartG) zu und erfordert daher zwingend eine Gesellschafterstellung.
Um den Einstieg des ärztlichen Nachwuchses dennoch zu ermöglichen, wird in der Gestaltungspraxis häufig das Modell der sog. „Nullbeteiligung“ gewählt, wobei der neu aufgenommene Arzt für eine Übergangszeit als Kennenlernphase oder aber auch auf Dauer am Gesellschaftsvermögen der Gemeinschaftspraxis nicht beteiligt wird und einen pauschalierten Gewinnanteil erhält. Der neu aufgenommene Arzt zahlt folglich keinen Kaufpreis für einen Geschäftsanteil und erspart somit erhebliche Aufwendungen. Demgegenüber steht ihm jedoch im Vergleich zu den am Vermögen beteiligten Gesellschaftern meist nur ein deutlich niedrigerer Gewinnanteil zu. Ziel, eine derartige „Nullbeteiligung“ zunächst nur für einen begrenzten Zeitraum zu vereinbaren (Kennenlernphase), ist es, die Zusammenarbeit in dieser Zeit zu „erproben“ und somit die fachlichen als auch persönlichen Kompetenzen des ärztlichen Nachwuchses kennenlernen zu können. Eine wirtschaftliche Beteiligung soll also gerade nicht vor dem sicheren Wissen der funktionierenden Kooperationsfähigkeit zwischen den neuen Partnern erfolgen. Sollte sich während der Kennenlernphase eine Zusammenarbeit als nicht effektiv herausstellen, so kann im Fall des Modells der Nullbeteiligung eine eventuelle Trennung oder Umwandlung der Zusammenarbeit in ein Anstellungsverhältnis mangels vermögensmäßiger Verbindung leichter fallen.
Wie das Urteil des Bundessozialgerichts zeigt, sind jedoch derartigen „Nullbeteiligungen“ enge Grenzen gesetzt. Vertragliche Gestaltungen, die die vom BSG aufgestellten Anforderungen nicht beachten, laufen Gefahr gegen die vertragsarztrechtlichen Vorgaben mit der Folge zu verstoßen, dass die nach § 33 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erforderliche Genehmigung zur gemeinsamen Berufsausübung auch rückwirkend als nicht rechtmäßig erteilt angesehen wird und das an die Gemeinschaftspraxis in diesem Zeitraum ausgezahlte Honorar von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zurückgefordert werden kann.
RA Dr. Peter Wigge, Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwälte Wigge
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