Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2011; 8(2): 85
DOI: 10.1055/s-0031-1271505
Kooperation und Konsens

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Sentinel-Node-Biopsie – eine aktuelle Standortbestimmung

T. Kühn Konsensusgruppe Sentinel Node der Deutschen Gesellschaft für Senologie
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Publication Date:
17 June 2011 (online)

Kaum ein Themenbereich unterliegt derzeit einer vergleichbaren Neubewertung wie die Rolle der Lymphknoten für die Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms. Dabei war die Entfernung der axillären Lymphknoten seit jeher ein fester Bestandteil in der operativen Behandlung von Brustkrebs. Die Zielsetzung der Axilladissektion hat sich jedoch mit dem Wandel der Therapiestrategien verändert. Diente die Lymphknotenentfernung in der Halstedtschen Ära der optimalen mechanischen Resektion aller erreichbaren Tumorzellen, so änderte sich die Zielsetzung des Eingriffs mit der Zunahme der Bedeutung systemischer Therapieansätze. Als wichtigster Prognoseparameter dient der Lymphknotenstatus heute einer individuellen und risikoadaptierten Planung der adjuvanten Therapiestrategien. 

Die komplette axilläre Dissektion (AD) mit Entfernung von mindestens 10 Lymphknoten aus den Leveln I und II war über viele Jahre hinweg die einzige Möglichkeit, den Nodalstatus zu erfassen. Gleichzeitig erhielten die Patientinnen eine „präventive“ Therapie, um die regionäre Kontrolle im Falle positiver Lymphknoten zu sichern. Die Einführung der Sentinel-Lymphknotenbiopsie (SLNB) führte vor 10 Jahren erstmals zu der Möglichkeit, den Lymphknotenstatus mit einem ziel­gerichteten, minimalinvasiven Eingriff zu bestimmen. Dadurch konnte die Morbidität für Patientinnen ohne Lymphknotenbefall erheblich reduziert werden, ohne die diagnostische Sicherheit und die daraus resultierende adjuvante Therapie zu beeinträchtigen [1] [2] . 

Bemerkenswert war die kurze Zeitdauer, in der die SLNB zur klinischen Reife geführt wurde. Eine gezielte Förderung durch die Deutsche Gesellschaft für Senologie ermöglichte neben einem strukturierten klinischen Forschungsprogramm die zügige und flächendeckende Im­plementierung der SLNB durch einen interdisziplinär abgestimmten Konsensus, in dem technische und klinische Fragestellungen des Verfahrens standardisiert wurden. Parallel dazu wurde ein Kursprogramm organisiert, das Klinikern die Einarbeitung in die theoretischen und operationstechnischen Aspekte der SLNB ermöglichte. 

Die SLNB ist heute als Standardverfahren für das axilläre Staging beim Mammakarzinom fest etabliert. Dennoch verbleiben zahlreiche offene Fragen zum Stellenwert des axillären Stagings in speziellen Situationen. Gerade im Zusammenhang mit der neoadjuvanten Chemotherapie konnte bisher nicht geklärt werden, ob die SLNB eher vor der Systemtherapie durchgeführt werden sollte, um dadurch die ­adjuvante Therapie zu individualisieren oder ob der SLN nach der CHT entfernt werden sollte, um so die Rate an Axilla erhaltenden Eingriffen zu erhöhen. 

Durch eine Anschubfinanzierung der Deutschen Gesellschaft für Senologie wurde mit der SENTINA-Studie eine Forschungsinitiative unterstützt, die derzeit zu den weltweit größten operativen Studien zählt. Darin wird der Stellenwert der SLNB im Rahmen von neoadjuvanten Therapiekonzepten an über 1500 Patientinnen untersucht. Über 1300 Frauen wurden bereits in die Studie rekrutiert, deren Durchführung durch weitere Fördergelder von Brustkrebs Deutschland e. V. ermöglicht wird. 

Neueste Entwicklungen hinterfragen immer mehr den Stellenwert der Axilladissektion bei tumorbefallenen Lymphknoten [3] [4] . In der Z11-Studie des American College of Surgical Oncologists (ACOSOG) führte der Verzicht auf eine AD nicht zu einer erhöhten regionären Rezidivrate. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Studie nicht ihr Rekrutierungsziel erreichte und dass ausschließlich prognostisch günstige Patientinnen eingeschlossen wurden. Alle Frauen erhielten eine brusterhaltende Therapie mit anschließender Tangentialfeldbestrahlung der Brust. Daher sind die Ergebnisse noch nicht ­bedingungslos auf die klinische Routine übertragbar. Dennoch scheint sich der ­Paradigmenwechsel für das Management der Lymphabflusswege fortzusetzen. In den nächsten Jahren werden die Ergeb­nisse großer randomisierter Studien erwartet, die den Stellenwert der Axilla­chirurgie weiter klären werden. Zumindest erscheint es so, dass die chirurgische Entfernung von Lymphknoten mit wenig therapeutischem Nutzen verbunden zu sein scheint, so dass die Radikalität axillärer Interventionen in der Zukunft weiter zurückgehen wird. 

Literatur

  • 1 Kuehn T, Vogl F D, Helms G et al. Sentinel-Node-Biopsy is a reliable method for axillary staging in breast cancer: results from a large prospective German multi-institu­tional trial.  Eur J Surg Oncol. 2004;  30 252-259
  • 2 Kuehn T, Bembenek A, Decker T et al. Consensus Committee of the German Society of Senology. A concept for the clinical implementation of sentinel lymph node biopsy in patients with breast carcinoma with special regard to quality assurance.  Cancer. 2005;  103 451-461
  • 3 Giuliano A E, McCall L, Beitsch P et al. Loco­regional recurrence after sentinel lymph node dissection with or without axillary dissection in patients with sentinel lymph node metastases.  Ann Surg. 2010;  252 426-433
  • 4 Giuliano A E, Hunt K K, Ballman K V et al. Axillary dissection vs no axillary dissection in women with invasive breast cancer and sentinel lymph node metastases.  JAMA. 2011;  305 569-575

Prof. Dr. med. T. Kühn

Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe · Klinikum Esslingen

Hirschlandstraße 97

73730 Esslingen

Email: t.kuehn@klinikum-esslingen.de