Sprache · Stimme · Gehör 2010; 34(4): 186
DOI: 10.1055/s-0031-1271900
Hören - Erkennen - Verstehen

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Lee-Silverman-Voice-Treat-ment bei Morbus Parkinson

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Publication Date:
13 January 2011 (online)

Viele Patienten mit Morbus Parkinson leiden jenseits der motorischen Störungen auch an Kommunikationsproblemen. Das Lee-Silvermann-Voice-Treatment [1] kann durch intensive Arbeit an der Stimme die Verständlichkeit verbessern.

Morbus Parkinson gehört in älter werdenden Gesellschaften zu den häufigen neurodegenerativen Erkrankungen. Die Deutsche Parkinson Vereinigung e.V. [2] schätzt die Anzahl der in Deutschland an Morbus Parkinson Erkrankten auf 240.000 bis 280.000.

Die Erkrankung ist deutlich altersabhängig, so dass bei einer Zunahme älterer Menschen auch mit einer Zunahme der Erkrankung gerechnet werden muss. Als Kardinalsymptome des Morbus Parkinson werden Bradylalie, Rigor, Tremor und posturale Störungen genannt [3]. Differenzialdiagnostisch unterscheidet man zudem den idiopathischen Parkinson und die nicht idiopathischen Parkinsonsyndrome wie MSA, PSP, u.a. [4]. Medikamentöse Therapie mit L-Dopa kann insbesondere beim idiopathischen Parkinson zu einer deutlichen Reduzierung der motorischen Probleme führen. Wenig Einfluss nimmt sie jedoch auf die in der medizinischen Literatur eher selten beschriebenen stimmlich-, sprachlichen Probleme. Dabei haben nach einer Umfrage der amerikanischen Parkinson Selbsthilfevereinigung annähernd 90% der an Parkinson erkrankten Menschen Kommunikationsprobleme. Durch reduzierte Lautstärke, monotone Stimmführung und brüchigen Stimmklang ist die Verständlichkeit bei vielen stark herabgesetzt. Auch schätzen viele Betroffene auf Grund des schleichenden Verlaufs ihre zunehmend leiser werdende Stimme falsch ein (Beispiel 1). Zunehmende Kommunikationsprobleme führen bei vielen zu sozialem Rückzug und Depression.


Beispiel 1

Herr Prof. K. (63 J.) bemerkte die ersten Symptome seines idiopathischen Parkinsons vor 2 Jahren, als er zunehmend öfter von seinen Studenten nicht mehr verstanden wurde. Er habe zwar nie besonders laut gesprochen, doch heute würden nur noch 30% seiner Äußerungen beim ersten Mal verstanden. Auch könne er sich im Freundes- und Familienkreis stimmlich nicht mehr durchsetzen. Die medikamentöse Therapie mache ihn zwar beweglicher, mit der Stimme werde es aber immer schlechter.

Prof. K. bietet optimale Voraussetzungen für das seit einigen Jahren auch in Deutschland bekannte Lee-Silverman-Voice-Treatment (LSVT). Das von Lorraine Ramig und Cynthia Fox [5] in den USA entwickelte logopädische Therapieprogramm stellt die intensive Arbeit an der Stimme in den Fokus der Behandlung. Dabei sind 5 Grundprinzipien zu beachten.

1. Fokussierung auf die Stimme (Voice Focus) Die in der logopädischen Therapie bei dysarthrischen Patienten häufig eingesetzten Übungen zum Haltungsaufbau, sowie Entspannungs-, Atem-, Artikulationsübungen werden zu Gunsten eines intensiven Trainings der Stimme nicht durchgeführt.

2. Hoher Kraftaufwand (High Effort) Es wird immer mit hohem aber gesundem Kraftaufwand geübt. Der Patient selbst muss die muskuläre Arbeit spüren.

3. Intensive Behandlung (Intensive Treatment) in 4 aufeinander folgenden Wochen werden jeweils 4 60-minütige Behandlungseinheiten durchgeführt. Zusätzlich muss der Patient an den Behandlungstagen einmal, an den therapiefreien Tagen zweimal zu Hause üben.

4. Kalibrierung (Calibration) Der Therapeut gibt in den Therapiestunden kontinuierlich Rückmeldung zur Lautstärke und Verständlichkeit. Ständige Rückmeldungen sollen die Selbsteinschätzung des erforderlichen Kraftaufwands für eine angemessene Lautstärke neu kalibrieren.

5. Quantifizierung (Quantification) Der Therapeut führt kontinuierliche Messungen der Lautstärke, der Tonhöhe sowie der Tonhaltedauer durch, die dem Patienten ebenfalls rückgemeldet werden.

Die Grundübungen der LSVT-Therapie bestehen aus jeweils 15 "ah" in mittlerer Stimmlage, die so lange wie möglich und möglichst laut durchgeführt werden. Anschließend folgen 15 "ah" in hoher und in tiefer Lage. Ebenfalls zu den Grundübungen, die in jeder Therapiesitzung durchgeführt werden, gehören 50 häufig benutzte Worte sowie fünfmal 10 Phrasen, die der Patienten in seinem Alltag häufig benutzt. Die Grundübungen werden von Woche zu Woche um Sätze, Redewendungen, kurze Texte oder Gedichte erweitert. In der 4. Woche wird neben den Grundübungen die Konversation in angemessener Lautstärke trainiert. Auch bei diesen Übungen erhält der Patient kontinuierlich Rückmeldungen von Seiten des Therapeuten. Um den Transfer in den Alltag zu erreichen, erhält der Patient stufenartig Aufgaben für den Alltag wie: laut grüßen, nach der Uhrzeit fragen, Zeitungsausschnitt vorlesen.

Nach 4 Wochen ist die LSVT-Therapie beendet. Der Patient muss allerdings kontinuierlich alleine weiter üben. Nach 6 Monaten kann eine logopädische Kontrolle und ggf. Auffrischungstherapie mit wenigen Sitzungen durchgeführt werden.

Mit Prof. K. wurde die LSVT-Therapie nach oben beschriebenem Programm durchgeführt. Bereits in der 2. Woche zeigten sich deutliche Verbesserungen im Einsatz der Stimme. Nach Abschluss der 4-wöchigen Therapie war Prof. K. fähig, seine Stimme wieder dauerhaft kraftvoll einzusetzen (Beispiel 2). Die bisher durchgeführten Nachkontrollen (0,5; 1; 2 Jahre nach Therapieabschluss) zeigten, dass Prof. K. seine Stimme nach wie vor kräftig einsetzen kann.


Beispiel 2

Literatur