Psychother Psychosom Med Psychol 2011; 61 - A077
DOI: 10.1055/s-0031-1272433

Mentalisierungsfähigkeit im Verlauf stationärer psychotherapeutischer Behandlung von depressiven Patienten

J Schütte 1, A Kümmel 1, S Fleck 2, R Mielke 2, M Langenbach 1
  • 1Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, St. Marien-Hospital Bonn
  • 2Neurowissenschaften und Rehabilitation, Humanwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln

Mentalisierungsdefizite scheinen ein diagnoseübergreifendes Kernmerkmal von Patienten in stationärer psychotherapeutischer Behandlung zu sein (Subic-Wrana et al. 2010). Bei depressiven Patienten sind Mentalisierungsaktivitäten wie Intentionalität, Perspektivenübernahme und Zugang zu eigenen affektiven Zuständen beeinträchtigt. Mentalisierungsdefizite depressiver Patienten wurden bei affektiv besetzten Themen wie Tod und Verlust berichtet (Staun et al. 2010). Wir untersuchten 30 konsekutive, unausgewählte Patienten (ICD–10: F32/33.1/2) mit mindestens mittelschwerer depressiver Symptomatik (BDI >18) mit verschiedenen Testinstrumenten (SCL–90-R, BDI-II, FSozU, AAS, RME, MASC-Test). Zum Vergleich der Mentalisierungsfähigkeit dienten eine altersgematchte, parallelisierte Kontrollgruppe gesunder Probanden und die Patientengruppe nach sechswöchiger Behandlung. Die depressiven Patienten waren bei Aufnahme im Mittel nicht stärker in ihrer Mentalisierungsfähigkeit beeinträchtigt als die Gesunden. Allerdings imponierten Untergruppen der depressiven Patienten mit unterschiedlicher Mentalisierung. Der Schweregrad der Depression korreliert offenbar umgekehrt mit der Mentalisierungsfähigkeit. Die Verbindung von Affekt und Kognition ist Voraussetzung für das Entstehen von selbsterlebter und anderen zugeschriebener Intentionalität (Fonagy et al. 2004). Möglicherweise gibt es eine Gruppe depressiver Patienten mit Mentalisierungsdefiziten, die besonderer therapeutischer Aufmerksamkeit benötigt.