Endo-Praxis 2011; 27(1): 5
DOI: 10.1055/s-0031-1272905
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Endoskopie und Antikoagulation – mehr Medikamente, wo sind die Risiken ?

S. Rossol
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Publication Date:
22 February 2011 (online)

Die optimale Patientenvorbereitung ist und bleibt eine Grundvoraussetzung der Untersuchungsqualität und schützt damit vor periinterventionellen Risiken und Komplikationen. Neben der Patientenaufklärung und einer eventuell notwendigen Antibiotikaprophylaxe sind die zunehmenden Blutungsrisiken durch teilweise neue gerinnungshemmende Medikamente und ihre Kombinationen zu berücksichtigen.

Bereits heute erhalten in Deutschland mehr als 700 000 Patienten Vitamin-K-Antagonisten aufgrund der Indikationen Vorhofflimmern, Herzklappenfehler, venöse oder arterielle Thrombembolien sowie Gerinnungsstörungen. Zunehmend werden auch Patienten mit Medikamentenkombinationen wie Aspirin und Clopidogrel z. T. in hoher Dosierung und monatelanger Einnahme versorgt. Auch drängen neue Produkte wie z. B. Dabigatran und Rivaroxaban als neue orale Antikoagulantien auf den Markt und betonen das immer komplexere medikamentöse Gerinnungsmanagement der Patienten. Nicht zuletzt besteht auch ein Risiko durch die sporadische oder regelmäßige Applikation von nicht steroidalen Antiphlogistika, die für mehr als 25 % der Allgemeinbevölkerung zutrifft und durch den kaum geregelten Zugang in den Apotheken ermöglicht wird.

Da die wenigsten endoskopischen Untersuchungen im Notfall durchgeführt werden, müssen Blutungskomplikationen unbedingt vermieden werden. In Ergänzung zur Blutungsgefährdung während der endoskopischen Untersuchung muss aber auch eine mögliche Gefährdung des Patienten durch unterlassene notwendige Gerinnungshemmung und neue thrombembolische Ereignisse verhindert werden. Ein bewusst durchgeführtes und an den individuellen Patientenrisiken orientiertes Gerinnungsmanagement ist somit unabdingbar.

Wie hoch ist das realistische Risiko bei den Pa-tienten mit gerinnungshemmenden Substanzen und welchen Einfluss haben die neuen Medikamente auf die Vorbereitung zur endoskopischen Untersuchung?

Grundsätzlich gilt: vor jeder Untersuchung sollte bei dem (noch nicht sedierten!) Patienten die Gerinnungssituation kurz abgefragt und die bestimmten Laborwerte (Blutbild, Quickwert/INR) bewertet werden. Nicht allen Patienten ist ihre Gerinnungssituation bewusst und die genannten Gerinnungstests betreffen nicht alle relevanten Parameter. Letztlich können auch bei Patienten mit normaler Blutgerinnung lokale Faktoren zu einem erhöhten Blutungsrisiko führen (z. B. Angiodysplasien).

Dieser persönliche Kontakt zum Patienten vor der Untersuchung ist somit die letzte Möglichkeit, das potenzielle Blutungsrisiko zu bestimmen und zu reagieren.

Es gilt aber auch: der überwiegende Anteil endoskopischer Untersuchungen ist trotz Einnahme gerinnungshemmender Medikamente ohne stark erhöhtes Risiko möglich und das bisher gelebte rigide praktische Vorgehen entspricht mehr der Erfahrung als dem Resultat gut kontrollierter Studien!

Relevant ist die Unterscheidung zwischen rein diagnostischen Endoskopien (einschließlich Biopsieentnahme) und therapeutischen Eingriffen. Vor allem bei der endoskopischen Polypabtragung, der Papillotomie oder der Varizenbehandlung kann es zu relevanten Blutungen kommen und die Gerinnungsparameter sind entsprechend einzustellen. Eine Koloskopie ist hinsichtlich des Gerinnungsmanagements immer wie eine Polypektomie zu bewerten.

Bei Therapie mit Plättchenfunktionshemmern und einem niedrigem Blutungsrisiko bestehen keine Bedenken gegen den Eingriff, auch wenn eine Biopsie entnommen wird. Vor nicht aufschiebbaren Eingriffen mit einem hohem Blutungsrisiko sollte Clopidogrel 7 Tage lang ausgesetzt werden.

Das konkrete Vorgehen bei Patienten bedeutet auch, dass die Kommunikation zum Patienten entweder direkt oder über die überweisende Institution (Praxis oder Klinik) erfolgen muss. Hierzu sind klare und belastbare Regelungen notwendig, um das Gefährungszeitfenster für den Patienten vertretbar zu halten und unsinnige Endoskopievorbereitungen (z. B. Koloskopievorbereitung ohne Absetzen der Gerinnungsmedikation!) zu vermeiden.

Das angepasste, regelhafte Gerinnungsmanagement vor endoskopischen Untersuchungen erweist sich somit heute und in Zukunft als ein zentrales qualitatives Charakteristikum einer gut funktionierenden Endoskopieabteilung.

Prof. Dr. med. S. Rossol

Bibliografie

DOI www.dx.doi.org/10.1055/s-0031-1272905

Endo-Praxis 2011; 27: 5 © Georg Thieme Verlag KG

Stuttgart • New York

ISSN 0177-4077

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