Handchir Mikrochir Plast Chir 2011; 43(6): 338-344
DOI: 10.1055/s-0031-1273685
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Grenzen und Möglichkeiten der Vermeidung von Majoramputationen der unteren Extremität bei Diabetischem Fußsyndrom und arterieller Verschlusskrankheit durch freien Gewebetransfer

Preventing Lower Limb Amputations in Patients Suffering from Diabetic Foot Syndrome and Peripheral Vascular Disease – Opportunities and LimitationsS. Schirmer1 , R. G. Ritter2 , A. Rice3 , O. Frerichs1 , I. C. Wehage1 , H. Fansa1
  • 1Klinikum Bielefeld, Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie – Handchirurgie, Bielefeld
  • 2Klinikum Bielefeld, Klinik für Endovaskular- und Gefäßchirurgie, Bielefeld
  • 3Klinikum Bielefeld, Institut für Diagnostische Radiologie, Bielefeld
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Publication History

eingereicht 14.4.2010

akzeptiert 4.2.2011

Publication Date:
14 April 2011 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Anzahl der Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom hat zugenommen. Trotz der besonderen interdisziplinären Aufmerksamkeit, die diesem Krankheitsbild gewidmet wird, kommt es in Deutschland zu über 25 000 Majoramputationen jährlich. In über 70% handelt es sich dabei um Diabetiker. In vielen Fällen bestehen ausgedehnte Defekte in der Belastungszone des Fußes, häufig kombiniert mit einer Osteomyelitis, die eine Deckung durch einen freien Gewebetransfer erfordern, um eine Amputation zu verhindern. Neben freien Muskellappenplastiken stellt der Paraskapular-Lappenplastik eine Alternative zur Defektdeckung dar. Seine Hebemorbidität ist gering. In vielen Fällen kann eine Bypassanlage oder eine perkutane transluminale Angioplastie die Gefäßversorgung der Extremität verbessern. Die Lappenplastik kann auch an den neu geschaffenen Bypass anastomosiert werden.

Patienten und Methoden: Es handelt sich hier um eine deskriptive Studie, in der seit 2007 52 Patienten mit einem Diabetischen Fußsyndrom behandelt worden sind. Bei 23 von ihnen war ein freier Gewebetransfer notwendig, um eine Amputation zu verhindern. Das Durchschnittsalter lag bei 67,8 Jahren. In 15 Fällen wurde eine Paraskapular-Lappenplastik, in 4 Fällen eine M. latissimus dorsi-Lappenplastik mit Spalthaut, in 3 Fällen eine M. gracilis-Lappenplastik mit Spalthaut und in einem Fall eine freie Instep-Lappenplastik des kontralateralen Fußes, der amputiert werden musste, verwendet. In 13 Fällen erfolgte die Anastomose an den zuvor geschaffenen Bypass. In einem Fall über einen AV-Loop an die Vasa tibiales posteriores.

Ergebnisse: 22 Lappenplastiken heilten primär ein. Bis auf einen Patienten konnten alle gehend die Klinik verlassen. Es kam zu einem Lappenverlust. 4 Patienten mussten im weiteren Verlauf im Unterschenkel amputiert werden, da es zu ausgedehnten Infekten bzw. zu Bypassverschlüssen kam. 2 Patienten verstarben an einem akuten Myokardinfarkt in der Anschlussheilbehandlung.

Schlussfolgerung: Bei strenger Indikationsstellung kann der freie Gewebetransfer bei Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom zur Extremitätenerhaltung beitragen. Der Paraskapular-Lappenplastik ist zur Rekonstruktion der Belastungszone des Fußes gut geeignet. Seine konstante Anatomie ermöglicht eine schnelle Lappenhebung bei geringer Hebemorbidität. Die Revaskularisation der Extremität ist Voraussetzung für die Defektdeckung und erfordert in diesem Patientengut die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Gefäßchirurgen und interventionellen Radiologen. Die Extremitätenerhaltung führt zur Verringerung der Mortalität in dieser Patientengruppe und verbessert die Lebensqualität. Eine einzeitige gefäßchirurgische- und plastisch-chirurgische Rekonstruktion sollte angestrebt werden.

Abstract

Background: The number of patients suffering from a diabetic foot syndrome is increasing. In many cases large plantar or heel defects can only be reconstructed by using a free flap. The free parascapular flap is an alternative to free muscle flaps in the reconstruction of plantar or heel defects. Donor site morbidity is low. Autologous bypass reconstruction or an angioplasty can increase extremity perfusion.

Patients and Operations: 52 patients with a diabetic foot syndrome have been reconstructed since 2007. 23 of them required a free tissue transfer. On average these patients were 68.7 years of age. A parascapular flap was used in 15 cases, a latissimus dorsi flap with a skin graft in 4 cases, a gracilis muscle flap with a skin graft in 3 cases. In one case a free instep flap of the contralateral foot, which had to be amputated, was used. In 13 cases the flap was anastomosed to the autologous bypass, in one case an AV loop was used.

Results: 22 flaps healed primarily. Only 1 patient was not able to walk at discharge. There was one flap loss. 4 patients required an amputation later on due to bypass failure or infection. 2 patients died due to cardiac arrest at the rehabilitation clinic.

Conclusion: If the correct indication is met, free flaps can prevent diabetes-derived amputations of the lower limb. The parascapular flap can be used for plantar and heel defects. Flap harvesting is quick due to the constant vascular anatomy. The donor site morbidity is low. Reconstruction requires revascularisation in an interdisciplinary setting including vascular surgeons and radiologists. Limb salvage reduces mortality and improves quality of life. Revascularisation and reconstruction should best be done in a single surgical procedure.